„Die Regeln sind da. Es ist viel geschehen auf EU-Ebene, aber die letzte Meile, die effektive Umsetzung, fehlt noch", leitete SAFE-Direktor Jan Pieter Krahnen sein Statement zur Vollendung der Bankenunion ein auf dem 21. Deutschen Bankentag am 6. April 2017 in Berlin. Zusammen mit John Cryan (Deutsche Bank), Valdis Dombrovskis (Europäische Kommission) und Elke König (Single Resolution Board) diskutierte Jan Krahnen über die Chancen und Herausforderungen „On the way to the European single market for financial services – ambition and reality“.
Das entwickelte System funktioniere gut unter Gewächshausbedingungen, so Krahnen. Es gebe aber noch keine Beweise oder Erfahrung, ob Mechanismen wie TLAC (Total Loss-Absorbing Capacity) oder Bail-in auch unter realen Bedingungen funktionieren werden. Für Krahnen ist es entscheidend, dass es nationalen Regierungen nicht erlaubt werde, politische Entscheidungen auf EU-Ebene zu übergehen. „Das ist jedoch genau das, was wir gerade beobachten." Nationale Aufsichtsbehörden handelten gegen EU-Vorschriften, wenn sie Liquiditätsengpässe ihrer Banken lösten, um nationale Interessen zu schützen.
Als die Diskussion auf den Vorschlag von Andrea Enria, Vorsitzender der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) kam, eine europäische Struktur für notleidende Kredite aufzubauen, wiederholte Krahnen seine Eingangsthese: Man müsse darauf bestehen, dass die Regeln befolgt werden, und man müsse öffentlichen Bailouts widerstehen. „Dies ist genau der Moment, wo die Umsetzung anfängt, weh zu tun. Wenn die Banken mit ihren notleidenden Krediten nicht fertig werden, müssen sie den Markt eben verlassen", so Krahnen. Deutschland könnte hier als Vorbild vorangehen, wenn es deutsche Banken pleite gehen ließe.
Die anderen Panelisten stimmten zu, dass die Bankenunion noch nicht vollendet sei. Cryan und König sprachen auch die Hindernisse auf dem Weg zu einer Kapitalmarktunion an, wie etwa fehlende Harmonisierung von Steuern, Eigentum, Strafverfolgung, Unternehmens- und Insolvenzrecht. Dombrovskis betonte die Bedeutung eines Level Playing Field zwischen den Mitgliedstaaten in Zeiten des Brexit. Ein Wettbewerb zwischen nationalen Aufsichtsbehörden um immer niedrigere Aufsichtsstandards mit dem Ziel, Unternehmen aus Großbritannien anzulocken, müsse vermieden werden.
Cryan zufolge brauche die EU einen zentralen Kapitalmarktstandort mit einem einheitlichen Regelwerk, der auch Großbritannien und die Schweiz einschließen könnte, um eine wettbewerbsfähige Größe zu erlangen. Nach Krahnens Ansicht könne dies durch eine Konsolidierung des europäischen Clearinggeschäfts erreicht werden – was durch den Zusammenschluss der Deutschen und Londoner Börse wahrscheinlich geschehen wäre. Er fügte hinzu, dass die Entwicklung eines einzigen Marktstandorts durch die Einrichtung einer gemeinsamen Marktaufsicht im Sinne einer europäischen SEC unterstützt werden könne. Bis jetzt sei die Marktaufsicht mehr oder weniger exklusiv durch die Bank of England erfolgt, da der europäische Kapitalmarkt im Wesentlichen in Großbritannien lokalisiert sei. Mit Blick in die Zukunft müsse man das nötige Wissen und die Erfahrung, um Märkte zu beaufsichtigen, innerhalb der EU neu aufbauen. Krahnen schlug vor, dass die European Securities and Markets Authority (ESMA) die Marktaufsicht für die gesamte EU übernehmen solle - zusätzlich zu ihrer Rolle als Standardsetzer.