SAFE Finance Blog
04 Dec 2020

Wie ökonomische Zukunftsängste von Haushalten die Entscheidungen privater Investoren beeinflussen

Google-Suchabfragen und Handelsverhalten: Die Auswirkung von Stimmung auf individuelle Investitionsentscheidungen

Immer wenn wir uns für ein Thema interessieren, uns um etwas sorgen oder einfach nach einer Antwort auf eine bestimmte Frage suchen, greifen wir zum Smartphone oder öffnen den Browser, geben ein Stichwort ein und sehen nach, welche Antwort von Google geliefert wird. Google-Suchabfragen spiegeln in hohem Maße wider, was uns durch den Kopf geht. Daher können die Google-Suchvolumina wertvolle Erkenntnisse über die Gedanken und Gefühle von Menschen liefern, welche wiederum das Trading-Verhalten beeinflussen können.

In Studien, die die Entwicklung des Aktienmarktes betrachten, werden Google-Suchen nach negativen ökonomischen Begriffen (z.B. Rezession, Arbeitslosigkeit oder Insolvenz) bereits genutzt, um ein aggregiertes Maß für die wirtschaftlichen Sorgen von Haushalten (Stimmung) zu konstruieren (Da et al. (2015)). Die Forschung zeigt, dass eine negative Gesamtstimmung von Haushalten (hoher Pessimismus) einen Abwärtstrend auf die Aktienpreise verursacht, der sich nach einigen Tagen wieder umkehrt. In unserer Studie untersuchen wir die Fragestellung, ob das Handelsverhalten von Privatanlegern tatsächlich von der täglichen Gesamtstimmung beeinflusst wird. Wie wirken sich negative Stimmungsschocks (eine hohe Anzahl von pessimistischen Suchbegriffen in Google) auf Privatanleger aus? Sind Privatanleger ebenfalls vorübergehend auf der Verkaufsseite des Marktes, wenn die Stimmung eher negativ ist?

Google-Suchvolumen kombiniert mit Trading-Daten von Privatanlegern

Um diese Fragen zu beantworten, nutzen wir das aggregierte Suchvolumen in Google für eine vordefinierte Auswahl von Suchbegriffen, um die Stimmung von Haushalten zu messen. Das Suchvolumen misst, wie oft an einem bestimmten Tag über Google nach einem Begriff gesucht wurde. Bei der Erstellung der Wortliste und der Verwendung von Google-Suchen folgen wir der Studie von Da et al. (2015) – die einen englischen Google-Suchindex zur Messung der Stimmung erstellt haben – und berechnen eine deutsche Version des sogenannten FEARS-Index. Der FEARS-Index basiert auf Google-Suchvolumina von negativen Wirtschaftsbegriffen wie „Finanzkrise“, „Rezession“ oder „Insolvenz“: Je nach Gesamtzahl der Suchabfragen, die mit negativen Wirtschaftsergebnissen verbunden sind, bemessen sich die wirtschaftlichen Ängste in einem Land. Der FEARS-Index bildet somit einen Pessimismus-Index ab. Wir gleichen diesen aggregierten FEARS-Index mit täglichen Trading-Daten von mehr als 100.000 Privatanlegern einer großen deutschen Direktbank über eine Zeitspanne von 2005 bis 2015 ab.

Bei negativer Stimmung bleiben Privatanleger auf der Verkaufsseite

Die Ergebnisse zeigen, dass Privatanleger auf der Verkaufsseite des Marktes sind, wenn Haushalte pessimistischer sind, das heißt, wenn der FEARS-Index hoch ist. Sofern Privatanleger sich entschließen zu handeln, verkaufen sie hauptsächlich risikoreiche Anlagen. Um sicherzustellen, dass diese Ergebnisse auf den FEARS-Index und nicht auf allgemeine wirtschaftliche Schocks zurückgeführt werden können, nutzen wir in unserem Modell sowohl fixe Effekte für den Investor, als auch für das Jahr und den Monat sowie Kontrollen für eine Reihe von Faktoren wie die vergangene Börsenentwicklung oder Schulferien. Darüber hinaus zeigen wir, dass der FEARS-Index die Aktienmarktentwicklung vorhersagt, diese Beziehung aber nicht umgekehrt gilt. Bei einer Untersuchung der Auswirkungen von FEARS auf den deutschen Markt zeigt sich, dass eine negative Gesamtstimmung einen Abwärtstrend des deutschen Aktienmarktes verursacht, der sich in den folgenden Tagen umkehrt (siehe dasselbe Muster für den US-amerikanischen Markt bei Tetlock (2007), Garcia (2013), Da et al. (2015)).

Bemerkenswert ist, dass sich der Einfluss der Stimmung auf das Trading von Privatanlegern von dem Einfluss auf den Aktienmarkt unterscheidet. Während eine negative Stimmung (hoher Pessimismus) Privatanleger zum Verkauf von Wertpapieren veranlasst, gibt es in den folgenden 20 Tagen keine Umkehrung dieses Effekts. Der Effekt der Stimmung auf den Gesamtmarkt ist vorübergehend und kehrt sich nach etwa einer Woche um. Im Gegensatz dazu scheint die Wirkung der Stimmung bei Privatanlegern zu langanhaltenden Effekten zu führen, die sich nicht umkehren. Wenn man darüber hinaus die Portfoliodiversifizierung des Investors als Indikator für die finanzielle Kompetenz heranzieht, scheinen unerfahrene Anleger anfälliger für Stimmungsveränderungen zu sein als erfahrene Anleger.

Alles in allem bieten diese Ergebnisse Anhaltspunkte dafür, warum und wie Investoren am Aktienmarkt handeln. Während Veränderungen in der Gesamtstimmung für den Markt nur vorübergehend sind, scheinen Privatanleger nicht dem allgemeinen Umkehrmuster zu folgen, sondern halten ihr Portfolio auf dem reduzierten Niveau. Denkbar wäre der Einsatz von Google-Suchanfragen als wirkungsvolles Instrument, um andere finanzielle Entscheidungen von Haushalten, wie z.B. die Aufnahme eines Kredites, zu erklären – Fragestellungen, an denen weitere Forschungsarbeit geleistet werden kann.


Charline Uhr promoviert derzeit an der Goethe-Universität Frankfurt sowie am Leibniz-Institut für Finanzforschung SAFE und ist Gastdoktorandin an der University of Southern Denmark.

Steffen Meyer ist Associate Professor für Finanzen an der University of Southern Denmark sowie am Danish Finance Institute und Research Fellow bei SAFE.

Dimitrios Kostopoulos hat an der Leibniz Universität Hannover promoviert und ist Research Fellow an der University of Southern Denmark.

Dieser Blog-Beitrag basiert auf einer kürzlich erschienenen Veröffentlichung im Journal of Financial Markets.

Blogbeiträge repräsentieren die persönlichen Ansichten der Autorinnen und Autoren und nicht notwendigerweise die von SAFE oder seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Literatur

Da, Z., Engelberg, J., & Gao, P. (2015). The sum of all FEARS investor sentiment and asset prices. The Review of Financial Studies28(1), 1-32.

Garcia, D. (2013). Sentiment during recessions. The Journal of Finance, 68(3), 1267-1300.

Tetlock, P. C. (2007). Giving content to investor sentiment: The role of media in the stock market. The Journal of Finance, 62(3), 1139-1168.