Die Bereitschaft Steuern zu zahlen ist aus fiskalischer Sicht auch eine historisch gewachsene Herausforderung mit Blick auf Unternehmen, die auf eine aggressive Steuerplanung setzen. Wie Steuervermeidungspraktiken international beizukommen ist, war der zentrale Diskussionspunkt bei einem gemeinsamen Policy Webseminar von SAFE und dem Institut für Bank- und Finanzgeschichte (IBF) als Teil der SAFE Policy Lecture Series – mit dem Ergebnis, dass es zunehmend auf effektiven Informationsaustausch zwischen den einzelstaatlichen Steuersystemen ankommt.
In seinem Impulsvortrag vor der Debatte betonte SAFE Fellow Alfons Weichenrieder, dass es schwierig sei, die Steuermoral sowohl von Einzelpersonen als auch von international aufgestellten Unternehmen zu verbessern. Zwei Ansatzpunkte seien allerdings erfolgversprechend: Zum einen eine umsichtige staatliche Ausgabenpolitik, zum anderen bilaterale und multilaterale Abkommen und Verfahren, um Standards für Steuerinformationsaustausch zu setzen. Dazu zählen etwa länderbezogene Berichte der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), bekannt als Country-by-Country Reporting (CbCR). „Solche Mechanismen sorgen für eine höhere Transparenz“, befand Weichenrieder. Steueraggressiven Mutterkonzernen werde damit sukzessive der Boden für unlautere Steuerpraktiken ihrer Tochterunternehmen entzogen.
Informationsaustausch schreckt von aggressiver Steuerplanung ab
Moderiert von René Höltschi, Wirtschaftskorrespondent der Neuen Zürcher Zeitung in Berlin, zeigte sich bei der anschließenden Diskussion, dass insbesondere bei Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen („Base Erosion and Profit Shifting“, BEPS) von Unternehmen der Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden der betroffenen Länder eine wirksame Gegenmaßnahme darstellt. Dadurch sei auf Seiten der Unternehmen „die Zurückhaltung gegenüber aggressiven Steuersparmodellen gestiegen“, befand Christine Osterloh-Konrad, Professorin für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Steuerrecht sowie Rechtsphilosophie an der Eberhard Karls Universität in Tübingen.
Bei der Beurteilung, ob ein Steuersystem auch fair gestaltet sei, komme es weniger auf die absolute Höhe des Steuersatzes an. Vielmehr sei entscheidend, ob die Steuergesetzgebung dem gesellschaftsspezifischen Gerechtigkeitsempfinden entspreche, erläuterte Korinna Schönhärl vom Historischen Seminar der Goethe-Universität Frankfurt. „Eine niedrigere Besteuerung von Unternehmen kann zwar sonstige Standortnachteile ausgleichen“, ergänzte Alfons Weichenrieder, „eine Harmonisierung von internationalen Steuersätzen geht aber daran vorbei, dass die Steuerregelungen im Fokus der Debatte stehen sollten.“
Fair aus Unternehmenssicht sei wiederum, steuerlich nicht schlechter behandelt zu werden als die direkte Konkurrenz, so Dr. Uwe Eppler von der Rechtsanwaltssozietät Norton Rose Fulbright. Dabei sei die Steuergestaltung von Unternehmen an sich nicht unmoralisch, da der Gesetzgeber selbst Spielräume durch rechtlich festgelegte Unterschiede eröffne.
Bestehende Herausforderungen bei der Festlegung der Steuerpolitik sah das Panel vor allem bei der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle und beim Steuerwettbewerb zwischen Staaten.
Das Video zum SAFE-IBF Policy Webseminar in voller Länge