SAFE Finance Blog
22 Dec 2022

Das SAFE Regulatory Radar im Dezember

Überarbeitete Verbraucherkreditrichtlinie und Änderungen verschiedener Verordnungen, um europäische zentrale Gegenparteien zu stärken

Am Ende jedes Monats stellt das SAFE Regulatory Radar eine Auswahl wichtiger Neuigkeiten und Entwicklungen im Bereich der Finanzregulierung auf nationaler und EU-Ebene zusammen.

CCD II: Überarbeitete Richtlinie für mehr Verbraucherschutz

Wer einen Kredit an Verbraucherinnen und Verbraucher bis zu 100.000 Euro vergibt, muss künftig strengere vorvertragliche Informationspflichten und Kriterien bei der Kreditwürdigkeitsprüfung einhalten. Am 2. Dezember 2022 einigten sich der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament vorläufig auf den Entwurf einer überarbeiteten Verbraucherkreditrichtlinie (CCD II). Die Richtlinie erweitert den Anwendungsbereich der ursprünglichen Verbraucherkreditrichtlinie auf Kredite unter 200 Euro, potenziell schädliche Produkte (zum Beispiel teure kurzfristige Kredite) und digitale Kreditkanäle (wie Crowdfunding-Plattformen) und ergänzt damit die Crowdfunding-Verordnung. Die vorgeschlagene Richtlinie ist in die neue Verbraucheragenda der EU-Kommission eingebettet, mit der sichergestellt werden soll, dass Kund:innen gut informiert und kreditwürdig sind, bevor sie einen Kreditvertrag abschließen. Die vorläufige politische Einigung soll das Risiko von irregulären Verkäufen und Überschuldung verringern, und verpflichtet Kreditgebende dazu

  • Aussagen, dass Kredite die finanziellen Mittel erhöhen, Ersparnisse ersetzen oder den Lebensstandard verbessern können, zu unterlassen,
  • deutlich darauf hinzuweisen, dass die Kreditaufnahme kostspielig ist,  
  • den Widerruf von Kreditverträgen innerhalb von zwei Wochen nach deren Abschluss ohne Angabe von Gründen zuzulassen,
  • keine überhöhten Zinssätze, Jahreszinsen, Kreditgebühren oder Gesamtkosten für Kredite mehr zu verlangen,  
  • Krebserkrankungen nach einer bestimmten Zeit nicht mehr zu berücksichtigen, sofernKredite versichert werden müssen,  
  • die Kreditrückzahlung vor ihrer Fälligkeit und zu klaren Bedingungen zu ermöglichen, 
  • bei Rückzahlungsschwierigkeiten zu einer angemessenen Gebührenhöhe zu helfen, um die durch einen Ausfall entstehenden Kosten auszugleichen, und
  • zu überprüfen, ob Kund:innen den Kreditverpflichtungen nachkommen können. 

Wenn die Kreditwürdigkeit mit automatisiertbeurteilt wird, haben die Verbraucher:innen das Recht, dass ein Mensch aufseiten des Kreditgebenden manuell eingreift, die Bewertung anzufechten und eine aussagekräftige Erklärung der Kreditvergabeentscheidung zu verlangen. Die Kreditwürdigkeitsprüfung darf nur auf genauen und angemessenen Informationen über die finanzielle und wirtschaftliche Lage der Person beruhen; persönliche Daten (zum Beispiel aus sozialen Medien) sind auszuschließen. 

Der Umfang der weitergegebenen Finanzdaten kann für die Kreditvergabeentscheidung tatsächlich bedeutend sein. Neue Erkenntnisse eines SAFE Working Papers deuten darauf hin, dass die Offenlegung zusätzlicher Verbraucherinformationen (zum Beispiel Bankkontodaten) die Chance auf eine Kreditbewilligung (insbesondere für Kreditnehmende mit niedrigerer Kreditwürdigkeit) erhöhen und die Zinssätze (insbesondere für Kreditnehmende mit höherer Kreditwürdigkeit) senken. Neben der finanziellen Inklusion kann der Zugang zu und die Bewertung von Daten jedoch auch Diskriminierung fördern und erfordert daher neue Grundsätze für eine faire Kreditvergabe, wie sie in einem weiteren SAFE Working Paper skizziert wurden.

Insgesamt wird sich die vorgeschlagene CCD II nicht nur auf Bankkreditgeber auswirken, sondern auch auf Nicht-Bankkreditgeber und Kreditvermittler (mit Ausnahme von Kleinstunternehmen und kleinen und mittleren Unternehmen), die nun von den nationalen Behörden zugelassen, registriert und beaufsichtigt werden müssen. Bevor das förmliche Verabschiedungsverfahren eingeleitet werden kann, müssen der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, das Europäische Parlament und schließlich der Rat die skizzierte Regelung billigen.

Darüber hinaus hat die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) den Kreditgebenden vor kurzem offizielle Leitlinien an die Hand gegeben, wie sie bei Online-Kreditanträgen eine solide Sorgfaltsprüfung ihrer Kund:innen durchführen können, um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu verhindern.

CRR und OGAW: Änderungen, um Abhängigkeiten von Gegenparteien aus Drittländern zu verringern

Europäische zentrale Gegenparteien (European central counterparties) könnten transparentere, maßgeschneiderte und schnellere Clearingdienste anbieten. Am 7. Dezember 2022 hat die EU-Kommission zwei Pakete mit regulatorischen Änderungen vorgeschlagen: Das erste Paket zielt darauf ab, die Europäische Marktinfrastrukturverordnung (European Market Infrastructure Regulation, EMIR), die Kapitaladäquanzverordnung (Capital Requirements Regulation, CRR) und die Geldmarktfondsverordnung (Money Market Funds Regulation, MMFR) zu ändern, während das zweite Paket eine Änderung der Eigenkapitalrichtlinie (Capital Requirements Directive, CRD), der Richtlinie über Wertpapierfirmen (Investment Firms Directive, IFD) und der Richtlinie über Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW-Richtlinie) vorsieht. Beide Pakete werden dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Annahme vorgelegt. 

Sie sollen die kritische Abhängigkeit der europäischen Finanzmarktbeteiligten von einigen Dienstleistungen verringern, die von bestimmten zentralen Gegenparteien aus Drittländern erbracht werden und Risiken für die Finanzstabilität darstellen. Die begrenzte internationale Attraktivität der europäischen zentralen Gegenparteien resultiert aus Clearing-bezogenen Problemen auf der Angebotsseite (zum Beispiel übermäßige Befolgungskosten, mangelnde Kapazitäten) und auf der Nachfrageseite (zum Beispiel begrenzte Liquidität, Netzwerkeffekte, die eine Konzentration begünstigen), begleitet von grenzüberschreitenden Risiken. Die Kommission will daher

  • die Fähigkeit der europäischen Gegenparteien verbessern, sich schneller an Veränderungen der Marktnachfrage anzupassen,
  • das Clearing durch europäische zentrale Gegenparteien fördern und
  • Lücken in der Art und Weise schließen, wie grenzüberschreitende Risiken in der EU bewertet und gemanagt werden.

Daher sehen die Vorschläge unter anderem Maßnahmen vor  

  • die Verfahren zur Änderung von Risikomodellen und der Einführung neuer Produkte zu vereinfachen und zu beschleunigen sowie Absicherungskriterien zu überarbeiten, 
  • von Clearingmitgliedern und Kund:innen zu verlangen, ein aktives Konto bei europäischen Gegenparteien zu führen, die Transparenz von Einschussmodellen zu verbessern und öffentliche und private Garantien als zulässige Sicherheiten zu betrachten, und 
  • den bestehenden Aufsichtsrahmen durch eine stärkere Berücksichtigung der Auswirkungen von untertägigen Margenauszahlungen zu verbessern und einen stärkeren Fokus auf die Vermeidung prozyklischer Sicherheitsabschläge zu legen.

Diese Änderungen werden zur Förderung der Kapitalmarktunion entwickelt. Deren Vollendung erfordert institutionelle Änderungen, wie in einem SAFE Policy Letter dargelegt, sowie sichere, robuste und attraktive europäische Clearingdienste. Die Kommission sieht jedoch gut funktionierende europäische Clearingdienste durch eine anhaltende Dominanz britischer zentraler Gegenparteien für bestimmte Geschäfte gefährdet, auch nach dem Brexit. 

Die regulatorischen Folgen des Austritts Großbritanniens aus der EU sind auch Gegenstand des Peer-Review-Berichts, den die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA am 8. Dezember 2022 veröffentlichte. In ihrer Analyse konzentriert sich die ESMA auf den Umgang mit Unternehmensverlagerungen in die EU durch die zuständigen nationalen Behörden, um eine größere Konvergenz auf supranationaler Ebene bei der Anwendung des risikobasierten Ansatzes, des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der Delegationsvereinbarungen zu erreichen. 

Öffentliche Konsultationen

Europäische Bankaufsichtsbehörde (EBA):

  • Konsultation zur Änderung der Durchführungsverordnung über das Benchmarking von Kreditrisiko-, Marktrisiko- und IFRS9-Modellen für das Jahr 2024. Die Frist endet am Dienstag, den 28. Februar 2023..
  • Konsultation zu neuen Leitlinien für das wirksame Management von Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierungsrisiken beim Zugang zu Finanzdienstleistungen. Die Frist endet am Montag, den 6. Februar 2023.
  • Konsultation zum Entwurf von Leitlinien zur Gesamtsanierungskapazität in der Sanierungsplanung. Die Frist endet am Dienstag, den 14. März 2023. 

Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA):

  • Konsultation zu Änderungen der technischen Regulierungsstandards zu den Informationen, die in einem Antrag auf Zulassung und Registrierung gemäß der Benchmark-Verordnung vorzulegen sind. Die Frist endet am Dienstag, den 31. Januar 2023.
 

Carl-Georg Luft ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am SAFE Policy Center.