Am 19. März 2025 stellte die Europäische Kommission ihre seit langem erwartete Mitteilung zur Schaffung einer Spar- und Investitionsunion („Savings and Investments Union“, SIU) vor und setzte damit einen potenziellen Wendepunkt in den laufenden Bemühungen der Europäischen Union zur Vertiefung und Vereinheitlichung ihrer Kapitalmärkte. Dieser Prozess begann 2014 mit der Initiative zur Kapitalmarktunion („Capital Markets Union“, CMU), die die Bankenunion ergänzen sollte, welche wiederum als Reaktion auf die Finanz- und Staatsschuldenkrisen des vergangenen Jahrzehnts geschaffen wurde.
Während die Bankenunion zu konkreten Ergebnissen – wie dem einheitlichen Aufsichtsrahmen und Abwicklungsmechanismen – geführt hat, ist die Kapitalmarktunion ein Entwurf geblieben. Trotz Brexit, mit dem ein finanzielles Schwergewicht die EU verließ, mangelte es an politischem Willen, um die Kapitalmarktunion zu vervollständigen.
Geopolitische Entwicklungen wie die hohe wirtschaftliche Unsicherheit und wirtschaftliche Abkopplung verleihen dem grundlegenden Vorhaben neue Dringlichkeit und stellen europäische Politiker vor die Frage, mit welchen Maßnahmen dieses Ziel am ehesten erreicht werden kann. Dieser Beitrag spiegelt teilweise die Diskussionen eines ESM-SUERF-Bruegel-Workshops Anfang des Monats über die europäischen Antworten auf diese multiplen Krisen wider.
Eigenkapital vor Schulden: Ein Schritt in die richtige Richtung
Die aktuelle Mitteilung der Kommission unterstreicht zu Recht die Notwendigkeit, Eigenkapital anstelle von Schulden zu mobilisieren. Dies ist wesentlich für die Finanzierung des wirtschaftlichen Wandels in der EU, wird aber von erheblichen Hindernissen gebremst. Dazu gehört vor allem die steuerliche Bevorzugung von Fremdkapital gegenüber Eigenkapital – ein Ungleichgewicht, das nach Ansicht der Kommission durch nationale Steuerreformen behoben werden muss. Die Besteuerung unterliegt jedoch nach wie vor der Kontrolle der einzelnen Mitgliedsstaaten, und diese zu koordinieren ist eine Herausforderung.
Die Kommission schlägt auch Initiativen vor, um private Ersparnisse – insbesondere solche auf niedrig verzinsten Einlagenkonten – freizusetzen und das Sparen fürs Alter zu stärken. Diese Vorschläge sind zwar wichtig, stoßen aber an ihre Grenzen. Die Mitgliedsstaaten haben sehr unterschiedliche Rentensysteme, die vielfach eher auf umlagefinanzierten als auf kapitalgedeckten Modellen beruhen. Bevor neue Sparprodukte in großem Umfang eingeführt werden können, sind grundlegende Reformen notwendig, um kapitalgedeckte Rentensysteme in der gesamten EU auszubauen. Auch hier haben die Mitgliedsstaaten das Ruder in der Hand.
Ein vielversprechender Weg: Institutionelle Investitionen und Verbriefungen
Ein vielversprechenderer und schnellerer Weg könnte in der Förderung von institutionellen Investitionen in Private Equity und alternativen Anlageklassen liegen. Zu diesem Zweck plant die Kommission, im zweiten Quartal 2025 einen Vorschlag zur Überarbeitung des EU-Verbriefungsrahmens zu veröffentlichen – insbesondere für einfache, transparente, und standardisierte Verbriefungen (STS). Mit Blick auf die Regulierung, insbesondere die Offenlegungsanforderungen und den komplizierten Aufsichtsprozess, wird eine Optimierung und Standardisierung den Aufwand für die Branche verringern. Die Minimierung des Verwaltungsaufwands ohne Beeinträchtigung der aufsichtsrechtlichen Standards ist von entscheidender Bedeutung und sollte nicht auf Kosten künstlich niedriger Kapitalanforderungen gehen, eine seit langem von den Regulierungsbehörden geäußerte Sorge.
Auf dem Weg zu einem einheitlichen Binnenmarkt: Überwindung der regulatorischen Fragmentierung
Die regulatorische Fragmentierung ist nach wie vor ein großes Hindernis für Private Equity und Risikokapital. Nationale Unterschiede im Steuerrecht, in der Unternehmensführung und in den Insolvenzregelungen schrecken weiterhin von grenzüberschreitenden Investitionen ab. Wenn die SIU erfolgreich sein soll, müssen die Mitgliedsstaaten die Führung bei der Angleichung dieser Rahmenbedingungen übernehmen – oder zumindest auf eine größere Kompatibilität hinarbeiten.
Die Kommission geht auch auf die Börsennotierung und den Sekundärmarkthandel ein, doch bleiben die Vorschläge hier vage. Die Kapitalmärkte der EU sind mit etwa 20 unabhängigen Börsen immer noch national zersplittert, im Gegensatz zu konzentrierten Strukturen in den USA und im Vereinigten Königreich, wo die Liquidität an weit weniger Börsen gebündelt wird. Euronext und Nasdaq Nordics sind jedoch Beispiele für eine marktgesteuerte Integration. Die Marktinfrastruktur hängt stark von der Größe ab, und die Fragmentierung behindert Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit.
Die Kommission sollte die Schaffung einer zentralen europäischen Aufsichtsbehörde für die Kapitalmärkte in Erwägung ziehen – ähnlich wie die US-Börsenaufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission –, die es den Unternehmen ermöglicht, einen einzigen Datensatz für alle EU-Börsen zu verwenden und die ein einheitliches Regulierungs- und Aufsichtsumfeld herstellt. Die Marktkräfte können dann bestimmen, wo Transaktionen innerhalb eines gemeinsamen Aufsichts- und Regulierungsrahmens ausgeführt werden. Es ist zu hoffen, dass die Marktkräfte dann zu einer Konzentration führen, indem sie wettbewerbsfähige Einheiten schaffen.
Regulatorische Infrastruktur: Zeit für eine Reform?
Die europäischen Aufsichtsbehörden (European Supervisory Authorities, ESAs) wurden zur „Unterstützung der Regulierung“ und nicht zur direkten Beaufsichtigung geschaffen. Diese beiden Funktionen scheinen unvereinbar zu sein. Wenn eine zentrale europäische Aufsichtsbehörde für die Kapitalmärkte geschaffen wird, sollte sie entweder in die bestehende Bankenaufsichtsbehörde integriert werden (da die meisten großen Institute bereits über eine Banklizenz verfügen) oder, wie oben vorgeschlagen, die Form einer europäischen Version der „U.S. Securities and Exchange Commission“ annehmen.
Zentrale Prioritäten für 2025
Die Kommission sollte sich bei ihren Beratungen über die Integration der Kapitalmärkte zur Beschleunigung des Fortschritts hin zu einem einheitlichen europäischen Kapitalmarkt in den kommenden Monaten auf drei Schlüsselinitiativen konzentrieren:
- Vereinfachung und Standardisierung der Verbriefungsregeln, insbesondere für STS-Strukturen.
- Verbesserung des regulatorischen Umfelds für institutionelle Investitionen in privates Beteiligungs- und Risikokapital - mit klaren Erwartungen für Reformen auf nationaler Ebene.
- Errichtung einer europäischen Kapitalmarktaufsichtsbehörde und - natürlich - die Vollendung der Bankenunion.
Eine Marktkonsolidierung kann nicht vorgeschrieben werden, aber harmonisierte Regeln und eine zentralisierte Aufsicht können sie fördern. Obwohl die Idee eines „28. Regimes“ für das Gesellschaftsrecht nach wie vor verlockend ist, deuten die Entwicklungen auf dem Anleihemarkt darauf hin, dass sich die Marktteilnehmer bereits auf gemeinsam genutzte Rechtsrahmen – also das Recht eines Mitgliedstaats - zubewegen. Der Markt kann vorrangehen - wenn der regulatorische Weg bekannt ist.
Elke König ist Senior Fellow am SAFE Policy Center.
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