Zehn Jahre nach der Ermächtigung der Europäischen Zentralbank (EZB) als Bankenaufsicht, bleibt die Europäische Bankenunion unvollendet. Anlässlich seines neuen Buches „Europe's banking union at ten: unfinished yet transformative“ nahm Nicolas Véron von der in Brüssel ansässigen Denkfabrik Bruegel und dem Peterson Institute for International Economics in Washington DC, USA an einer Diskussion mit SAFE Senior Fellow Elke König teil, die vom SAFE Policy Center veranstaltet wurde. Die Veranstaltung wurde von Senior Fellow Jan Pieter Krahnen moderiert, und von SAFE- Direktor Florian Heider eröffnet.
Nicolas Véron skizzierte die Schritte von den ersten Ideen einer zentralisierten Bankenunion im Jahr 1973 bis zum Umsetzungsentschluss, der während der europäischen Schuldenkrise 2012 getroffen wurde, um den „Teufelskreis“ zwischen Staats- und Bankenrisiko zu durchbrechen. Laut Véron ist der Einheitliche Bankenaufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM) zwar abgeschlossen, doch die Abhängigkeit noch immer ungebrochen: „Aufsicht alleine reicht nicht aus“. Mit Verweis auf andere große Reformen, wie die Einführung des Euro, fordert er eine zentrale Regulierung des Risikos von Staatsanleihen und eine gemeinsame europäische Einlagensicherung: “Auf die nächste Krise zu warten, wäre eine schlechte Idee,” erklärt er.
„Wir brauchen neue Vorschläge, um bei der Bankenunion voranzukommen“
Elke König hält Staatsanleihen aktuell nicht für entscheidend. Sie sagte, dass diese nie auf der Agenda des SSM standen und dass selbst die jüngsten Zinsrisiken und die Bankenabwicklungen im Jahr 2023 keine Krise ausgelöst haben. Obwohl die Gründung des Einheitlichen Abwicklungsausschusses (Single Resolution Board, SRB) als institutionelles Zentrum des SSM eine Errungenschaft sei, fehle es ihm an Unabhängigkeit, so zu funktionieren wie er sollte. Der Abwicklungsausschuss wurde als zusätzliche Ebene über den nationalen Institutionen errichtet und steht so im Gegensatz zur US-amerikanischen Entsprechung Federal Deposit Insurance Corporation, die König als Vorbild für das SRB sieht.
Die Einrichtung des europäischen Einlagenversicherungssystems (European deposit insurance scheme, EDIS) hält König derzeit für unwahrscheinlich. Andere Vorschläge seien nötig, um die Bankenunion voranzubringen: „Ich denke, die Integration der Kapitalmärkte ist vielversprechender.“ Sie sieht, dass paneuropäische Übernahmen oft aus politischen Gründen behindert werden und plädiert für finanzkräftige europäische Banken: „Wir brauchen starke europäische Banken für eine funktionierende Kapitalmarktunion.“
König und Véron sind sich einig, dass es keine Option sein kann, einfach auf die nächste Krise zu warten, um Reformen voranzutreiben. Unter Verweis auf die derzeitig mögliche Übernahme der Commerzbank durch die italienische UniCredit-Gruppe identifizieren beide die Marktkräfte als Motoren für den nächsten Schritt zu einer europäischen Bankenunion.