SAFE Finance Blog
17 Apr 2023

Europas Einlagensicherungsrahmen auf dem Prüfstand: Harmonisierung allein reicht nicht aus

Jan Pieter Krahnen und Tobias Tröger: Die anstehende Überprüfung des Rahmenwerks für Krisenmanagement und Einlagensicherung bietet eine willkommene Gelegenheit, echte Fortschritte zu erzielen, denn es ist höchste Zeit zu handeln

Die EU-Kommission hat die Diskussion über das CMDI-Paket für den 18. April 2023 auf der Agenda.

Während die Europäische Union derzeit ihren Reformvorschlag für den europäischen Rahmen für Krisenmanagement und Einlagensicherung („Crisis Management and Deposit Insurance“, CMDI) vorbereitet, hat das Scheitern der Silicon Valley Bank (SVB) einmal mehr deutlich gemacht, dass die europäische Bankenunion bis heute unvollständig geblieben ist. Als Folge der globalen Finanzkrise und der europäischen Staatsschuldenkrise hat die EU weitreichende regulatorische Reformen durchgeführt, um einen nachhaltigen und zuverlässigen Bankensektor zu schaffen.

Die ersten beiden Säulen der Bankenunion sind nun in Kraft: Der einheitliche Aufsichtsmechanismus („Single Supervisory Mechanism“, SSM)garantiert, dass die größten und wichtigsten Banken der EU von der EZB überwacht werden, und der einheitliche Abwicklungsmechanismus („Single Resolution Mechanism“, SRM) hat im Prinzip einen Regulierungsrahmen für die geordnete Abwicklung von Banken auf supranationaler Ebene geschaffen, einschließlich der von der Branche bereitgestellten Mittel. Die dritte Säule der europäischen Bankenunion in Form einer gemeinsamen Einlagensicherung fehlt noch, und seit dem Vorschlag der Europäischen Kommission für ein europäisches Einlagensicherungssystem („European Deposit Insurance Scheme“, EDIS) im November 2015 gab es aufgrund des Widerstands der Mitgliedstaaten im Europäischen Rat und in der Eurogruppe kaum Fortschritte.

Ein europäisches Einlagenversicherungssystem als supranationale Lösung zur Risikodeckung

Während das Europäische Parlament in einem Schreiben an die Kommission und den Rat im November 2022 sein Engagement für EDIS als supranationale Lösung zur Risikodeckung bekräftigt hat, haben die Mitgliedstaaten zu einem vorsichtigeren Ansatz aufgerufen und ziehen eine Harmonisierung der nationalen Einlagensicherungssysteme ihrem teilweisen Ersatz vor. Dieser Ansatz wurde von der Eurogruppe im Juli vergangenen Jahres skizziert und kürzlich auf dem Euro-Gipfel im März 2023 bekräftigt. Dieses Thema wird nun wieder in den Mittelpunkt rücken, da die Europäische Kommission das CMDI-Paket veröffentlichen wird, das ursprünglich für 2021 angekündigt war.

Das CMDI-Paket wird von der Kommission am 18. April und vom Europäischen Parlament gleichzeitig zwischen dem 17. und 20. April erörtert und eine Überarbeitung der Richtlinie über Einlagensicherungssysteme („Deposit Guarantee Schemes Directive“, DGSD) beinhalten. Angesichts der aktuellen Turbulenzen im Bankensektor und unseres jüngsten Vorschlags, die Deckung auf alle nicht versicherten Einlagen auszudehnen, fordern wir die europäischen Gesetzgeber auf, ehrgeizig zu sein und auf EDIS hinzuarbeiten. Die Harmonisierung der nationalen Systeme reicht nicht aus.

Warum EDIS? Überwindung des Bank-Staaten-Nexus

Banken und Staaten sind eng miteinander verbunden, was in Krisenzeiten zu einem Teufelskreis führt. Der sogenannte Bank-Staaten-Nexus funktioniert in beide Richtungen: Bankenkrisen ziehen Staaten durch kostspielige Rettungsaktionen in Mitleidenschaft, und Staaten ziehen Banken durch ihre umfangreichen Bestände an Staatsanleihen in Mitleidenschaft. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, ist eine Risikoteilung zwischen den EU-Staaten unerlässlich. Zu diesem Zweck dient das EDIS als eines der wichtigsten Instrumente und ist daher für die Vollendung der Bankenunion unverzichtbar.

In ihrem ursprünglichen Vorschlag skizzierte die Kommission drei Schritte, um von fragmentierten nationalen Einlagensicherungssystemen zu einer vollständig supranationalen europäischen Versicherung zu gelangen. In einem ersten Schritt würde eine europäische Behörde eine Rückversicherung für die nationalen Einlagensicherungssysteme einrichten. Dies würde das finanzielle Risiko von Staaten und Banken gleichermaßen durch Risikoteilung verringern und gleichzeitig Bedenken mit Blick auf Fehlanreize und geteilter Haftung ausräumen. Ein kürzlich unterbreiteter Vorschlag zur Überwindung des politischen Stillstands sieht vor, einen europäischen Rahmen auf die Rückversicherungskomponente zu beschränken. In einem zweiten Schritt schlug die Kommission vor, zur Mitversicherung von Einlagen überzugehen, wobei die nationalen Einlagensicherungssysteme und der europäische Einlagenversicherungsfonds Verluste ab dem ersten Euro teilen würden. Schließlich sollte ein vollwertiges EDIS mit einem einzigen verbindlichen Regelwerk als funktionelle dritte Säule der Bankenunion eingerichtet werden.

Es ist Zeit für den „wahren Deal“

Als Reaktion auf den Entwicklungsplan der Eurogruppe für die Bankenunion im vergangenen Jahr haben wir drei mögliche Lösungen für die Zukunft der Bankenunion skizziert: Ein „inkrementeller Deal“, der die nationalen Systeme beibehält und gleichzeitig den Geltungsbereich des CMDI-Rahmens auf kleine und mittlere Banken ausweitet, erschien uns angesichts des Widerwillens der Mitgliedstaaten, Kompetenzen an die europäische Ebene abzugeben, als das vielversprechendste und realistischste Szenario für das Jahr 2022. Weitere Vorschläge wie die standardisierte Offenlegung von Beständen an Bail-in-Schulden und der Datenaustausch zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden wären ebenfalls deutliche Verbesserungen. In der gegenwärtigen Situation sollten wir jedoch ehrgeiziger sein und den „wahren Deal“ anstreben, der zusätzliche Finanzstabilität bringen würde, indem er die Verbindungen zwischen Banken und Staaten kappt.

Das Scheitern der SVB erinnert uns nicht nur an die drohende Gefahr einer neuen Finanzkrise, sondern offenbart auch eine gefährliche Lücke im CMDI-Rahmen der EU. Bankeinlagen von mehr als 100.000 Euro sind ungeschützt, unabhängig davon, ob die gescheiterte Bank nach supranationalem Recht abgewickelt oder nach nationalen Insolvenzregelungen liquidiert wird. Dahinter steht der Gedanke, dass die Inhaber von privatem Kapital die Kosten der Bankenabwicklung tragen und somit die Risiken der Banken angemessen überwachen und bewerten sollten. Im Rahmen der derzeitigen Regelung können ungeschützte Sichteinlagen jedoch zu einem Bank-Run führen, der die Bemühungen um eine geordnete Abwicklung untergräbt. Neben den bestehenden Mindestanforderungen werden dringend Höchstanforderungen für eine wirksame Gläubigerbeteiligung benötigt. Wie in unserem aktuellen SAFE Policy Letter Nr. 98 dargelegt, müssen alle Einlagen, die anfällig für Bank-Runs sind, durch EDIS abgedeckt werden. Eine notwendige Erhöhung des verlustabsorbierenden Kapitals der Banken und eine verringerte Wahrscheinlichkeit von Bankzusammenbrüchen aufgrund von Bank-Runs werden den erhöhten Haftungsbetrag kompensieren.


Jan Pieter Krahnen ist SAFE-Gründungsdirektor und emeritierter Professor für Kreditwirtschaft und Finanzierung an der Goethe-Universität Frankfurt.

Tobias Tröger leitet das SAFE-Forschungscluster „Law & Finance“ und ist Professor für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, und Rechtstheorie an der Goethe-Universität Frankfurt.

Blogbeiträge repräsentieren die persönlichen Ansichten der Autor:innen und nicht notwendigerweise die von SAFE oder seiner Mitarbeiter:innen.

Prof. Dr. Jan Pieter Krahnen

Gründungsdirektor emeritus

Prof. Dr. Tobias Tröger

Direktor Forschungscluster "Law and Finance"