SAFE Finance Blog
31 Oct 2019

Das SAFE Regulatory Radar im Oktober

Deutsches Klimapaket, EU-Regulierung nachhaltiger Finanzwirtschaft und neue Regeln für das Clearing zentraler Gegenparteien nach dem Brexit: eine Auswahl regulatorischer Entwicklungen aus diesem Monat

Am Ende jedes Monats stellt das SAFE Regulatory Radar eine Auswahl wichtiger Neuigkeiten und Entwicklungen im Bereich der Finanzregulierung auf nationaler und EU-Ebene zusammen.

Klimapaket verabschiedet: Preisgestaltung und Überwachungsverfahren für CO₂-Emissionen

Am 9. Oktober hat die Bundesregierung das Klimapaket formell verabschiedet, das nach der Sitzung des Klimakabinetts am 20. September 2019 vorgelegt wurde. Das Klimapaket soll die nationalen Anstrengungen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen neu ausrichten an den international vereinbarten, langfristigen Reduktionszielen. Das Paket besteht aus zwei Gesetzen: Dem Klimaschutzprogramm 2030 und dem Bundes-Klimaschutzgesetz.

Das Klimaschutzprogramm 2030 setzt eine Vielzahl von sektoralen Maßnahmen um; darunter ist auch die Ausdehnung einer CO₂-Bepreisung auf Verkehr und Gebäude.

Während das EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS) die Gesamtmenge von CO₂ begrenzt, die der Energiesektor und die Industrie emittieren dürfen, verpflichtet die im Mai 2018 verabschiedete Lastenteilungsverordnung die Mitgliedstaaten, Emissionen in jenen Sektoren zu reduzieren, die nicht der EU-Regulierung unterliegen. Dazu gehören Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft.

Das nationale Emissionshandelssystem (nEHS) wird die Verbrennung von Kraftstoffen (z.B. Benzin und Diesel) und fossilen Brennstoffen in Heizgeräten (Heizöl, Flüssiggas und Erdgas) bepreisen. Allgemein ermöglicht es der Emissionshandel, die Preise an die Marktnachfrage anzupassen, ohne das Mengenziel zu aufzugeben. Im Jahr 2021 wird der CO₂-Preis bei 10 Euro pro Tonne liegen. Nach 20 Euro im Jahr 2022 wird sich der CO₂-Preis sukzessive um 5 Euro pro Jahr erhöhen. Ein fester Preispfad liefert nicht den gewünschten Orientierungseffekt. Deshalb müssen Zertifikate, die nicht unter das deutsche Emissionsbudget für Nicht-EU-EHS fallen, bei Mitgliedstaaten gekauft werden. Ab 2026 werden Emissionszertifikate in Auktionen vergeben und ein Überschreiten der Menge ist dann nicht mehr möglich. Es wird einen temporären Preiskorridor von 35 bis 60 Euro pro Tonne geben. Folglich wird 2026 das erste Jahr sein, in dem tatsächlich der Markt den Preis bildet.

Bisher haben 26 Länder weltweit offiziell einen Mechanismus zur Bepreisung von CO₂ eingeführt. Beispielsweise deckt die schwedische CO₂-Steuer alle nicht von der EU reglementierten Sektoren ab und beträgt derzeit 114 Euro pro Tonne. Die Schweiz erhebt eine Steuer von 84 Euro pro Tonne CO₂ auf fossile Brennstoffe in Heizgeräten und bei der Stromerzeugung.

Um eine breite Akzeptanz der CO₂-Bepreisung zu erreichen, nutzen Regierungen die Einnahmen aus der Vergabe neuer Emissionszertifikate, um entweder zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen zu finanzieren oder um Bürger wegen der steigenden Lebenshaltungskosten zu kompensieren. Zum Beispiel gibt die Schweiz die Einnahmen aus der CO₂-Steuer für ein Gebäudesanierungsprogramm aus und entschädigt die Bürger teilweise durch niedrigere Sozial- und Krankenversicherungsbeiträge.

In Deutschland soll der marktorientierte CO₂-Preis schrittweise feste Bestandteile des Strompreises wie die EEG-Umlage und die Netzgebühren ersetzen. Die steuerlich absetzbare Pendlerpauschale für Arbeitnehmer soll vorübergehend erhöht werden, um die unzureichende Verkehrsinfrastruktur im ländlichen Raum auszugleichen. Schließlich wird das deutsche Sozialsystem die Empfänger von Sozialleistungen (z.B. Wohngeld) für höhere Heizkosten entschädigen.

Das Klimaschutzgesetz schreibt die Verpflichtung fest, bis zum Jahr 2050 Treibhausgasneutralität zu erreichen. Zudem ergänzt es ein automatisiertes Nachsteuerungsverfahren, das die politischen Entscheidungsträger in die Pflicht nimmt.

Das nun dauerhafte Klimakabinett erhält das Mandat, die Effizienz und Wirksamkeit der im Klimaschutzprogramm 2030 verabschiedeten Maßnahmen jährlich neu zu evaluieren. 

Das Klimaschutzgesetz weist jedem Sektor lineare Emissionsminderungspfade zu. Werden die spezifischen Ziele nicht erreicht, muss der zuständige Minister innerhalb von drei Monaten einen Aktionsplan vorlegen, der den Sektor auf Kurs bringt.

Der Expertenrat für Klimafragen, ein unabhängiges Gremium, wird Fälle von Nichteinhaltung formal erfassen, hat aber keine Weisungsbefugnis. Dieses Vorgehen soll die Neuausrichtung von sektoralen Maßnahmen auf die zu erreichende Emissionsreduzierung beschleunigen. Das Klimakabinett trifft die finale Entscheidung über die zu ergreifenden Maßnahmen.

Im nächsten Schritt muss das Klimapaket sowohl vom Bundestag als auch vom Bundesrat verabschiedet werden.

Nachhaltige Finanzwirtschaft: Weiterentwicklung von Taxonomie und Risikobewertung in der EU

Gemäß eines am 23. September 2019 veröffentlichten Standpunkts des Europäischen Rates soll bis Ende 2021 ein einheitliches EU-Klassifikationssystem (Taxonomie) eingeführt werden, das ab Ende 2022 anwendbar sein soll. Deshalb muss die Europäische Kommission für jeden relevanten Wirtschaftssektor "technische Screening-Kriterien" sowie quantitative und qualitative Schwellenwerte festlegen, die von der Wirtschaft eingehalten werden müssen.

Im Zusammenhang mit der Umsetzung der abschließenden Elemente der Basel-III-Reformen hat die Europäische Kommission eine öffentliche Konsultation eingeleitet, die sich unter anderem mit Nachhaltigkeitsfragen befasst. Insbesondere fragt die Kommission, welche Maßnahmen ergriffen werden könnten, um ESG-Risiken (Environment, Social, Governance – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) in das Aufsichtsrecht einzubeziehen. Gesetzesvorschläge zur Einführung der endgültigen Basel-III-Umsetzungen werden bis Mitte 2020 erwartet.

Kapitalmarktunion: Neue Regeln für das Clearing zentraler Gegenparteien nach Brexit

Am 15. Oktober 2019 hat der Europäische Rat überarbeitete Regeln für das Clearing zentraler Gegenparteien (CCPs) im Binnenmarkt angenommen, insbesondere mit Blick auf mögliche Auswirkungen des Brexits auf das europäische Finanzsystem. Nach dem Brexit werden drei im Vereinigten Königreich ansässige CCPs zu Drittland (Nicht-EU)-CCPs. Das neue Gesetz erläutert, wie EU- und Drittland-CCPs überwacht werden sollen.

Um Dienstleistungen in der EU anbieten zu können, muss ein Drittland-CCP von der ESMA (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde) anerkannt werden. Die Vorschriften des Europäischen Parlaments und des Rats ergänzen die Marktinfrastrukturverordnung (EMIR). Die Regelung sieht ein dauerhaftes ESMA-Komitee vor. Das CCP-Aufsichtsgremium wird ein Mandat zur Überwachung der CCPs der EU und von Drittländern erhalten. Es wird aus zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten mit einem autorisierten CCP und unabhängigen Mitgliedern bestehen.

Der Rechtsakt führt ein neues, zweistufiges System für die Anerkennung von Drittland-CCPs ein, welches zusätzliche, risikobasierte Aspekte enthält. Dies wird es der ESMA erlauben, die Anerkennung zu verweigern oder auszusetzen. Die Regulierung unterscheidet bei Drittland-CCPs zwischen zwei Kategorien: nicht systemrelevante und systemrelevante CCPs. Die Systemrelevanz wird durch bestimmte Kriterien wie Größe, Art, Mitgliederstruktur und Komplexität des CCP-Geschäfts definiert. Systemrelevante CCPs („Tier-2-CCPs“) werden strikteren Regelungen unterliegen. Zum Beispiel müssen sie zusätzlichen Anforderungen entsprechen, die von den nationalen Zentralbanken der EU festgelegt werden. Sie müssen auch der ESMA alle relevanten Informationen zur Verfügung stellen sowie Inspektionen vor Ort ermöglichen.

Die Änderungen zielen darauf ab, die Überwachung von CCPs zu stärken, indem die wachsende Größe, Komplexität und grenzüberschreitende Dimension des Clearings in der Kapitalmarktunion berücksichtigt werden. Ein weiteres Ziel ist es, Rechtssicherheit darüber zu schaffen, wie Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU in der Lage sein werden, im Binnenmarkt tätig zu sein. Das neue Rahmenwerk bietet ESMA mehr Spielraum in Bezug auf Drittland-CCPs.

Die Verordnung wird am 12. Dezember 2019 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und tritt 20 Tage später in Kraft. 

Aktuelle öffentliche Konsultationen

 

   

Patrick Blank ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im SAFE Policy Center und arbeitet derzeit an einer wirtschaftswissenschaftlichen Promotion an der Goethe-Universität.

Anastasia Kotovskaia ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im SAFE Policy Center und arbeitet derzeit an einer rechtswissenschaftlichen Promotion an der Goethe-Universität.

Iva Vacheva-Spanidis ist Koordinatorin im SAFE Policy Center und hat einen Master in Governance and Public Policy der TU Darmstadt.