SAFE Finance Blog
14 Mar 2024

Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank im Rückblick: Die Kosten des Zeitdrucks

Florian Heider, Jonas Schlegel und Tobias Tröger: Eine Neubewertung der Bankenturbulenzen von 2023 aus heutiger Sicht zeigt, dass es noch immer notwendig ist, nicht versicherte Einleger:innen zu schützen und die erheblichen Gewinne der übernehmenden Banken während des Abwicklungsprozesses zu reduzieren

Als die Aufsichtsbehörden die Silicon Valley Bank (SVB) am 10. März 2023 schlossen und die US-amerikanische Einlagensicherung Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) zum Konkursverwalter ernannten, handelte es sich bei der damaligen Situation keineswegs um einen isolierten Bank-Run auf die Einlagen der SVB – es folgten in den USA die Signature Bank und First Republic, die damals 14. größte US-Bank, und in Europa die Credit Suisse.

Darüber hinaus berief sich der US-Kongress auf die Ausnahmeregelung für systemische Risiken, die es der FDIC ermöglichte, die Sicherheit der nicht versicherten Einlagen der insolventen Banken zu gewährleisten. Als proaktive Maßnahme gegen Ansteckungseffekte initiierte die US-Notenbank Federal Reserve das „Bank Term Funding Program“ (BTFP), um US-Einlageninstituten Liquidität zum Nennwert mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr bereitzustellen. Die Annahme von Sicherheiten zum Nennwert und nicht zum Marktwert stellt in der Geschichte der Federal Reserve ein Novum dar. Um die internationalen Märkte zu beruhigen, kündigten mehrere große Zentralbanken außerdem US-Dollar-Swap-Vereinbarungen an, um auf Liquiditätsengpässe in US-Dollar zu reagieren.

Eine Absicherung nicht versicherter Bankeinlagen verhindert Bank-Runs

Der Abzug von Bankeinlagen führt zu Liquiditätsproblemen, die ein Kreditinstitut zu Notverkäufen zwingen und bei anhaltendem Misstrauen zur Liquidation oder zum Konkurs führen können. Bank-Runs sind panikbedingte Abflüsse von Bankeinlagen und verstärken sich in der Regel selbst, was die prompte und heftige Reaktion in den USA erklärt.

Der Kern jedes Bank-Runs und der Grund, warum Bank-Runs selten auf eine einzige Bank beschränkt bleiben, ist das Risiko, dass Einleger:innen ihr Geld verlieren. Dies ist besonders akut, wenn die Einleger:innen nicht versichert sind. Durch den Schutz aller, auch nicht versicherter Einlagen kann das Risiko eines Bank-Runs wirksam verhindert werden. Es sei daran erinnert, dass während der Turbulenzen im März 2023 zwar drei große US-Banken stabilisiert werden mussten, aber keine Einleger:innen zu Schaden kamen, weil sich die FDIC gezwungen sah, das versicherte Einlagensystem zu belasten. Die Einlagensicherung kann somit klare ex ante-Leitlinien festlegen und macht unvorhersehbare Ad-hoc-Reaktionen im Nachhinein überflüssig, wie zum Beispiel die Ausnahme für systemische Risiken oder sogar staatliche Unterstützung aus Steuergeldern.

In der EU sind Banken gesetzlich verpflichtet, eine gesonderte Anlageklasse auszugeben, die als Mindestanforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten („Minimum Requirements for Own Funds and Eligible Liabilities“, MRELs) bezeichnet wird. Diese Verbindlichkeiten dienen als Puffer, um Verluste aufzufangen und als Möglichkeiten zur Rekapitalisierung im Falle einer Abwicklung, um die Auswirkungen der Insolvenz einer Bank auf die Einlagen zu mildern. Die Festlegung dieses Puffers in angemessener Höhe neben dem vorhandenen Eigenkapital und die Sicherstellung seiner Verfügbarkeit für eine frühzeitige Verlustabsorption tragen dazu bei, die Wahrscheinlichkeit von Verlusten bei Bankeinlagen zu verringern. Die Emission und der Handel dieser Anlageklasse am Markt sorgen zusätzlich für Marktdisziplin und schränken die Risikobereitschaft und die Investitionsentscheidungen der Bank ein. MREL-Anleihen können daher die disziplinierende Rolle der unversicherten Einlagen übernehmen. Unser SAFE Policy Letter Nr. 98 und unser Folgebeitrag in den Vierteljahresheften der Wirtschaftsforschung bieten eine eingehendere Analyse zu diesem Thema und wirken gängigen Kritikpunkten entgegen.

Übermäßige Gewinne beim Kauf von abzuwickelnden Banken

Die Kauf- und Übernahmetransaktionen, mit denen die insolventen Banken im Frühjahr 2023 abgewickelt wurden, beinhalten eine weitere, oft übersehene Lektion für das Krisenmanagement von Banken. Alle vier oben genannten Banken wurden schließlich von der Konkurrenz übernommen, keine von ihnen wurde liquidiert. Die drei US-Institute wurden bei Auktionen verkauft, während die Credit Suisse durch einen von der Schweizer Regierung vermittelten nationalen Deal veräußert wurde.

Auf Ersuchen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments enthält das SAFE White Paper Nr. 98 eine eingehende Analyse der Preisgestaltung dieser Transaktionen und kommt zu dem Schluss, dass beim Kauf dieser Banken sowohl prozentual als auch in Dollar beträchtliche marktbasierte Gewinne erzielt wurden.

Abbildung: Abnormale Renditen für den SVB-Käufer First Citizen Bank

Abbildung: Abnormale Renditen für den SVB-Käufer First Citizen Bank
Quelle: Yahoo, eigene Berechnungen

Die Abbildung zeigt die Aktienkursentwicklung der First Citizen Bank (FCB), den Käufer der SVB, zweier ausgewählter konkurrierender, aber erfolgloser Bieter (PNC Bank (PNC), Citizens Financial Group (CFG)) und des US-Bankenvergleichsindex KBW Nasdaq Bank Index (KBW). Wir sehen, dass sich der Aktienkurs der FCB fast verdreifacht hat, während der Kurs der Vergleichsunternehmen und des Benchmark-Index für Banken unverändert blieb. Dies deutet darauf hin, dass die Marktteilnehmer die Übernahme für die FCB als äußerst profitabel ansahen, wobei der Verkäufer Geld auf dem Tisch liegen ließ und die Stakeholder (FDIC, Steuerzahler:innen) letztlich die Rechnung bezahlten. Ähnliche Muster lassen sich für alle anderen Fälle in den USA und für die Übernahme der Credit Suisse beobachten.

Mehr Zeit für einen effizienteren Abwicklungsprozess und weniger übermäßige Kaufgewinne

Die Nachwirkungen der Finanzkrise von 2008 und die Bankenturbulenzen im Frühjahr 2023 waren sehr unterschiedlich, aber eine Gemeinsamkeit sticht hervor: chaotische, über das Wochenende andauernde Verhandlungen zwischen Abwicklungsbehörden, Regierungen und Zentralbanken. Die Angst vor weiteren Marktturbulenzen und Ansteckungsgefahren war so groß, dass sich die Behörden gezwungen sahen, die Verhandlungen und Auktionen noch vor der Markteröffnung am Montagmorgen abzuschließen. Dies ist nach mehr als einem Jahrzehnt der Verbesserungen in der Bankenregulierung, der Einführung einer umfassenden Abwicklungsplanung und detaillierter Vorkehrungen bemerkenswert.

Zeitdruck hat seinen Preis. Verhandlungsgeschäfte oder von Behörden erzwungene Auktionen sind mit Informationsasymmetrien für potenzielle Kaufende behaftet. Dies verringert die Zahl der Bietenden und erhöht die von ihnen geforderten Risikoprämien. Beides führt dazu, dass der Preis für die abzuwickelnde Bank sinkt und die notwendige Übernahme weniger effizient ist.

Durch den Schutz von Sichteinlagen kann ein Bank-Run verhindert werden. Wenn die Behörden keine weiteren Liquiditätsabflüsse bei einem Run auf Sichteinlagen befürchten müssen, sind chaotische Wochenendverhandlungen nicht mehr notwendig. Kaufinteressierte betreffender Banken werden die nötige Zeit haben, um sich Zugang zu relevanten Informationen über diese Bank zu verschaffen, was letztlich den gezahlten Preis erhöhen und die Kosten für Beteiligte wie Abwicklungsbehörden und Steuerzahler:innen senken dürfte.


Florian Heider ist Wissenschaftlicher SAFE-Direktor und Professor für Finance an der Goethe-Universität Frankfurt.

Jonas Schlegel ist Co-Head des SAFE Policy Center.

Tobias Tröger leitet das SAFE-Forschungscluster Law & Finance und ist Professor für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, und Rechtstheorie an der Goethe-Universität Frankfurt.

Blogbeiträge repräsentieren die persönlichen Ansichten der Autor:innen und nicht notwendigerweise die von SAFE oder seiner Mitarbeiter:innen.