Am Ende jedes Monats beleuchtet das SAFE Regulatory Radar eine Auswahl wichtiger Neuigkeiten und Entwicklungen zur Finanzregulierung auf nationaler und EU-Ebene.
Europäische Kommission stellt ihre Erneuerte Nachhaltige Finanzstrategie vor
Am 6. Juli hat die Europäische Kommission ihre Erneuerte Nachhaltige Finanzstrategie („Renewed Sustainable Finance Strategy“, RSFS) veröffentlicht, die ambitionierte Verpflichtungen enthält, um die im Pariser Abkommen und in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen verankerten Zielsetzungen zu erreichen. Diese Maßnahmen richten sich an den Veränderungen in der Klima- und Umweltgesetzgebung der vergangenen Jahre aus.
Die EU-Kommission schlägt sechs zielgerichtete gesetzgeberische und regulatorische Initiativen vor: Um erstens den Werkzeugkasten nachhaltiger Finanzen zu erweitern, wird die Kommission in Erwägung ziehen, das Anwendungsgebiet der Taxonomie-Verordnung auf Wirtschaftstätigkeiten mit mittlerer Umweltleistung auszuweiten sowie ihre Arbeit an technischen Screening-Kriterien für alle Umweltziele fortführen. Das Regulatory Radar im Mai 2021 hat die Details des kürzlich verabschiedeten EU Taxonomy Climate Delegated Act umrissen, der die ersten beiden Umweltziele abdeckt. Darüber hinaus ist die Ausarbeitung eines Umwelt-, Sozial- und Governance (ESG)-Benchmark-Labels als einheitlicher Standard für Klimaschutz-Investitionsportfolios Teil der Strategie. Um zweitens den Rahmen für nachhaltige Finanzen besser zu integrieren, sieht die RSF-Strategie die Arbeit an einer Definition und Unterstützung für grüne Kredite und Hypotheken sowie die Beseitigung der Datenlücke im Bereich der nachhaltigen Finanzen vor.
Um drittens das Wirtschafts- und Finanzsystem im Angesicht von Nachhaltigkeitsrisiken widerstandsfähiger zu machen, wird die Kommission bis Jahresende 2021 die Kapitaladäquanzverordnung (CRR), die Eigenkapitalrichtlinie (CRD IV) sowie die Solvency-II-Richtlinie zielgerichtet ändern, um Nachhaltigkeitsrisiken in die Risikomanagementsysteme von Finanz- und Versicherungsunternehmen zu integrieren. Um viertens den Beitrag des Finanzsektors zur Nachhaltigkeit zu stärken, ist es erforderlich, dass Kreditinstitute ihre Nachhaltigkeitsziele besser offenlegen sowie die Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit von ESG-Ratings zu verbessern. Um fünftens einen geregelten Übergang zu ermöglichen, wird die Kommission „Greenwashing“-Risiken im Auge behalten und einen Überwachungsrahmen zur Messung der Kapitalströme ausarbeiten. Um schließlich internationale Initiativen und Standards nachhaltiger Finanzen zu fördern, wird die Kommission die Arbeit der im Oktober 2019 gegründeten Internationalen Plattform zu Nachhaltigen Finanzen („International Platform on Sustainable Finance“, IPSF) vertiefen.
Die Kommission wird bis zum Jahresende 2023 einen Bericht über die Umsetzung der RSF-Strategie vorlegen.
Einführung eines rechtlichen Rahmens für grüne Anleihen in Europa
Am 6. Juli hat die Europäische Kommission einen Gesetzesvorschlag zu grünen Anleihen in Europa (EuGB-Richtlinie) veröffentlicht. Der vorgeschlagene rechtliche Rahmen soll es Investoren und Firmen erleichtern, ökologisch nachhaltige Investments zu erkennen und die Weiterentwicklung des europäischen Marktes für grüne Anleihen fördern. Die Richtlinie sieht hohe Standards für grüne Anleihen vor, um das Risiko von „Greenwashing“ zu vermeiden.
Die EuGB-Kennzeichnung wird sowohl für Emittenten aus der EU als auch aus Drittstaaten offen stehen, die bis zur Fälligkeit der Anleihe alle Anforderungen erfüllen. Anleihe-Emittenten jedweder Art, darunter Finanzunternehmen und nicht-finanzielle Unternehmen sowie öffentliche Einrichtungen, können den EuGB-Standard freiwillig nutzen. Um „grün” genannt werden zu können, muss die Verwendung der Anleiheerlöse für eine bestimmte Dauer bis zu maximal zehn Jahren im Sinne der Taxonomie-Verordnung mit den Kriterien für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten übereinstimmen. Grüne Anleihen dürfen nur öffentlich angeboten werden, nachdem das „European Green Bond Factsheet“ zuvor auf der Website des Emittenten veröffentlicht wurde sowie eine Emissionsvorabprüfung durch einen bei der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde („European Securities and Markets Authority“, ESMA) registrierten externen Prüfer erfolgt ist. Die Emittenten grüner Anleihen müssen jährlich Allokationsberichte und Berichte zu den Auswirkungen der Verwendung der Anleiheerlöse auf die Umwelt vorlegen sowie eine Überprüfung nach der Emission durch einen externen Prüfer veranlassen. Um die Einhaltung von Transparenzregeln sicherzustellen, werden die zuständigen nationalen Behörden („National Competent Authorities“, NCAs) der Mitgliedsstaaten Aufsichtsbefugnisse erhalten, um administrative Maßnahmen zu ergreifen.
Die EuGB-Richtlinie wurde dem Europäischen Parlament und Rat zur Prüfung vorgelegt. Sobald sie formell verabschiedet worden ist, wird die vorgeschlagene Richtlinie verbindlich und in allen Mitgliedsstaaten direkt anwendbar sein.
Europäischer Vorschlag einer Kohlenstoffgrenzsteuer
Am 14. Juli hat die Kommission den Vorschlag eines neuen Mechanismus zur Anpassung der Kohlenstoffgrenzwerte („Carbon Border Adjustment Mechanism“, CBAM) verabschiedet, der einen Kohlenstoff-Preis auf Importe kohlenstoffintensiven Stahls, Aluminiums, Zements, Düngers und Stroms einführt. Der Vorschlag zielt darauf ab, die Risiken der Verlagerung von CO2-Emissionen („carbon leakage“) zu verringern. Diese Risiken treten auf, wenn umweltschädigende Produktion in Länder mit weniger strengen Klimarahmenbedingungen verlagert wird.
Im Einzelnen müssen EU-Importeure digitale Kohlenstoffzertifikate zu dem Kohlenstoffpreis kaufen, der gezahlt worden wäre, wenn die Waren nach den EU-Vorschriften für die Kohlenstoffpreisgestaltung hergestellt worden wären. Der Preis der Zertifikate wird sich nach dem Durchschnittspreis der auf dem EU-Kohlenstoffmarkt versteigerten Zertifikate in Euro pro Tonne CO2 richten. Der Vorschlag sieht vor, dass die EU-Importeure die kumulierten Emissionen und die Anzahl der importierten Waren jährlich melden müssen. Kann ein Produzent aus einem Nicht-EU-Land dagegen nachweisen, dass er in einem Drittland einen Kohlenstoffpreis gezahlt hat, können diese Kosten für den EU-Importeur vollständig abgezogen werden.
Die Kohlenstoffgrenzsteuer wird schrittweise eingeführt. Ab 2023 werden Importeure verpflichtet sein, die in ihren Waren enthaltenen Emissionen offenzulegen, während andere Vorschriften ab 2026 anwendbar sein werden.
EZB verabschiedet neue geldpolitische Strategie
Am 8. Juli 2021 hat der EZB-Rat, das wichtigste Beschlussorgan der Europäischen Zentralbank, seine aktualisierte geldpolitische Strategie verabschiedet. Damit wurde beschlossen, das Inflationsziel mittelfristig auf symmetrische zwei Prozent anzuheben. Die EZB wird auch eine Übergangszeit berücksichtigen, in der die Inflationsrate moderat über dem Zielwert liegt. Außerdem hat der EZB-Rat einen Fahrplan verabschiedet, der Klimawandelaspekte in den geldpolitischen Rahmen der EZB einbezieht. Im Einzelnen wird die EZB neue Modelle zur Überwachung der Auswirkungen des Klimawandels auf die Wirtschaft und experimentelle Indikatoren für grüne Finanzinstrumente sowie neue Offenlegungspflichten für Vermögenswerte des Privatsektors entwickeln.
Am 22. Juli 2021 hat der EZB-Rat eine Sitzung zur Geldpolitik abgehalten und seine Leitlinien für die Zinssätze geändert. Die Zinssätze bleiben unverändert bei -0,5 Prozent für den Satz der Haupteinlagefazilität, null Prozent für den Benchmark-Refinanzierungssatz und 0,25 Prozent für die Spitzenrefinanzierungsfazilität.
Öffentliche Konsultationen
|
Anastasia Kotovskaia ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am SAFE Policy Center und promoviert derzeit in Rechtswissenschaften an der Goethe-Universität.