12 Oct 2022

Wie der Klimawandel die Finanzstabilität beeinflusst

In einem SAFE-CEPR Policy Web Seminar erläutern EZB-Expertinnen und Experten die Details des aktuellen Berichts „The Macroprudential Challenge of Climate Change”

Der Klimawandel ist eines der brisantesten Themen unserer Zeit. Er wirkt sich nicht nur auf unser tägliches Leben aus, sondern auch Unternehmen, Investoren und politische Entscheidungsträger:innen müssen die Folgen und Kosten in Betracht ziehen. In einem SAFE-CEPR Policy Web Seminar am 6. Oktober 2022 präsentierten die Mitarbeitenden der Europäischen Zentralbank (EZB) Paul Hiebert, Stephan Fahr, Katarzyna Budnik und Michael Grill den Bericht „The Macroprudential Challenge of Climate Change“ der EZB und des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken von Juli 2022. Der Bericht stellt einen Zusammenhang zwischen den sichtbaren Folgen des Klimawandels wie Dürren, Überschwemmungen und schmelzenden Gletschern einerseits und den Auswirkungen auf das soziale, politische und finanzielle System andererseits her und untersucht die erhebliche Bedrohung der Finanzstabilität durch dauerhafte Umweltveränderungen.

Moderiert von SAFE-Direktor Jan Pieter Krahnen betonte Hiebert bei der Vorstellung des Berichts, dass klimabedingte Risiken das gesamte Finanzsystem betreffen. Der gemeinsame Bericht gebe einen Einblick in die Auswirkungen dieser Risiken auf die finanzielle Stabilität der Europäischen Union. „Unser Bericht verknüpft die Klimaanfälligkeit mit der standardmäßigen Messung von Finanzrisiken und misst die Auswirkungen auf das systematische Risiko“, so Hiebert. Er fügte hinzu, dass der Bericht sowohl die bereichsübergreifende als auch die Zeitreihendimension der Finanzstabilität abdecke und somit in makroprudenzielle Maßnahmen integriert werden könne.

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Stephan Fahr erläuterte die bereichsübergreifende Dimension des systematischen Risikos noch ausführlicher: „Um klimabedingte Risiken für die Finanzstabilität zu überwachen und zu bewerten, werden Messgrößen benötigt, die den Zusammenhang zwischen Klima- und Finanzstabilitätsrisiken erfassen.“ Wie Fahr ausführte, seien Kreditnehmer außerhalb des Finanzsektors klimabezogenen Risikofaktoren ausgesetzt, die ihre Einkommen, Gewinne und Kosten beeinträchtigen können. Finanzinstitute seien diesen Nicht-Finanzunternehmen jedoch hauptsächlich durch Kreditinstrumente und Versicherungsverbindlichkeiten ausgesetzt. Er ergänzte, dass sich Naturgefahren häufen würden und Rückkopplungsmechanismen auslösen könnten, da sie aufgrund der Anfälligkeit der Unternehmen ein Risiko für die Finanzstabilität darstellen würden. So könnten sich etwa Hitzewellen und Waldbrände selbst und gegenseitig verstärken.

Daran anknüpfend, ging Katarzyna Budnik auf die Zeitreihendimension des systemischen Risikos ein. Sie stellte die Klimastress- und -szenarioanalyse vor und argumentierte, dass „Klimarisiken im Allgemeinen über langfristige Horizonte untersucht werden, die traditionell für Stresstests und Finanzentscheidungen verwendet werden.“ Die Autor:innen des Berichts konzentrierten sich auf drei langfristige „Network for Greening the Financial System (NGFS)“-Szenarien: (1) Beibehaltung der derzeitigen Politik, (2) sofortige Anpassung der Klimapolitik und damit Erreichen von globalen Netto-Null-C02-Emissionen im Jahr 2050 und (3) verzögerter Übergang in der Klimapolitik bis 2030 mit möglichen zusätzlichen Kosten für die Wirtschaft auf kurze Sicht.

Globale Zusammenarbeit ist entscheidend

Budnik erläuterte, dass diese Szenarien keine nennenswerten Auswirkungen auf die Modellrechnungen hatten. Daher hätten sie und ihre Kollegen ein alternatives kurzfristiges Szenario mit einem Fünfjahreshorizont entwickelt, bei dem jeweils ein Risiko im Vordergrund steht, wie beispielsweise ein starker Anstieg der Kohlenstoffpreise, eine starke Zunahme von Überschwemmungen und Hitzewellen, um verschiedene Aspekte der klimatischen Widrigkeiten zu veranschaulichen. Bei Anwendung dieser Szenarien auf die langfristigen Szenarien (2) und (3) steige die Ausfallwahrscheinlichkeit der Unternehmen im Vergleich zur gegenwärtigen Politik kurzfristig geringfügig, langfristig sinke sie jedoch erheblich.

Im Anschluss daran bewertete Michael Grill die makroprudenziellen Maßnahmen zur Bewältigung der finanziellen Auswirkungen des Klimawandels. Laut Grill berücksichtige ein makroprudenzieller Ansatz für Klimarisiken solche Aspekte, die in verschiedenen Sektoren vorhanden seien, und könne sektorübergreifende Arbitrage verhindern. „Klimarisiken können die Finanzstabilität durch regionale Naturkatastrophen und eine Häufung von Übergangsrisiken bei Unternehmen mit hohen Emissionen zwischen und innerhalb der Wirtschaftsbereiche stark einschränken“, so Grill. Wie im Bericht festgestellt, müssten die makroprudenziellen Maßnahmen grenzübergreifend einheitlich sein und eine enge Zusammenarbeit zwischen den globalen Akteuren voraussetzen, sodass sie im Kontext eines ganzheitlichen Ansatzes einer Aufsicht für das Klimarisiko gesehen werden müssten.