14 Dec 2020

Wo der Konsum in Coronazeiten sinkt, steigen die Staatsschulden

Der dritte Online-Konferenztag der Frankfurt Conference on Financial Market Policy 2020 macht deutlich, dass die Coronakrise lange Schatten auf Haushaltseinkommen und Hilfsmaßnahmen in Europa wirft

Wie schwer die wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie tatsächlich wiegen, zeigt sich insbesondere daran, wie Europas Bevölkerungen und Länder auf diese Krise reagieren. Während einerseits der Konsum fast flächendeckend abgesackt ist, schnellen andererseits die Staatsschulden in die Höhe. Langfristig leiden darunter nicht nur das Wachstum im Europäischen Wirtschaftsraum, sondern auch seine sozialen Sicherungssysteme. Wie wiederum die politische Antwort auf diese Entwicklung ausfällt, stand im Zentrum der Paneldebatte am dritten Veranstaltungstag der diesjährigen Frankfurt Conference on Financial Market Policy, die erstmals als Web-Konferenz stattfindet.

„Nahezu alle Haushalte sind betroffen“, eröffnete Andreas Hackethal die Diskussionsrunde zum Thema „The Corona Pandemic and Household Consumption: How Should an Effective Stimulus Package Look Like?”. Der Leiter der Forschungsabteilung Household Finance bei SAFE unterstrich damit nicht nur die Auswirkungen der Coronakrise auf die unterschiedlichen Haushaltseinkommen. Seine Darstellung der Ergebnisse einer groß angelegten Haushaltsbefragung in Deutschland – zusammengefasst in einem SAFE White Paper – verdeutlichten auch die Varianz in der Effektivität von staatlich geschnürten Stimuluspaketen, um der Pandemie zu begegnen.

Covid-19-Schock trifft vor allem Niedrigeinkommen

Die beiden Vertreter von EU-Institutionen auf dem Online-Panel – die Ökonomen Maarten Dossche von der Europäischen Zentralbank und Philipp Mohl von der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen der Europäischen Kommission – unterfütterten die Ausführungen von Andreas Hackethal anhand von Daten aus ihren jeweiligen Häusern. Die „Consumer Expectations Survey“ (CES) der EZB zeige sehr heterogene Effekte mit Blick auf Sparverhalten und Konsum der Bevölkerung im Euroraum, schilderte Dossche. Vor allem am unteren Ende der Einkommensverteilung seien Haushalte dem Covid-19-Schock ausgesetzt, was ihre Liquidität und damit auch ihren Konsum einschränke. „Diese Menschen müssen sich Geld leihen oder an ihre Ersparnisse gehen, um Ausgaben schultern zu können“, sagte Dossche. Folglich konzentriere sich die Masse staatlicher Hilfsmaßnahmen auf diese Einkommensgruppen.

Im Vergleich mit den USA habe die Coronakrise die Eurozone zeitlich früher getroffen. Die Amerikaner hätten wiederum mit größeren Hilfspaketen reagiert, die aber weniger gezielt eingesetzt würden, erklärte der EZB-Ökonom. In Europa gingen die umfangreichsten Hilfspakete auf die Konten Deutschlands, Frankreichs und der Niederlande, knüpfte Philipp Mohl an, die zugleich auch sehr zielgerichtet seien. Problematisch sei indes, wenn diese Pakete nicht mehr nur temporär zum Einsatz kämen, sondern dauerhaft. Mohl zufolge wird die öffentliche Verschuldung im Zuge der Coronakrise auf aggregierter EU-Ebene um mehr als 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen. Das reale BIP werde für das Jahr 2020 um acht Prozent schrumpfen, noch 2022 werde sich unter dem Vorkrisenniveau bewegen, gemessen an der Wirtschaftsleistung.

Corona-Schulden belasten langfristig soziale Sicherungsnetze

„Das optimale Politikdesign hängt stark von der Länge und Schwere der Pandemie ab“, erklärte Mohl weiter. Im Verlauf der Krise gewinne die Fiskal- im Verhältnis zur Geldpolitik wieder mehr an Bedeutung. „Die Komplexität der Hilfsmaßnahmen ist ausschlaggebend für die Effektivität der Politik“, pflichtete Michael Weber von der Universität Chicago bei, entgegnete allerdings: „Die Kommunikation steuert die Erwartungen.“ So würden Haushalte, die mehr von der Hand in den Mund leben müssten, zwei Drittel der staatlichen Zuschüsse tatsächlich auch für Konsum aufwenden, während mit steigendem Einkommen der Ausgabenanteil sinke. Um die Menschen zu mehr Konsum zu bewegen, sei entscheidend, wie klar das von der öffentlichen Hand auch kommuniziert werde.

SAFE Fellow Alexander Ludwig, der die Debatte moderierte, verwies schließlich auf die Kostenseite der staatlichen Ausgabenprogramme zur Bekämpfung der Coronakrise. So sähen sich kommende Generationen gewaltigen Schuldenbergen gegenüber, die das Volumen sozialer Sicherungsnetze bei weitem überstiegen. Die nachrückenden Haushalte hätten zudem nicht nur mit hohen Staatsschulden zu kämpfen, sondern voraussichtlich auch geringere Einkommen zur Verfügung. Um die staatlichen Hilfspakete also krisenfest und nachhaltig zu machen, müssten die fiskalischen Multiplikatoren einen Wert größer als eins haben.


Das Video zur dritten Session der Frankfurt Conference on Financial Market Policy 2020 in voller Länge