Die Frage von Handelspolitik und Zöllen ist seit langem ein brisantes Thema, insbesondere zwischen den Vereinigten Staaten und ihrem Handelspartner Deutschland (siehe Abbildung 1). Die USA haben ihre Handelsdefizite mit Ländern wie Deutschland häufig als Rechtfertigung angeführt, um Zölle zu verhängen, eine Haltung, die unter der neuen Regierung von Präsident Donald Trump wieder besonders ausgeprägt ist. Diese Maßnahmen, die darauf abzielen, die Handelsungleichgewichte zu verringern, haben eine intensive Debatte über die Vorzüge und Folgen von Protektionismus und Freihandel ausgelöst. In diesem Zusammenhang sind die potenziellen Auswirkungen der US-Zölle eine wiederkehrende Sorge für die deutsche Wirtschaft und Unternehmen.
Abbildung 1: Die Sicht der USA auf den deutschen Außenhandel

Angesichts des beträchtlichen deutschen Handelsüberschusses und der vorherrschenden Ansicht, dass Zölle den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand untergraben, deuten die Aussichten auf erhebliche wirtschaftliche Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft und damit auch deutsche Unternehmen.
Ergebnisse des SAFE-Indexes
Der SAFE-Index zur Manager-Stimmung misst den monatlichen Optimismus oder Pessimismus von Führungskräften börsennotierter Unternehmen in Deutschland. Der von Alexander Hillert und seinem Team am Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE entwickelte Index basiert auf einer automatisierten Textanalyse, die positive und negative Aussagen in Finanzberichten und Analystenkonferenzen auswertet.
Diese Textdaten wurden für eine tiefergehende Untersuchung zu den möglichen Auswirkungen von US-Zöllen auf börsennotierte Unternehmen in Deutschland verwendet. Die Analyse der Analystenkonferenzen (“Earnings Calls”) zeigt, dass Top-Managerinnen und -Manager die US-Zollpolitik unter Präsident Donald Trump als besonders relevant ansehen: In den vergangenen drei Monaten wurde in 27 Analystenkonferenzen über Zölle gesprochen - das ist rund ein Viertel aller Analystenkonferenzen aller börsennotierten Unternehmen in Deutschland von November bis Januar.
Die Analyse basierte auf einer umfassenden Durchsicht von 111 Mitschriften von Analystenkonferenzen zwischen November 2024 und Januar 2025. Es wurden insgesamt 109 Sätze identifiziert, die sich auf „tariff(s)” (Zölle) bezogen, von denen 71 Aussagen aus 27 Analystenkonferenzen als relevant angesehen wurden. Jede Aussage wurde manuell in eine von drei Kategorien eingeordnet: positiv, negativ oder neutral. Die Konferenz eines Unternehmens wurde als positiv eingestuft, wenn in dieser die Managerinnen und Manager mindestens eine positive und keine negative Aussage machten. Analog dazu wurden Konferenzen als negativ eingestuft, wenn die Führungskräfte mindestens eine negative und keine positiven Meinungen äußerten. Alle anderen Calls wurden als neutral oder ohne klare Stellungnahme eingestuft.
Deutsche börsennotierte Unternehmen gut aufgestellt
Überraschenderweise zeigt die Verteilung der Stimmung, dass sich die Managerinnen und Manager in 16 der 27 analysierten Calls, das heißt in 59 Prozent der Fälle positiv zu Zöllen äußerten. Nur 15 Prozent (vier Calls) spiegeln dagegen eine negative Meinung wider, und in 26 Prozent (sieben Calls) äußerten die Führungskräfte eine neutrale oder keine klare Meinung.
Ein Manager eines Autokonzerns sagte: „Wir stellen die am meisten nachgefragten Fahrzeuge in den Vereinigten Staaten her, wir produzieren dort.“ Er schloss: „Wenn Sie ein lokaler Produzent mit einem lokalen Fußabdruck sind, profitieren Sie natürlich davon, wenn sich bei den Zöllen etwas ändert.”
Ein Manager aus der Chemieindustrie vertrat eine ähnliche Ansicht: „Wir werden sogar von den protektionistischen Aktivitäten profitieren, die wir vielleicht vom neuen Präsidenten erwarten können, weil wir ziemlich gut in den Vereinigten Staaten von Amerika angesiedelt sind, also hinter diesen protektionistischen Mauern.“
Vergleichbar äußerten sich die Manager des Gesundheitswesens. Einer kommentierte: „Wenn ich mir unsere Präsenz in den USA ansehe, sind wir ein wichtiger lokaler Akteur“. Ein anderer fügte hinzu: „Wir sind sehr, sehr gut positioniert, weil wir im Grunde genommen doppelte Produktionsstätten haben, wir können liefern - wir liefern von China nach China und wir liefern in die USA aus den USA und aus Europa.“
Ein Manager aus der Werkstoffindustrie schloss sich dieser Meinung an: „Selbst, wenn es hohe Zölle gibt, können wir den „local for local“-Weg nehmen. Und im Moment berechnen wir den Effekt plus minus neutral.“
Ein Manager aus der Textilindustrie hob ebenfalls die Flexibilität hervor, die die Lieferkettenstrategie seines Unternehmens bietet: „Diese Beschaffungsstrategie gibt uns ein Höchstmaß an Flexibilität, denn wir sehen, dass die Zölle und Tarife sehr volatil geworden sind, nicht nur für die USA, sondern auch für andere Märkte.“
Managerinnen und Manager aus dem Telekommunikations- und Energiesektor teilten ähnliche Ansichten. Allerdings war die Stimmung nicht durchweg positiv. Mehrere Führungskräfte wiesen auf die weiterreichenden Auswirkungen der Zölle und ihre möglichen Nachteile hin. Wie ein Manager bemerkte: „...wenn wir den Wohlstand auf der ganzen Welt erhöhen wollen, ist es wichtig, dass wir Freihandel haben.“ Eine andere Managerin gab zu bedenken: „Wenn unsere Kunden mit Zöllen konfrontiert würden, mit denen sie heute nicht konfrontiert sind, und sich das stark auf ihre Mengen auswirken würde, dann werden wir das natürlich indirekt auch zu spüren bekommen.“
Zusammengefasst zeigen die Ergebnisse, dass die Zölle sowohl ein Risiko als auch eine Chance für deutsche Unternehmen mit globaler Präsenz darstellen, wobei die potenziellen Vorteile stark betont werden. Viele Führungskräfte äußerten sich optimistisch und führten ihre positiven Aussichten auf Strategien wie „local-for-local“-Produktion und flexible Lieferketten zurück, die es den Unternehmen ermöglichen, sich an unbeständige Marktbedingungen anzupassen. Diese allgemeine Zuversicht unterstreicht die Bereitschaft und Widerstandsfähigkeit der global tätigen deutschen Unternehmen, die Komplexität des internationalen Handels zu bewältigen.
Die schwindenden Auswirkungen zukünftiger Zölle
Die börsennotierten Unternehmen in Deutschland sind nicht die deutsche Wirtschaft, aber unsere Ergebnisse zeigen, dass die Unternehmen ihre Aktivitäten bereits in die USA verlagert haben, um sich den Anforderungen des lokalen Marktes anzupassen. Wie es eine Führungskraft ausdrückte: „Eine unserer Entscheidungen [im Jahr 2017] war zu sagen, lasst uns unser Portfolio neu ausbalancieren oder vielleicht sogar noch mehr, auch unter geostrategischen Gesichtspunkten, was konkret bedeutet, dass wir anstreben, ein Drittel unseres Umsatzes in den Vereinigten Staaten zu haben, ein Drittel in Europa und ein Drittel in Asien. In den Vereinigten Staaten haben wir dieses Ziel bereits erreicht“.
Die während der ersten Trump-Administration eingeführten Zölle scheinen bei börsennotierten Unternehmen einen erheblichen strategischen Wandel ausgelöst zu haben, der sie dazu veranlasste, ihre Investitionen in den USA zu erhöhen. Mit Blick auf die Zukunft könnte die Wirksamkeit künftiger Zölle bei der Beeinflussung von Unternehmensstrategien jedoch deutlich geringer ausfallen. Viele Unternehmen haben ihre Niederlassungen in den USA bereits aufgebaut oder erweitert, was bedeutet, dass die Grundlagen für eine lokalisierte Produktion und eine Anpassung der Lieferkette weitgehend geschaffen wurden. So bleibt weniger Raum für eine weitere strategische Neuausrichtung als Reaktion auf neue Zölle.
Alexander Hillert ist Co-Abteilungsleiter der SAFE-Forschungsabteilung „Financial Intermediation“ und Professor für Finanzen und Data Science.
Jonas Schlegel ist Financial Economist am SAFE-Policy Center.
Blogbeiträge repräsentieren die persönlichen Ansichten der Autor:innen und nicht notwendigerweise die von SAFE oder seiner Mitarbeiter:innen.