Wissenschaftliche Studien zur globalen Finanzkrise im Jahr 2008 belegen einen Zusammenhang von steigenden Kreditvergaben der Banken an den Immobiliensektor gepaart mit überbewerteten Immobilienpreisen zu Bankenkrisen. Da Immobilienkredite einen beträchtlichen Teil der Unternehmenskreditportfolios der europäischen Banken ausmachen, stellen Immobilienrisiken demnach eines der Kernrisiken für die Stabilität des Finanzsystems im Euroraum dar.
Das Policy Center des Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE hat im Auftrag des Ausschusses für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments untersucht, welche Faktoren das mit Immobilienkrediten verbundene Risiko beeinflussen und wie es sich verringern lässt. Dieses Risiko kann unterschiedlichen Ursprungs sein, etwa bei der kreditnehmenden Partei, bei der Besicherung oder beim Darlehenszweck. Grundlage der Analyse ist die AnaCredit-Datenbank der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Studienautoren Rainer Haselmann und Tobias Berg empfehlen eine strengere Regulierung der Immobilienkreditvergabe, mehr Transparenz bei Daten im Euroraum und die Berücksichtigung von Immobilienrisiken in der Geldpolitik, um Finanzrisiken zu mindern.
Risiken unterscheiden sich je nach Land
„Die Banken im Euroraum sind erheblichen Kreditrisiken ausgesetzt“, sagt Tobias Berg, Forschungsprofessor bei SAFE und Professor für Banking an der Goethe-Universität. „Aktuell ist der Anteil der Immobilienkredite an allen Firmenkrediten hoch, und im Durchschnitt ist ungefähr die Hälfte der Unternehmenskreditportfolios europäischer Banken mit Immobilienrisiken behaftet.“
Je nach Land unterscheidet sich das Ausmaß des Risikos indes deutlich: Während sich die Immobilienpreise in Deutschland und Österreich seit der Finanzkrise 2008 verdoppelt haben, liegen sie in Griechenland, Italien, Irland und Spanien hingegen unter ihrem Niveau von 2008.
Einfluss von EZB-Geldpolitik und Basel III
Die Studie identifiziert zwei Faktoren, die das Immobilienrisiko von Banken maßgeblich beeinflussen: die Geldpolitik der EZB und der aktuelle Regulierungsstandard Basel III. „Die expansive Geldpolitik der EZB der vergangenen Jahre – etwa die quantitative Lockerung im Rahmen der unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen – hat den Anstieg der Immobilienpreise ungewollt angeheizt, indem sie die Verfügbarkeit von Krediten erhöhte“, sagt Rainer Haselmann, Forschungsprofessor bei SAFE und Professor für Finanzwirtschaft, Rechnungswesen und Steuern an der Goethe-Universität.
Ebenso hat die bestehende Finanzmerkregulierung, insbesondere Basel III, Anreize für die Vergabe von Immobilienkrediten geschaffen, indem sie Hypothekendarlehen, verglichen mit Unternehmenskrediten, eine relativ geringere Risikogewichtung zuwies.
Drei Empfehlungen zur Risikominderung
Die Studienautoren nennen drei Maßnahmen, mit denen politische Entscheidungsträger:innen in Europa immobilienbezogene Finanzrisiken mindern, die Widerstandsfähigkeit des Bankensektors erhöhen und die langfristige Finanzstabilität fördern können. Erstens trägt eine stärkere Regulierung der Kreditvergabe an den Immobiliensektor dazu bei, dass bei der Vergabe von Immobilienkrediten die tatsächlichen Risiken besser berücksichtigt werden. Die Datenkonsistenz und -transparenz im Euroraum sollte zweitens verbessert werden, um der Politik eine fundierte Entscheidungsfindung zu ermöglichen. Drittens sollte die EZB in der Geldpolitik Immobilienrisiken berücksichtigen, um unbeabsichtigte Folgen für die Finanzstabilität zu vermeiden.
Die ganze Studie "Assessing real estate risks and vulnerabilities" finden Sie hier.