SAFE Finance Blog
08 Apr 2025

Wenn Märkte gute Absichten dämpfen: Eine Lektion für soziale Verantwortung

Peter Andre: Selbst die besten Absichten, schädlichen Konsum einzuschränken, werden durch Marktkräfte geschwächt; institutionelles Handeln bleibt unerlässlich

Eine Einkaufstasche in der eine Pflanze eingepflanzt wurde.

In einer Zeit, in der das Bewusstsein für den Klimawandel, unethische Arbeitspraktiken und die Umweltzerstörung wächst, ist sozial verantwortungsvoller Konsum für viele Menschen wichtig geworden. Doch trotz der besten Absichten vieler besorgter Verbraucher:innen gelingt es auf Märkten nicht zuverlässig, diese Bemühungen in nachhaltige Ergebnisse zu übersetzen. Machen Sie sich auf eine verwickelte Geschichte mit einer einfachen, aber wichtigen Lektion gefasst.

Der dämpfende Effekt der Märkte

Der Kern des Problems liegt in dem, was die jüngste SAFE-Forschung den „Dämpfungseffekt“ nennt. Dieser Effekt lässt sich am besten mit einem theoretischen Argument veranschaulichen. Wenn sozial verantwortungsbewusste Verbraucher:innen ihren Konsum eines schädlichen Gutes, beispielsweise Kraftstoff, reduzieren, ist der erste Effekt ... nun ja ... ein Rückgang des Kraftstoffverbrauchs. Das ist der direkte Effekt und er ist wenig überraschend: Einige Verbraucher:innen reduzieren ihren Verbrauch und der gesamte Verbrauch auf dem Markt sinkt. So weit, so gut.

Es gibt jedoch auch einen indirekten Effekt. Wenn einige Verbraucher:innen ihren Kraftstoffverbrauch reduzieren, sinkt dadurch der Kraftstoffpreis, wodurch das Gut für alle Konsument:innen erschwinglicher und attraktiver wird. Dies wiederum führt zu einer erhöhten Nachfrage nach Kraftstoff. Denn selbst wenn alle Menschen ethische Bedenken hinsichtlich der Verbrennung von Kraftstoff teilten, machen sie sich dennoch gerne niedrige Preise zu Nutzen. Die Nachfragesteigerung gleicht die anfängliche Reduktion teilweise aus, wodurch diese im Markgleichgewicht gebremst wird.

Flugreisen sind ein weiteres gutes Beispiel. Wenn umweltbewusste Reisende auf Flüge verzichten, können Fluggesellschaften die Ticketpreise senken und versuchen, die freien Plätze zu füllen. Solche niedrigeren Preise ziehen wiederum andere Passagiere an und gleichen die ursprüngliche Nachfragereduktion aus. Dadurch fällt der gesamte Rückgang der Flüge – und der Emissionen – geringer aus als beabsichtigt.

Dieser Effekt wirkt auch auf großen Märkten

Ein mathematisches Modell zeigt: Selbst Märkte mit vielen sozial verantwortungsbewussten Verbraucher:innen sind nicht immun gegen diesen Effekt, solange die Verbraucher:innen bei niedrigeren Preisen mehr konsumieren. Wichtig ist, dass dieser Effekt auch für einzelne Individuen auf sehr großen Märkten gilt. Ihr Einfluss auf den Preis eines Konsumguts mag im Durchschnitt extrem klein sein, doch selbst diese minimale Preisänderung spielt eine Rolle, da sie das Verhalten vieler anderer Verbraucher:innen auf dem Markt beeinflusst.

Dieser Dämpfungseffekt hat zur Folge, dass eine Verringerung des Konsums zur Vermeidung seiner schädlichen Folgen teilweise durch einen Anstieg des Konsums anderer ausgeglichen wird. Dies hat zwei Implikationen.

Verbraucher:innen haben eine Wirkung

Zunächst die gute Nachricht: Der Dämpfungseffekt ist nur teilweise wirksam. Das bedeutet, dass Verbraucher:innen eine Wirkung haben – selbst auf sehr großen Märkten. Wer Wert auf Nachhaltigkeit legt, kann durch die Reduzierung eines schädlichen Konsums tatsächlich Marktergebnisse beeinflussen.

Aber es braucht institutionelle Maßnahmen

Nun die schlechte Nachricht: Der Dämpfungseffekt ist vorhanden und untergräbt die Bemühungen der einzelnen Verbraucher:innen. Das bedeutet, dass es für Konsument:innen äußerst schwierig ist, das Problem des schädlichen Konsums selbst zu lösen. Selbst wenn alle Verbraucher:innen, die durch ihren Konsum verursachten externen Schäden reduzieren wollen, werden sie ihre Ziele aufgrund des bremsenden Effekts des Marktes nicht vollständig erreichen.

Deshalb sind politische Maßnahmen erforderlich. Ein vielversprechender Ansatz ist die Besteuerung schädlicher externer Effekte wie Treibhausgasemissionen oder Umweltverschmutzung. Solche Steuern können dazu beitragen, die sozialen Kosten von Produktion und Konsum zu internalisieren, und so Anreize für Unternehmen und Verbraucher:innen – ob sie nun sozial verantwortlich handeln oder nicht – schaffen, nachhaltigere Entscheidungen zu treffen. 

Leider sind auch einzelne Länder von einem ähnlichen Dämpfungseffekt betroffen. Im Kontext des Klimawandels wird dies oft als "Carbon Leakage" (Verlagerung von CO₂-Emissionen) diskutiert: Viele Strategien zur Reduzierung von CO₂-Emissionen machen es in anderen Ländern attraktiver, mehr Kohlendioxid auszustoßen. So können die Bemühungen eines Landes zur Emissionsminderung teilweise durch andere Länder rückgängig gemacht werden. Clevere Maßnahmen wie ein CO₂-Grenzausgleichsmechanismus können dieses Problem abmildern. Doch die Lektion bleibt dieselbe: Die Reduzierung der schädlichen Folgen wirtschaftlicher Aktivitäten erfordert international koordinierte institutionelle Maßnahmen.

Was denken die Verbraucher:innen?

Rechnen Verbraucher:innen mit dem Dämpfungseffekt der Märkte? Eine Umfrage unter 2.000 US-Konsument:innen zeigt, dass viele – fast 4 von 10 – erwarten, dass eine Reduktion ihres eigenen Konsums nur teilweise in Marktergebnissen reflektiert wird. Dieses Bewusstsein ist besonders bei Flugreisen ausgeprägt: 6 von 10 Verbraucher:innen glauben, dass ihr Verzicht auf Flugreisen die Gesamtzahl der Flugreisen nur geringfügig reduziert. Jede:r dritte Befragte erwartet einen Dämpfungseffekt für eine Reduktion des eigenen Kraftstoffverbrauchs.

Allerdings folgen mehr als 5 von 10 Verbraucher:innen nicht der Logik des Dämpfungseffekts. Sie glauben beispielsweise, dass, wenn sie ihren Kraftstoffverbrauch um 200 Gallonen pro Jahr senken, der gesamte Kraftstoffverbrauch ebenfalls um 200 Gallonen sinkt. Theoretisch kann ein solcher Optimismus, auch wenn er wahrscheinlich unbegründet ist, die Konsument:innen dazu ermutigen, ihren schädlichen Verbrauch weiter zu senken. Doch dieser Optimismus kann auch nach hinten losgehen …

Vorsicht vor marktübergreifenden Effekten

Es gibt nämlich noch einen anderen Haken. Selbst der Konsum grüner Güter kann Schaden anrichten, wenn diese nur begrenzt verfügbar sind (was normalerweise der Fall ist). Zum Beispiel ist das Angebot an Ökostrom auf kurze Sicht begrenzt. Wer mehr Ökostrom verbraucht, sorgt dafür, dass andere weniger nutzen können. Teilweise werden diese dann auf konventionellen Strom aus fossilen Brennstoffen umsteigen. Mehr Ökostrom zu verbrauchen ist also nicht umweltneutral, sondern kann die Emissionen in anderen Teilen der Wirtschaft erhöhen. Konsument:innen, die solche marktübergreifenden Effekte nicht verstehen, neigen dazu, grüne Güter übermäßig zu konsumieren. Doch wenn einige Nutzer:innen grüne Güter übermäßig nutzen, sind andere gezwungen, vermehrt auf nicht-nachhaltige Alternativen zurückzugreifen, was letztlich die Gesamtemissionen erhöht. Kurz gesagt: Verbraucher:innen, die auf ihre Wirkung achten, sollten selbst grüne Güter maßvoll konsumieren.

Die einfache Lektion

Letztendlich hat diese komplizierte Geschichte eine einfache Lektion: Der Einfluss von Verbraucher:innen wird durch komplexe und oft schwer verständliche Marktkräfte verändert und oft gebremst. Einzelne Konsument:innen sind daher nicht in der Lage, die großen ethischen Herausforderungen unserer Zeit – wie Klimawandel, Umweltverschmutzung oder Tierschutz – allein zu bewältigen, selbst mit besten Absichten. Stattdessen erfordert soziale Verantwortung wirksame institutionelle Maßnahmen, wie etwa höhere Steuern auf schädliche Güter. Ein solides Verständnis dieser Marktmechanismen und gute Wirtschaftspolitik würden ermöglichen, die Kraft des Marktes zu lenken, um unsere besten Absichten zu unterstützen, anstatt sie zu untergraben.


Peter Andre ist Juniorprofessor für Behavioral Finance bei SAFE. 

Blogbeiträge repräsentieren die persönlichen Ansichten der Autor:innen und nicht notwendigerweise die von SAFE oder seiner Mitarbeiter:innen.