White Paper No. 12, 2012

Die Legende von der verfassungsrechtlichen Sonderstellung des „anonymen“ Kapitaleigentums

In jüngster Zeit sind wieder Bestrebungen zu erkennen, dem „anonymen“ Geldeigentum ein als höherwertig empfundenes Sacheigentum entgegen zu stellen. Auch wenn es nicht immer deutlich ausgesprochen wird, soll auf diese Weise ein unterschiedliches grund- und menschenrechtliches Schutzniveau konstruiert werden, verbunden mit einer zusätzlichen Pflichtenbindung des Eigentums an Kapitalgesellschaften. Diese Bestrebungen sind indes nicht neu. Bei genauem Hinsehen können sie auf eine lange Tradition zurückblicken, wenn auch zum Teil in einem anderen Gewande. Ihre geistigen Wurzeln sind allerdings meist weniger bekannt. Im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Krise der Finanzmärkte und Finanzinstitutionen erleben diese überwunden geglaubten Ideen eine erstaunliche Wiedergeburt. Dabei wird allerdings schon im Ansatz verkannt, dass die Entstehung der gegenwärtigen Krise nichts mit der Anonymität von Geld- oder Anteilseigentum zu tun hat, wohl aber sehr viel mit Marktversagen und Staatsversagen.