SAFE Finance Blog
23 Sep 2021

Antwort oder Nichtantwort, das ist hier die Frage

Geben Manager:innen unpräzise Antworten auf Fragen, schlägt sich das signifikant in den Aktienkursen ihres Unternehmens nieder – die Methode lässt sich auch auf die Rhetorik im Bundestagswahlkampf 2021 übertragen

Informationen sind unerlässlich für eine effiziente Meinungsfindung. In sämtlichen ökonomischen Prozessen sind Informationen jedoch asymmetrisch verteilt, was den Austausch von Information unerlässlich für die Meinungsbildung von Individuen macht. Mit der Messbarmachung des Informationsaustauschs beschäftigt sich das Paper “Let me get back to you – A machine learning approach to measuring non-answers”. Der Aufsatz entwickelt eine Methodik, welche inhaltslose Antworten („Non-Answers“) identifizieren kann. Weiterhin dokumentiert das Paper, dass Unternehmen oder Manager:innen, welche nicht präzise auf die Fragen von Investoren und Analysten antworten, eine signifikant schlechtere Aktienperformance aufweisen.

Ausweichende Antworten auf Fragen sind jedoch nicht allein ein ökonomisches Phänomen, sondern seit Jahren in vielen Disziplinen ein interessantes Forschungsgebiet. Aufgrund der Aktualität steht in diesen Tagen die Wahl des nächsten deutschen Bundestages im besonderen Fokus. Aus diesem Grund wenden wir eine Methode ähnlich der des oben genannten Aufsatzes auf die Antworten des sogenannten Triells der Kanzlerkandidat:innen vom 12. September 2021 an.

Keine zwei Minuten nach Beginn des Triells stellt Moderator Oliver Köhr nach einer ausweichenden Antwort fest: „Ich kann Sie nicht zwingen zu antworten.“ Dies wirft die Frage auf, ob und wie präzise die Kandidat:innen Annalena Baerbock (Grüne), Armin Laschet (CDU) und Olaf Scholz (SPD) die an sie gerichteten Fragen generell beantwortet haben.

Mittels maschinellen Lernens lässt sich die Präzision von Antworten erfassen

Die Quantifizierung der Präzision einer Antwort ist seit einiger Zeit im Fokus der sozialwissenschaftlichen Forschung. In unserer eigenen Forschung beschäftigen wir uns mit der Identifikation von Antworten, welche die eigentliche Fragestellung nicht hinreichend beantworten. Während es für einen Menschen relativ schwierig ist, die Präzision der Antworten zu bewerten, so ist dies für einen Computer durch moderne Methoden des maschinellen Lernens einfacher möglich – und genau solche Methoden wendet dieser Beitrag auf das Kanzler:innen-Triell an.

Frage und Antwortsituationen wie beispielsweise in Interviews sind die direkteste Art der Informationsgewinnung und damit interessanter als einseitige (Presse-)Erklärungen, in denen die Informationsliefernde den Kontext selbst bestimmt. Bei Fragen hingegen bestimmt die Informationssuchende den – gegebenenfalls kritischen – Kontext. Vorliegend geht es nun darum zu, eruieren, wie nah eine Antworten der Kanzlerkandidat:innen am thematischen Kontext der Frage ist.

Nach unseren Analysen liegen die Antworten von Annalena Baerbock am nächsten an den Fragen der Moderatoren, gefolgt von Armin Laschet und Olaf Scholz. In Abbildung 1 handelt es sich um durchschnittliche Werte über alle Frage- und Antwortpaare während des Triells und somit um eine vereinfachende Darstellung.

Die Tagesschau schreibt in einem Kommentar zu der Sendung: „Baerbock war klug genug, sich aus den Streitereien der beiden Männer weitgehend herauszuhalten.“ Die bilateralen Diskussionen könnte ein Faktor bei der Erklärung von Frau Baerbocks kontextnahen Antworten sein und ebenfalls das Abschweifen der Kandidaten Laschet und Scholz von der ursprünglichen Frage erklären. Darüber hinaus könnte natürlich auch die jahrelange Erfahrung von Herr Laschet und Herr Scholz im Umdrehen von Journalist:innenfragen eine Rolle spielen. „The Artful Dodger“ – eine Kernkompetenz auf der politischen Bühne.

Für das Publikum ist sicherlich die Kompetenz des rhetorisch guten Redens von der inhaltlichen Seite zu trennen. Ersteres schlägt sich dabei auf das subjektive Empfinden der Zuhörer:innen nieder, wohingegen letzteres sich allein auf Friedemann Schulz von Thuns Sachebene bezieht. Abschließend interessiert uns der eigentliche Inhalt der Antworten. Die folgenden Wordclouds, welche die Schriftgröße mit der Worthäufigkeit gewichten, sollen hierzu Aufschluss geben. In einem sind sich alle Kandidat:innen offensichtlich einig: sie “müssen” nach der Wahl viel tun.


Jun.-Prof. Dr. Andreas Barth hält eine Juniorprofessur für BWL, insbesondere Digitale Transformation in Unternehmensrechnung und Finanzdienstleistungen an der Universität des Saarlandes und ist assoziierter Wissenschaftler am House of Finance der Goethe-Universität Frankfurt.

Sasan Mansouri ist Doktorand am House of Finance der Goethe-Universität Frankfurt.

Dr. Fabian Woebbeking ist assoziierter Wissenschaftler am House of Finance der Goethe-Universität Frankfurt.

Blogbeiträge repräsentieren die persönlichen Ansichten der Autor:innen und nicht notwendigerweise die von SAFE oder seiner Mitarbeiter:innen.