Frankfurt Conference on Financial Market Policy 2013
29 November 2013, Goethe University Frankfurt
Am 29. November 2013 fand die erste Frankfurt Conference on Financial Market Policy statt. Auf der Konferenz diskutierten hochrangige Vertreter aus Regulierungsbehörden und Wirtschaft darüber, welche Herausforderungen sich ihren Institutionen derzeit stellen bei der Umsetzung der aktuellen Reformvorschläge, die unter dem Begriff „Bankenunion“ subsumiert werden. Die eintägige Veranstaltung wurde vom Policy Center des Exzellenzzentrums SAFE organisiert und soll in jährlichem Rhythmus fortgesetzt werden. Rund 250 Teilnehmer aus mehr als 15 Ländern, unter ihnen hochrangige Wissenschaftler und Entscheidungsträger aus Zentralbanken, Aufsichtsbehörden und der Finanzindustrie, besuchten die Veranstaltung an der Goethe-Universität Frankfurt und nutzten die Gelegenheit, um sich mit ihren eigenen Ansichten und Fragen an die Rednern zu wenden.
Die Besucher wurden von Rainer Klump, Vizepräsident der Goethe-Universität, und Jan Pieter Krahnen, Programmdirektor des SAFE Policy Centers, begrüßt. In der folgenden Keynote Address beschrieb Yves Mersch, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank, die zentralen Schwierigkeiten, die sich bei den derzeitigen Versuchen, das Finanzsystems zu reformieren, stellen: erstens die Wettbewerbsunterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, zweitens die hohen öffentlichen und privaten Schuldenstände und schließlich die institutionellen Reformbarrieren. Mersch betonte, dass die wirtschaftliche Erholung davon abhänge, dass diese Hürden überwunden werden.
Die erste von drei Podiumsdiskussionen widmete sich dem Thema “One market, one supervisor? Underwriting safety and soundness of EMU banks”. Die Diskussion wurde von Hans-Helmut Kotz, Programmdirektor des SAFE Policy Centers, geleitet. Ignazio Angeloni, Generaldirektor Finanzstabilität der Europäischen Zentralbank (EZB), stellte das Vorhaben der EZB vor, einen umfassenden Bilanztest („comprehensive assessment“) durchzuführen. Laut Angeloni ist es in erster Linie das Ziel des Tests, die Transparenz zu erhöhen und dabei das Vertrauen in das Finanzsystem wiederherzustellen. Das Assessment diene als Versuchsfeld für den einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM), der durch den Test vorbereitet werde. John Berrigan, Direktor für Finanzstabilität, Wirtschaft und Finanzen der Generaldirektion ECFIN der Europäischen Kommission, warnte davor, dass der SSM alleine nicht ausreichen werde, um die Verflechtung von Bank- und Staatsrisiken zu durchdringen. Er forderte, den SSM durch einen Abwicklungsmechanismus zu vervollständigen, der auf einem gemeinsamen Regelwerk basiert und Zugang zu einem einheitlichen Abwicklungsfonds hat.
Vítor Gaspar von der Banco de Portugal fügte hinzu, dass die Elemente der Bankenunion nicht nur dazu dienen sollten, die Finanzmärkte zu stabilisieren, sondern auch der Fragmentierung der Finanzmärkte entgegenwirken und dabei die Übertragung der Geldpolitik ermöglichen müssten. Charles Goodhart, Direktor des Forschungsprogramms Financial Regulation an der London School of Economics, warnte davor, dass die aktuellen mikroprudentiellen Maßnahmen dazu führten, dass Banken ihre Bilanzen verkürzen. Aus einer makroökonomischen Perspektive schade dieses Deleveraging, da Investitionen dringend benötigt werden. Adam Posen, Präsident des Peterson Institute for International Economics in Washington, bekräftigte, dass in der Eurozone ein stark zentralisiertes Organ notwendig sei, das sich mit der Aufsicht, Abwicklung und Einlagensicherung befasse. Seiner Ansicht nach funktioniere die Rekapitalisierung der Banken nicht, da es in Europa keine Instrumente für fiskalische Transfers gebe. Es folgte eine kontroverse Diskussion darüber, ob die jetzt umgesetzten Reformen den konzeptionellen Ideen entsprechen, die ursprünglich für die Bankenunion vorgesehen waren.
Die Details des einheitlichen Abwicklungsmechanismus wurden auf dem zweiten Podium “Making banks failable” diskutiert, das Jürgen Schaaf, Berater des Direktoriums der EZB, moderierte. Die Teilnehmer hoben hervor, dass man bei der Abwicklung von Finanzinstituten unterscheiden müsse zwischen Instituten, bei denen die Unternehmenstätigkeit fortgeführt wird („going-concern”) und solchen, bei denen der Insolvenzfall eintritt („gone-concern“). Im Falle einer möglichen Erholung könnte die Bail-in-Anleihe zum Beispiel die Form einer Contingent Convertible (Coco-) Anleihe annehmen. Andreas Dombret, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, betonte die Bedeutung von Abkommen zwischen den Herkunftsland- und den Gastlandbehörden bei der Abwicklung von grenzüberschreitenden Banken. Philipp Härle, Direktor bei McKinsey & Company, lobte, dass die Pflicht zu sogenannten „Living Wills” die Banken dazu gedrängt habe, Notfallpläne zu entwickeln. Jan Krahnen argumentierte, dass Bail-in bisher in keinem bedeutenden Fall einer Bankenrestrukturierung zum Einsatz kam, da die Behörden Angst vor Ansteckungseffekten hatten. Er schlägt vor, die Abwicklungsvorschriften zu verbessern, indem man Banken verbietet, nachrangige Anleihen anderer Banken zu halten. Er vertrat die Meinung, dass es Aufgabe der neuen zentralen Aufsichtsbehörde sein sollte, die Bail-in-Fähigkeit von nachrangigen Bankanleihen zu überwachen. Maria Nieto, Beigeordnete Direktorin der Generaldirektion Bankenregulierung und Finanzstabilität der Bank of Spain, hob hervor, dass es deutliche Marktsignale geben müsse, damit ein Bail-in-Instrument wirksam sein könne. Für sie ist es deshalb von größter Bedeutung, dass der Abwicklungsrahmen die Auslöser für ein Bail-in offenlegt. Adrian van Rixtel, Senior Economist bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, erweiterte die Diskussion, indem er die Podiumsteilnehmer und das Publikum daran erinnerte, dass es noch eine offene Frage im Hinblick auf das Kerngeschäft der Banken gebe. Die Trennbankengesetze seien in einigen Mitgliedsländern weit fortgeschritten, während eine europäische Antwort noch ausstehe.
Das dritte Podium beschäftigte sich mit der Frage: “What’s up for banks – and their clients”. Auf diesem Podium, unter der Leitung von Andreas Hackethal, Professor für Personal Finance an der Goethe-Universität, wurden kontroverse Argumente in Bezug auf die Verantwortung der Banken für die Finanzkrise diskutiert. Lutz Diederichs, Vorstandsmitglied der Hypo Vereinsbank – UniCredit Bank AG, protestierte gegen die hohen und vor allem widersprüchlichen Erwartungen, die Regulierer und Konsumenten an Banken hätten. Joachim Nagel, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, kritisierte das Selbstmitleid, das von Banken zur Schau gestellt werde, und unterstrich, dass der Grund für die striktere Regulierung die Risiken seien, die sich schon vor der Krise in Bankprodukten und -aktivitäten angehäuft hätten. Sylvie Matherat, stellvertretende Generaldirektorin der Banque de France, fügte hinzu, dass die aktuellen Regulierungsanstrengungen keine „Bestrafung“ für die Krise darstellten, sondern zum Ziel hätten, die Regulierung zu verbessern. Thierry Philipponnat von Finance Watch in Brüssel zitierte aus dem Liikanen Report, dass nur 28 Prozent der Bankaktiva genutzt würden, um Kredite an Realwirtschaft und Haushalte zu vergeben. Dies werfe die Frage auf, ob das Finanzsystem in erster Linie der Wirtschaft und Gesellschaft diene. Weitere Panelteilnehmer waren Karl-Peter Schackmann-Fallis, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, und Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln.
In seiner Abschlussrede verdeutlichte Ignazio Visco, Vorstand der Banca d‘Italia, die Unterschiede zwischen der Krise in der Finanzindustrie 2007, die durch mangelhafte Regulierung ausgelöst wurde, und der Krise der Regierungen im Euroraum. Während einzelne Länder die geforderten Strukturreformen umsetzen müssten, um ihr „Haus in Ordnung zu bringen“, habe die Europäische Zentralbank (EZB) mehrmals eingreifen müssen, um den geldpolitischen Transmissonsmechanismus aufrecht zu erhalten. Er vertrat die Meinung, dass die Bankenunion die Situation verbessern werde und unterstützte die Idee einer einheitlichen Aufsichtsbehörde.