25 May 2021

Banken könnten nicht ausreichend auf notleidende Kredite nach der Corona-Krise vorbereitet sein

Ein SAFE-CEPR Policy Web Seminar hat sich mit der Frage beschäftigt, ob die Handlungsoptionen genügen, um eine mögliche Welle notleidender Kredite in der Zeit nach COVID-19 zu bewältigen

Obwohl die Entwicklung der notleidendenden Kredite in den vergangenen Jahren positiv war, könnten diese Kredite für die Bankbilanzen problematisch werden. Viele Kreditinstitute seien unzureichend darauf vorbereitet, wenn nach den Moratorien der Europäische Bankenaufsichtsbehörde („European Banking Authority“, EBA) im Zuge der Coronakrise auch die Überbrückungshilfen für Kreditnehmende auslaufen. Dies ging aus einem Policy Web Seminar hervor, gemeinsam organisiert vom Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE und dem Centre for Economic and Policy Research. Am 19. Mai 2021 diskutierten die Leiterin der Abteilung „Financial Markets“ bei SAFE, Loriana Pelizzon, der Vorsitzende des Aufsichtsgremiums der Europäischen Zentralbank (EZB), Andrea Enria, und Thorsten Beck, Direktor der Florence Business School of Banking and Finance, ob die Maßnahmen des „NPL Action Plan“ der Europäischen Kommission effizient und ausreichend sind, um mit einer möglichen Welle von notleidenden Krediten nach der Coronakrise umzugehen.

Enria zeigte sich vor allem von der Qualität der ergriffenen Maßnahmen überzeugt. Die Banken konnten auch in 2020 weiter notleidende Kredite abbauen und dabei vor allem auch langdatierte: „Diese sind am schwierigsten“, stellte er heraus. Die guten Entwicklungen spiegeln sich auch in den Prognosen der Analysten und Banken wider. Demnach könnten Rückstellungen reduziert und so die Profitabilität der Kreditinstitute erhöht werden. Enria mahnte aber zur Vorsicht: „Aus der Perspektive der Aufsicht versuchen wir hier die rosigen Aussichten mit Vorsicht zu genießen“. Zum einen hob er die Entlastungsmaßnahmen in der Coronakrise für Kreditnehmer hervor, welche das Kreditrisiko erhöhen könnten, wenn sie enden. Durch die staatlichen Unterstützungen könnten bestimmte Auswirkungen nicht vorhergesehen werden. „Die Moratorien haben eine Art ‚weißen Fleck‘ erzeugt", beschrieb er.

Rätselhafte Entwicklungen

In der Coronakrise waren einige Wirtschaftssektoren besonders betroffen. Banken stützten sich dennoch auf vergangenheitsbezogene Indikatoren, die die Pandemielage nicht abbilden. Laut Enria könnte dadurch ein proaktives Handeln gegenüber betroffenen Kreditnehmern verzögert werden. Als „ein kleines Rätsel“ bezeichnete er die sinkenden Ausfallwahrscheinlichkeiten einiger Kredite, die den gestiegenen Risiken gegenüberstehen. Zwar seien Unsicherheiten reduziert worden und der wirtschaftliche Ausblick ziemlich optimistisch, die Reduzierung von Rückstellungen könnte dennoch verfrüht sein. Enria zufolge seien zwar die Werkzeuge vorhanden, es wiesen aber 40 Prozent der Banken Defizite beim Management notleidender Kredite auf: „Ich bin nicht sicher, ob wir stark genug aufgestellt sind“, sagte er.

Loriana Pelizzon betonte allerdings, dass Banken besser aufgestellt seien im Vergleich zu früheren Krisenzeiten. Die Risiken einer Welle notleidender Kredite könnten aber durch eine generöse Fiskalpolitik in manchen Banken verschleiert sein. Mit eben diesem Problem befasst sich auch ein SAFE White Paper. Pelizzon erklärte weiter, dass notleidende Kredite nicht sofort problematisch sein müssen. Mittelfristig könnten aber nicht nur Zombiefirmen, sondern auch Zombiebanken entstehen. Problemkredite müssten rechtzeitig und richtig erkannt werden, damit Banken ihrer Funktion als Kreditgeber nachkommen könnten. Ansonsten würde auch das Wirtschaftswachstum stark ausgebremst. „Häufig haben Banken nicht die richtigen Anreize, um ein System zu implementieren, das notleidende Kredite frühzeitig erkennt“, so die SAFE-Wissenschaftlerin.

Fehlanreizen entgegenwirken

Regulierer müssten daher ex ante durch Stresstests, entsprechende Accounting-Regeln und Asset Quality Reviews den individuellen Anreizen für Banken, notleidende Kredite nicht rechtzeitig in den Portfolios auszuweisen, entgegenwirken. Ein wichtiges Element für den Umgang mit notleidenden Krediten sei ein funktionierender Sekundärmarkt: „In Europa ist der Sekundärmarkt für notleidende Kredite nicht gut entwickelt“, stellte Pelizzon fest. Dafür sei es vor allem nötig, dass die richtigen und vollständigen Informationen der Kredite offengelegt werden.

Finanzprofessor Thorsten Beck sprach von einen Trade-off, die Wirtschaft zu schützen und gleichzeitig „die Marktkräfte wieder wirken zu lassen". Der Ausstieg aus den öffentlichen Hilfsmaßnahmen und der Übergang zu einem normal funktionierenden Markt verlange sehr viel Vorsicht und Koordination zwischen den Ländern und Institutionen. „Wir brauchen eine sichtbare Hand der Aufsichtsorgane“, so Beck. Auch er betonte, dass Banken Anreize bräuchten, faule Kredite rechtzeitig zu identifizieren. Dies gehe auch einher mit Handlungsoptionen, um die Kredite effizient und zu einem akzeptablen Preis zu verkaufen. Beck warf außerdem die Frage auf, inwieweit das Problem der notleidenden Kredite eine europaweite Koordination bedarf. Die EU-Mitgliedsstaaten seien zwar unterschiedlich stark betroffen und haben unterschiedlich aufgestellte Unterstützungsmaßnahmen, rein nationale Lösungen würden aber im schlimmsten Fall zu „Zombie-Krediten und einem K-förmigen Wirtschaftsaufschwung“ – also einem sektorenabhängigen Aufschwung – führen.


Zum Video des Policy Web Seminars (in englischer Sprache)