5. Frankfurt Conference on Financial Market Policy: "EMU – How much Federalism?"

27. Oktober 2017, Goethe-Universität Frankfurt

Die Bestimmung eines angemessenen Grades der Vergemeinschaftung innerhalb der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) ist eines der Kernthemen der aktuellen politischen Debatte. Vor diesem Hintergrund widmete das SAFE Policy Center am 27. Oktober 2017 die 5. Frankfurt Conference on Financial Market Policy and der Goethe-Universität Frankfurt dem Thema „EMU: How much Federalism?“. Nach einer Einführung von Jan Pieter Krahnen, Direktor des SAFE Policy Center, hielt Peter Praet (Mitglied des Executive Board der Europäischen Zentralbank, EZB) eine Keynote-Ansprache zum Thema der Konferenz.

Peter Praet zeichnete die Entwicklung des Föderalismus in der EU nach. Er erinnerte daran, dass sich das ökonomische Klima innerhalb der letzten zehn bis fünfzehn Jahre gewandelt habe und dass die aktuelle Stimmung nicht zu Gunsten des freien Handels entwickelt habe. Praet forderte mehr Integration in Europa, nicht nur in Krisenzeiten, sondern auch in Zeiten der Konjunkturerholung, um den Gefahren durch Renationalisierung zu begegnen. Dabei sollten die Vollendung der Bankenunion und die Schaffung einer europäischen Kapitalmarktunion Priorität haben. Er räumte jedoch ein, dass die Umsetzung und die langen Übergangsphasen große Herausforderungen darstellten.

Gemeinsame Währungspolitik ohne Risikoverteilung

Das erste der drei nachfolgenden Panels beschäftigte sich mit der Frage „Common monetary policy without risk-sharing?“ und wurde von Günter Beck (SAFE und Universität Siegen) geleitet. Ulrich Bindseil (EZB) gab einen Überblick über das Finanzrisikomanagement von Zentralbanken und zeigte Gemeinsamkeiten und Besonderheiten im Vergleich mit dem Finanzrisikomanagement von Finanzinstituten auf. Anschließend gab Bindseil eine Übersicht zu den Regeln der Risikoverteilung innerhalb des Eurosystems und warf die Frage nach der Notwendigkeit von Risikoverteilung innerhalb geldmarktpolitischer Geschäfte auf. Falko Fecht (Frankfurt School of Finance & Management) betonte die Bedeutung eines gut integrierten Retail-Marktes für Banken in der EU. Fecht zufolge untergräbt die derzeitige EZB-Politik die marktgerechte Bepreisung von Bankenrisiken indem sie 0-Prozent-Risikogewicht von Staatsanleihen akzeptiert. Christian Kopf (Union Investment) vertrat die Auffassung, dass eine Risikoverteilung für eine gemeinsame Geldpolitik notwendig ist. Die EZB spiele dabei eine zentrale Rolle. Anne Le Lorier (Banque de France) verwies auf die jüngsten Entwicklungen des europäischen Sicherheitenrahmens und dessen empirisch belegte Wirksamkeit.

In der zweiten Keynote der Konferenz erörterte Ewald Nowotny (Gouverneur Österreichische Nationalbank) die Rolle von Transferzahlungen innerhalb der EWWU als Mechanismus zum Ausgleich wesentlicher Unterschiede der wirtschaftlichen Entwicklung zwischen den Mitgliedstaaten. Nowotny zufolge ist die EWWU zurecht eine Transferunion mit einigen gesetzesmäßigen Beschränkungen  – trotz heftiger Kritik einiger Mitgliedstaaten. Der Gouverneur der Österreichischen Nationalbank zählte mehrere Beispiele für Transferelemente innerhalb der EWWU auf und hob dabei die Transferzahlungen als eine der entscheidenden Beschränkungen für die Idee eines stärkeren Zusammenhalts der europäischen Gemeinschaft hervor. Weiterhin sprach sich Nowotny für die Pläne zur Erweiterung des ESM aus und empfahl der EZB eine grundlegendere Rolle mit einer langfristigen Perspektive zuzuweisen.

Bankenunion – welche Art von Schutzschirm?

Das zweite Panel unter dem Vorsitz von Jürgen Schaaf (EZB) beschäftigte sich mit der Frage “Banking Union – What type of backstop?”. Ignazio Angeloni (EZB) wies darauf hin,  dass die Letztsicherung („Backstop“) und die Aufsicht zwei notwendige, komplementäre Elemente seien. Seiner Auffassung nach sei der Abwicklungsrahmen wichtiger als eine gemeinsame Europäische Einlagensicherung. Mario Nava (Europäische Kommission) zufolge ist die Notwendigkeit eines einheitlichen Schutzschirmes unbestritten. Er unterstrich dabei, dass der „Backstop“ steuerlich neutral und seine Einrichtung abhängig von der Erfüllung einiger Bedingungen sein sollte. María Nieto (Banco de España) wies darauf hin, dass Einleger unter einem möglichen European Deposit Insurance System (EDIS) einen Forderungsanspruch haben würden, dies sei für Gläubiger unter dem Single Resolution Fund (SRF) nicht der Fall. Weiterhin schlug sie vor, SRF und EDIS in einen gemeinsamen Fonds zusammenzufassen. Nach Jan Pieter Krahnen (SAFE und Goethe-Universität) ist die Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (BRRD) eine der größten Errungenschaften der EU-Regulierung nach der Finanzkrise, „auch, wenn die BRRD noch unvollendet ist. Wir sollten einen Bail-in implementieren, der nachhaltig ist“, sagte Krahnen. Demnach müssen die Bail-in-Regeln innerhalb des Rahmens vorzuhaltender bail-in-fähiger Verbindlichkeiten (Total Loss Absorbing Capacity – TLAC / Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities – MREL) glaubhaft durchgesetzt werden. Krahnen wies darauf hin, dass ein Anteil an Verbindlichkeiten oberhalb von TLAC und unterhalb der gesicherten Einlagen einem bedingten Bail-in unterläge. Dies impliziere das Risiko eines Bank-Runs, da Investoren ihre Anlagen umgehend abziehen würden, sollte die betreffende Bank in Schwierigkeiten geraten. Krahnen zufolge könnte das Risiko eines Bank-Runs die Stabilität einer Bank gefährden. Er schlug daher vor, eine Obergrenze für Bail-in mit einer glaubhaften Bailout-Garantie jenseits dieses Bail-in-Levels festzulegen – möglicherweise in Form eines europäischen “Public Backstop“.

Euroland – wie viel Vergemeinschaftung?

Das dritte Panel, welches Hans-Helmut Kotz (SAFE und Harvard University) moderierte, diskutierte das Thema “Euroland – How much mutualization?”. Nicolas Carnot (Europäische Kommission) betonte, “es ist wichtig, dass jedes Land zuerst seine Hausaufgaben erledigt“. Er forderte Reformen zur Sicherstellung Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems und erinnerte das Publikum daran, dass gemeinsame Mechanismen zentral seien, wenn es zu einem Vertrauensverlust komme. Ludger Schuknecht (Bundesfinanzministerium) zufolge bestehe bereits ein großes Maß an Vergemeinschaftung in Europa, beispielweise durch den ESM oder die gemeinsame Währungspolitik. Seiner Ansicht nach müssen weitere Reformen anreizkompatibel gestaltet sein, um Moral Hazard-Probleme zu vermeiden und um das Vertrauen in europäische Institutionen wiederherzustellen. Angesichts eines Mangels an politischem Konsens für weitere Vergemeinschaftung schlug Helene Schuberth (Österreichische Nationalbank) European Safe Bonds (ESBies) als möglichen Lösungsweg vor. Die Auflösung der Fragmentierung nationaler Anleihenmärkte und die Schaffung gemeinsamer europäischer sicherer Anlagen wären, so Schuberth, die größten Vorteile. Waltraud Schelkle (London School of Economics) vertrat die Ansicht, dass aufgrund der gemeinsamen Währung die Staaten innerhalb der Eurozone ein wichtiges politisches Instrument verloren hätten, „so dass mehr geldpolitische Solidarität für den Umgang mit großen, übergreifenden Schocks notwendig ist“. Sie wies weiter darauf hin, dass „Moral Hazard“ eher ein Problem der Banken als ein politisches Problem sei und schlug „Katastrophenanleihen“ vor, deren Zahlungsverpflichtung vom Eintritt bestimmter Katastrophenereignisse abhängig gemacht wird.