Was tun, wenn Wünsche wahr werden – das darf sich nun Joe Biden fragen, der designierte Gewinner der US-Präsidentschaftswahlen gegen Donald Trump. Es ist Bidens dritter Anlauf auf das Amt. Und dieses Mal sind die Probleme, mit denen er konfrontiert ist, gewaltiger denn je.
In der einen oder anderen Weise drehen sich alle Fragen um die Wirtschaft. Das exponentielle Wachstum der Coronapandemie brachte Rezession, Armut und Staatsverschuldung in einem noch nie dagewesenen Ausmaß mit sich. Die unter Trump eingeführten Zölle haben die Krise verschlimmert, ohne eines der erklärten Ziele zu erreichen – Chinas wirtschaftliches Gewicht zu untergraben, den Niedergang der US-amerikanischen Industrie umzukehren und das Zahlungsbilanzdefizit des Landes auszugleichen. Die soziale Ungleichheit und klimabedingte Risiken haben sich verschärft, was Biden dazu zwingt, die gütige Vernachlässigung des derzeit noch amtierenden US-Präsidenten zu ändern. Hinzu kommt, dass das aufkeimende öffentliche Haushaltsdefizit den Handlungsspielraum einschränkt. Auch wenn angesichts historischer Niedrigzinsen die öffentlichen Finanzen aktuell keine Sorgen bereiten, sobald sich die Wirtschaft erholt und die US-Notenbank Fed ihren Kurs ändert, werden Budgetrestriktionen wieder zuschlagen. Erst vor wenigen Tagen reichten die positiven Ankündigungen der Impfstoffentwickler BioNTech-Pfizer und Moderna aus, um die Zinsen für alle Fälligkeiten anzuheben.
Politische Hürden
Zudem warten politische Hindernisse. Bis wenige Tage vor den Wahlen schien Bidens Programm recht klar zu sein: ein umfangreiches föderales Ausgabenpaket (drei bis vier Billionen US-Dollar, mehr als dreimal so viel wie von der Europäischen Union geplant), das auf mehrere Bereiche verteilt ist (Gesundheit, Arbeit, Unternehmensförderung, Infrastrukturinvestitionen, grüne Subventionen); finanziert zum Teil durch Schulden, zum Teil durch neue Steuern für Reiche und die teilweise Rücknahme der von der Trump-Administration erlassenen Körperschaftssteuerbefreiung. Diese Pläne werden nach der Wahl angepasst werden müssen. Der im Wahlkampf noch so präsente Ausgabenanreiz ist verschwunden. Die Republikanische Partei, frustriert wegen der Niederlage ihres Kandidaten und ermutigt durch die Aussicht auf die Beibehaltung ihrer Mehrheit im Senat, ist nicht zur Zusammenarbeit bereit (steuerliche Maßnahmen müssen von beiden Kammern des US-Kongresses gebilligt werden). Vor der Wahl hatten der Schatzmeister Steven Mnuchin und die Sprecherin des Demokratischen Hauses, Nancy Pelosi, einem Maßnahmenpaket von knapp zwei Billionen US-Dollar fast zugestimmt. Jetzt scheint das Paket unter diese Marke zu fallen, vielleicht sogar weit darunter. Das wäre ein Schlag gegen Bidens Wunsch, bereits in den ersten 100 Tagen seinen Führungsanspruch im Wirtschaftsmanagement zu signalisieren.
Mit Blick auf den internationalen Handel scheinen die Hindernisse nicht weniger gewaltig zu sein. Die US-Handelspolitik ist nach der Weigerung der Trump-Administration, sich an multilateralen Verhandlungen zu beteiligen, und der Absicht, sich aus der Welthandelsorganisation zurückzuziehen, in Unordnung. Das Problem für Biden besteht darin, dass sich diese Position quer durch das politische Spektrum zieht und auch vom linken Flügel seiner Partei geteilt wird. Bidens multilateralistischer und verhandlungsorientierter Instinkt geht dahin, dem Land seine traditionelle, weltweite Führungsposition wiederzugeben. Dafür braucht er zwar nicht die Zustimmung des Kongresses, aber er wird trotzdem auf beiden Seiten des politischen Spektrums vermitteln müssen. Europa darf auf die Abschaffung der Zölle auf Wein und Käse hoffen. Aber in strategisch wichtigeren Bereichen – Stahl, Aluminium und Konsumgüter aus Schwellenländern – ist eine Wende der USA hin zum Freihandel unwahrscheinlich. Die Handelskonflikte werden anhalten, ebenso wie ihre unvermeidlichen Auswirkungen auf das gesamte Geflecht der internationalen Beziehungen.
Vorprogrammierte Enttäuschungen
Die neue US-Regierung unter Joe Biden wird ein entscheidendes Spiel über Klima und Ungleichheit spielen, traditionelle politische Flaggen seiner Partei. Die Demokraten sind sich hier in der Substanz, nicht aber in der Reichweite ihrer Ambitionen einig, mit einer Linken (vertreten durch die ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders und Elizabeth Warren sowie die junge und sehr engagierte Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez), die eine drastische Steuerreform zugunsten der Armen und strenge Ziele in Richtung einer kohlenstofffreien Wirtschaft befürwortet. Bidens moderater und stufenweiser Ansatz folgt hier dem der Obama-Administration. In beiden Politikbereichen erfordern die Entscheidungen eine Zusammenarbeit mit beiden Parlamentskammern, von denen eine indessen unter republikanischer Kontrolle bleiben sollte, sofern es in der zweiten Runde im Januar 2021 keine Überraschungen gibt.
Alles in allem besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Amtsantritt der Regierung Biden enttäuschend verläuft. Der designierte Präsident wird hart arbeiten müssen und sich dabei auf seine bewährte Verhandlungserfahrung stützen müssen, die ihm persönliches Vertrauen und Kontakte in allen Kreisen in Washington eingebracht hat. Eine weitere Karte, die seinem Spiel helfen könnte, ist die Widerstandsfähigkeit der US-Wirtschaft, die trotz der Verschlechterung der Gesundheitssituation zuletzt Anzeichen von Vitalität gezeigt hat. Ein wenig Glück – zum Beispiel die rasche Verbreitung eines Impfstoffs – würde nicht schaden. So wird einem prominenten Vorgänger Bidens, Thomas Jefferson, in den Mund gelegt: "Ich glaube fest an das Glück, und stelle fest, je härter ich arbeite, desto mehr habe ich davon.“
Eine Version dieses Artikels wurde am 16. November 2020 von Corriere della Sera auf Italiensich veröffentlicht.
Ignazio Angeloni ist Senior Policy Fellow am Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE und Senior Fellow an der Harvard Kennedy School.
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