Unter dem Titel „Finance. Forschung. Fingerfood.“ startete am 9. April 2025 eine neue Veranstaltungsreihe, die den Dialog zwischen wirtschaftswissenschaftlicher Spitzenforschung und politischen Entscheidungsträger:innen in Berlin fördern soll. Initiator sind das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW), das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und SAFE. Die Auftaktveranstaltung hatte eine besondere Relevanz: Nur wenige Stunden nach der Bekanntgabe des Koalitionsvertrags zwischen CDU/CSU und SPD diskutierten drei Ökonomen die möglichen Folgen des geplanten Sondervermögens sowie der teilweisen Aussetzung der Schuldenbremse.
Deutsche Staatsverschuldung ist kein erhöhtes Risiko
Den Auftakt machte Florian Heider, Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE, der sich mit den Reaktionen der Kapitalmärkte auf das Sondervermögen beschäftigte. Unmittelbar nach dessen Ankündigung waren die Zinsen deutscher Staatsanleihen um 50 Basispunkte angestiegen. Einige Beobachter werteten dies als Hinweis auf ein gestiegenes Ausfallrisiko der Bundesrepublik und warnten vor wachsender Staatsverschuldung. Heider relativierte diese Deutung jedoch: „Die Renditedifferenz zwischen deutschen Anleihen und denen anderer Euroländer – etwa Italien – hat sich nicht verändert. Eine solche Spreizung wäre aber zu erwarten gewesen, wenn sich ausschließlich das deutsche Risiko erhöht hätte. Vielmehr gelten deutsche Staatsanleihen weiterhin als safe assets, also als sichere Anlageform, für die Investor:innen bereit sind, eine Prämie zu zahlen.“ Besonders in Krisenzeiten – zuletzt etwa bei der Ankündigung von US-Importzöllen durch Präsident Trump – fließe Kapital bevorzugt in deutsche Anleihen. Aus dieser Perspektive, so Heider, sei es ökonomisch sinnvoll, das Angebot dieser Wertpapiere auszuweiten und so die Marktnachfrage zu bedienen. Mehr zu diesem Thema findet sich im SAFE Finance Blog.
Keine hohe Inflation durch Sondervermögen
Im Anschluss beleuchtete Alexander Kriwoluzky, Leiter der Abteilung Makroökonomie am DIW, die potenziellen inflationären Effekte des Sondervermögens. Auch in diesem Zusammenhang dominieren in der öffentlichen Debatte Warnungen vor steigender Inflation. Doch eine die ökonomische Analyse gibt Entwarnung – aus zwei Gründen: Erstens hätten sich die Inflationserwartungen der Finanzmärkte infolge der Ankündigung nur moderat verändert. Zweitens prognostiziere eine modellgestützte Simulation selbst in einem Negativszenario – in dem nordeuropäische Länder Schulden in Höhe von 1,5 Prozent ihres BIP aufnehmen – lediglich eine Teuerungsrate von unter sechs Prozent. Zwar seien gewisse Preisniveaueffekte durch die zusätzlichen Staatsausgaben nicht zu leugnen, eine anhaltend hohe Inflation über dem Zielwert der EZB sei jedoch nicht zu erwarten. Dieses Thema beleuchtet ein kürzlich erschienener Beitrag in DIW aktuell.
Strukturelle Probleme verhindern öffentliche Investitionen
Nachdem damit zwei der häufigsten Bedenken gegen eine höhere staatliche Kreditaufnahme entkräftet waren, richtete Reint Gropp, Präsident des IWH, den Blick auf die strukturellen Bedingungen öffentlicher Investitionen. Mit einer ernüchternden Diagnose stellte er fest: Nicht die im Jahr 2011 eingeführte Schuldenbremse habe in der Vergangenheit höhere staatliche Investitionen verhindert. Vielmehr liege das Niveau öffentlicher Investitionen in Deutschland seit drei Jahrzehnten kontinuierlich unter dem EU-Durchschnitt. Die Ursachen dafür seien tief verankert in den komplexen Zuständigkeiten des Föderalstaats sowie in planungs-, bau- und umweltrechtlichen Hürden. Insbesondere Kommunen seien häufig weder personell noch finanziell in der Lage, bereitgestellte Bundesmittel für Investitionen – etwa in die Infrastruktur – abzurufen. Solange diese strukturellen Hindernisse nicht beseitigt seien, bestehe die Gefahr, dass Mittel aus Sondervermögen nicht investiv, sondern konsumtiv verwendet oder gar nicht abgerufen würden.
Die Veranstaltungsreihe Finance. Forschung. Fingerfood. soll künftig zweimal jährlich stattfinden. Die nächste Ausgabe ist für Herbst 2025 geplant und wird erneut in den Räumen des DIW stattfinden. Bei Interesse wenden Sie sich bitte an Christiane Zschech unter events@diw.de.