Anti-Corona-Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen, Teilschließungen von Geschäften und Schulen sowie Hygienevorschriften retten mehr Menschenleben, je früher sie durchgesetzt werden. So konnten in Spanien während der ersten Covid-19-Welle im Frühjahr 2020 durch eine strikte Lockdown-Politik knapp 16 Prozent mehr Menschen vor den tödlichen Folgen einer Virusinfektion bewahrt werden. Zu diesem Ergebnis kommen Berechnungen eines aktuellen SAFE Working Paper des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE.
„Die Wirksamkeit des Lockdowns in Spanien war deutlich niedriger, als wenn diese Maßnahme eine Woche früher umgesetzt worden wäre“, schildert SAFE Fellow Alexander Ludwig, einer der Autoren des SAFE Working Paper. Für das Forschungspapier haben Ludwig und seine Ko-Autoren ein neues empirisches Modell entwickelt, das den Pandemie- bzw. Epidemieverlauf und die von der Politik getroffenen Gegenmaßnahmen über verschiedene Phasen und Stadien hinweg in unterschiedlichen Landesteilen vergleicht. Die Berechnungen der Wissenschaftler fußen dabei auf den Einschränkungen, die die spanische Regierung im März 2020 erlassen und damit die Bevölkerung angehalten hat, zu Hause zu bleiben.
Effektivität der Anti-Corona-Maßnahmen im regionalen Vergleich
Im Ergebnis stellen die Wissenschaftler fest, dass es einen deutlichen Unterschied macht, wie weit die Epidemie bei Umsetzung der Maßnahme in unterschiedlichen Regionen eines Landes fortgeschritten ist. „In Regionen, die zum Zeitpunkt des Lockdowns in einem früheren Zustand der Epidemie waren, zeigt die Maßnahme eine größere Wirksamkeit als in Regionen, in denen die Epidemie zum Zeitpunkt des Lockdowns schon weiter fortgeschritten war“, sagt Ludwig.
Aggregiert ergeben die Berechnungen der Autoren, dass etwas mehr als 4.000 Menschenleben durch den Lockdown gerettet wurden. Diese Zahl bezieht sich auf den Beobachtungszeitraum der Studie am 14. Mai 2020. Bis zu diesem Stichtag belief sich die Zahl der offiziell registrierten Corona-Toten in Spanien auf etwa 27.000. „Ohne den Lockdown wären es nach unseren Berechnungen etwa 31.000 gewesen“, verdeutlicht der Ökonom.
Diese Resultate liefern wichtige Erkenntnisse für Berechnungen in gesamtwirtschaftlichen Modellen, die den Trade-off zwischen wirtschaftlicher Aktivität und geretteten Lebensjahren charakterisieren sowie den weiteren Verlauf der Epidemie modellieren. „In der Gesamteinschätzung der ökonomischen und gesellschaftlichen Kosten ist es ein wichtiger Baustein, wie viele Lebensjahre durch einen Lockdown gerettet werden können“, so Ludwig. Die Berechnungen der Autoren liefern hier Informationen, ohne dass sie die Kosten- Nutzenabwägung explizit treffen. „Unser Hauptbeitrag liegt darin, die Effekte des Lockdowns auf die Sterblichkeit überhaupt berechnen zu können, was aufgrund der Komplexität der zeitlichen Dynamik einer Epidemie und der Tatsache, dass diese Politik-Maßnahme alle Regionen zeitgleich betraf, gar nicht so einfach ist“, fasst Ludwig zusammen.
Das SAFE Working Paper No. 294 (in englischer Sprache) zum Download
Kontakt: Prof. Dr. Alexander Ludwig