15 Mar 2021

Jan Krahnen spricht sich für mehr Finanzmarktreformen nach dem Fall Wirecard aus

SAFE-Direktor nimmt Stellung zum geplanten Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität und schlägt tiefergehende Änderungen vor

Der Finanzausschuss des Bundestags beschäftigt sich heute in einer öffentlichen Anhörung mit dem Gesetzesvorhaben der Bundesregierung zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG). Jan Krahnen, Direktor des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE, begrüßt die Reformabsicht und erkennt positive Gestaltungen insbesondere zur Wirtschaftsprüfung an, hält die zentralen Vorschläge zu Mandat und Unabhängigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) aber in wesentlichen Teilen für unangemessen, nicht zielführend und nicht weitgehend genug.

Die von Krahnen gemachten Vorschläge basieren auf einem Gutachten zum Fall Wirecard im Auftrag des Europäischen Parlaments, das ein internationales Forschungsteam rund um SAFE vorgelegt hat. „Eine kluge Neugestaltung des Gesetzes birgt die Chance einer Rehabilitation der Marktaufsicht in Deutschland“, erklärt Krahnen in einer offiziellen Stellungnahme zu dem FISG-Vorhaben. Aus seiner Sicht versäumt der Gesetzesentwurf die Umsetzung von drei zentralen Aspekten einer notwendigen Neuaufstellung der BaFin: Die Behörde sollte eine eindeutige Zuständigkeit für alle Prüfungs- und Durchsetzungsaufgaben erhalten, in ihrem Tagesgeschäft unabhängig von einem Ministerium agieren können, und vorausschauend mit Blick auf eine vereinheitlichte europäische Wertpapiermarktaufsicht umgestaltet werden.

„Der BaFin wird gegenwärtig nur in gravierenden Einzelfällen, sogenannten Anlassprüfungen, das Recht eingeräumt, selbstständig tätig zu werden“, sagt Krahnen. Die viel häufigeren Regelprüfungen dagegen sollen unverändert außerhalb der BaFin von der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) ausgeführt werden. Diese Regelung ist nach Auffassung des SAFE-Direktors allerdings kontraproduktiv, vielmehr würde umgekehrt ein Schuh daraus: „Die BaFin führt die Regelprüfungen durch, entwickelt und hält eine hohe Prüfexpertise, kann aber in Sondersituationen auf spezielle externe Prüfungsexpertise oder auch eine privatrechtlich organisierte Prüfstelle für Rechnungslegung zurückgreifen.“

Die BaFin unabhängiger und europäischer aufstellen

Zudem erweise sich auch die Einbindung der BaFin in eine Abstimmungshierarchie des Bundesfinanzministeriums als unvorteilhaft. „Dadurch entsteht fast zwangsläufig ein schädlicher Zielkonflikt“, befindet Krahnen. Etwa kollidierten im Fall Wirecard das politische Ziel einer Stärkung deutscher, international erfolgreicher Fintechs mit den an Marktintegrität und Finanzstabilität orientierten Zielen der Aufsicht. „Die erhöhte Selbstständigkeit der BaFin muss ausgeglichen werden mit mehr Rechenschaftspflichten gegenüber demokratisch legitimierten Institutionen wie dem Parlament“, meint Krahnen.

Schließlich diene Wirecard auch als Lehrstück für das Missverhältnis zwischen historisch gewachsenen Kapitalmärkten in einzelnen EU-Mitgliedstaaten und der Etablierung eines einheitlichen, integrierten und international anerkannten Wertpapiermarktes. „Während insbesondere internationale Investoren Europa als einen zusammenhängenden Wirtschaftsraum sehen, zerfällt dieser Raum aufsichtsrechtlich und -praktisch in viele kleine Märkte entlang nationaler Grenzen“, stellt Krahnen fest. „Ich schlage deshalb vor, eine verantwortliche Wertpapiermarkt-Aufsichtsbehörde auf europäischer Ebene zu schaffen, die etwa als Europäische Aufsicht für den Kapitalmarktbinnenmarkt bezeichnet werden könnte. Die Regeln eines FISG sollten schon jetzt auf diese europäische Weiterentwicklung Bezug nehmen und die BaFin darauf vorbereiten.“ Eine europäische Marktaufsicht kommt in dem FISG-Entwurf bisher nicht vor.