Die Union und SPD haben ankündigt, Deutschlands restriktive Schuldenpolitik zu lockern: Ein Sondervermögen soll Investitionen in die Infrastruktur ermöglichen und für Verteidigungsausgaben wird die Schuldenbremse gelockert. Im aktuellen SAFE Policy Letter No. 105 plädieren wir für eine flexiblere Schuldenpolitik, die darüber hinaus durch die Bereitstellung von mehr sicheren Vermögenswerten Vorteile für den Markt bringt. Denn: Deutsche Staatsanleihen spielen eine entscheidende Rolle als stabilisierende Säule der europäischen Finanzarchitektur. Diese Sicherheiten werden jedoch durch den geringen Spielraum der bisher restriktiven Schuldenpolitik künstlich verknappt. Eine flexiblere Lösung festigt die Rolle Deutschlands als Stabilitätsanker im Euroraum und stärkt so die europäische Souveränität.
Sichere Vermögenswerte („Safe Assets“) sind keine Last, sondern ein notwendiges Gut für stabile und funktionierende Finanzmärkte. Sie dienen als vertrauenswürdige Sicherheiten für Finanztransaktionen und stützen den Repo-Markt – eine Schlüsselkomponente für Liquidität und Risikomanagement. Besonders in Krisenzeiten, wie während der Eurokrise oder der Corona-Pandemie, erweisen sich diese Vermögenswerte als unverzichtbar. Die notwendigen Kriterien für Safe Assets (geringes Ausfallrisiko, hohe Liquidität, niedrige Volatilität) können im Euroraum nur deutsche Staatsanleihen erfüllen.
Deutschland weist gegenüber anderen europäischen Ländern wie Italien, Frankreich oder Niederlande dauerhaft niedrigere Zinssätze aus (Safe-Asset Prämie), welche sich in Krisenzeiten verstärken (siehe Abbildung 1). Das Argument, dass Renditeaufpreise mit Deutschlands niedriger Schuldenquote erklärt werden kann, lässt sich am Beispiel Niederlande widerlegen, welches eine niedrigere Schuldenquote und einen positiven Renditeaufpreis zu Deutschland aufweist.
Abbildung 1: Renditeaufpreis zu zehnjährigen deutschen Staatsanleihen

Quelle: Federal Reserve Bank of St. Louis (FRED), Berechnungen der Autoren
Der Repo-Markt ist eine der wichtigsten Komponenten der Finanzmärkte und eng mit der Funktion sicherer Vermögenswerte verknüpft. Repurchase Agreements, kurz Repos, sind kurzfristige Finanzierungsgeschäfte, bei denen ein Wertpapier, in der Regel ein sicherer Vermögenswert wie eine Staatsanleihe, als Sicherheit hinterlegt wird. Der Repo-Markt gewährleistet Liquidität und Stabilität im Finanzsystem, da er den Zugang zu kurzfristiger Finanzierung erleichtert und gleichzeitig die Risiken für die beteiligten Parteien minimiert. Ein Mangel an Safe Assets kann somit das Finanzsystems in Krisenzeiten aus dem Gleichgewicht bringen.
Ein Problem mit globalen Konsequenzen
Die Verknappung deutscher Staatsanleihen führt dazu, dass europäische Finanzinstitute zunehmend auf US-Staatsanleihen ausweichen. So stieg der Anteil amerikanischer Anleihen im europäischen Repo-Markt in den letzten sieben Jahren von 5 Prozent auf über 15 Prozent und überholte damit im Jahr 2024 erstmals Deutschland (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2: Sicherheiten im europäischen Repo-Markt nach Ländern

Quelle: International Capital Market Association European Repo Market Survey Nummer 35-47, Tabelle 2.8
Die Annahme, dass Deutschlands niedrige Staatsverschuldung ein Garant für europäische Stabilität ist, greift daher zu kurz. Solange die sicheren Vermögenswerte im Euroraum nicht ausreichen, führt Deutschlands restriktive Ausgabenpolitik zum Import ausländischer Staatsanleihen – und damit auch zum Import von Risiken ausländischer Staatsschulden. Hinzu kommt, dass der Markt bereit ist, eine Safe-Asset-Prämie zu zahlen, die in diesem Fall jedoch den amerikanischen anstatt den deutschen Steuerzahlern nutzt.
Die Lösung: Eine flexible Schuldenpolitik
Die geplante Reform von Union und SPD lockert Deutschlands Schuldenpolitik. Das ist eine Chance, um sichere Vermögenswerte zu schaffen und diese nicht künstlich zu verknappen.
Das würde:
- Deutschlands Position als Stabilitätsanker im Euroraum stärken und somit dem europäischen Finanzmarkt neue Stabilität verleihen,
- die Abhängigkeit von US-Staatsanleihen reduzieren,
- den deutschen Steuerzahler an der Safe-Asset Prämie teilhabenlassen.
Florian Heider ist wissenschaftlicher Direktor von SAFE.
Jonas Schlegel ist Financial Economist am SAFE-Policy Center.
Blogbeiträge repräsentieren die persönlichen Ansichten der Autor:innen und nicht notwendigerweise die von SAFE oder seiner Mitarbeiter:innen.