08 May 2014

Gemeinsame europäische Schuldentilgung wirft viele Fragen auf

Die Jahre 2011 und 2012 waren die schwierigsten für Krisenländer wie Portugal, Spanien und Griechenland. Große Differenzen zwischen den Refinanzierungskosten dieser Länder auf der einen Seite und Deutschland oder Frankreich auf der anderen Seite führten dazu, dass in dieser Zeit konkrete Vorschläge aufkamen, wie sich gemeinsame europäische Schuldinstrumente wie Schuldentilgungsfonds oder Eurobills gestalten ließen. Die Befürworter dieser Vorschläge propagierten diese als Mittel, um die Stabilität der Eurozone wiederherzustellen und den Schuldenüberhang stark verschuldeter Länder abzubauen. Im Juli 2013 setzte die Europäische Kommission eine „Sachverständigengruppe für einen Schuldentilgungsfonds und Eurobills“ ein, um die Vorteile und Risiken dieser Instrumente zu untersuchen. Gertrude Tumpel-Gugerell war Vorsitzende der Gruppe und präsentierte deren Ergebnisse bei einem Vortrag des SAFE Policy Centers am 7. Mai.

Schuldentilgungsfonds und Eurobills

Das frühere EZB-Vorstandsmitglied stellte jeweils vier Konzepte für Schuldentilgungsfonds und Eurobills vor mit verschiedenen Zeithorizonten. Zum Beispiel würde ein Schuldentilgungsfonds, wie vom deutschen Sachverständigenrat für Wirtschaft vorgeschlagen, Staatsanleihen aller Länder kaufen, deren Schulden den Maastricht-Schuldenstand von 60 Prozent ihres BIP übersteigen. Alle Länder, die an dem Fonds beteiligt sind, würden dann gemeinsam für diese Schulden haften. Infolgedessen könnten die Zinsen für hoch verschuldete Länder sinken, was ihnen helfen würde, ihre Staatsschuld abzubauen. Der Vorschlag sieht zudem vor, dass sich Länder, die von dem Fonds profitieren, verpflichten müssen, Regeln zur Schuldenumstrukturierung zu befolgen, sobald ihr Schuldenüberhang abgebaut ist. Dies soll verhindern, dass der Schuldenstand wieder ansteigt. Der Fonds würde je nach Ausgestaltung eine Laufzeit zwischen 10 und 25 Jahren haben.

Mit Eurobills sind gemeinsame Emissionen kurzfristiger Staatsschulden der Euroländer gemeint. Eurobills sollten in ihrer Größe und Laufzeit beschränkt sein, erklärte Tumpel-Gugerell. Zum Beispiel könnte die Emission auf 10 Prozent des BIP der gesamten Eurozone begrenzt werden und auf Schulden mit einer Fälligkeit von weniger als einem Jahr.

Risiken und Nebenwirkungen

Die EU Sachverständigengruppe ist zu dem Ergebnis gekommen, dass sich beide Vorschläge positiv auf die Integration der Finanzmärkte in Europa auswirken würden. Allerdings sei ein Nachteil des Schuldentilgungsfonds, der auch langfristige Schulden umfasst, dass dieser faktisch zu einer Fiskalunion führe und gleichzeitig die Refinanzierungskosten für Länder mit guter Kreditwürdigkeit erhöhe. Auf der anderen Seite könnte die Einführung von Eurobills eine politische Debatte über gemeinsame Schuldeninstrumente auch für längerfristige Schulden entfachen.

Zudem wies Tumpel-Gugerell auf mögliche Moral-Hazard-Probleme im Zusammenhang mit einzelnen Konzepten hin. Zum Beispiel würden die Mitglieder des Schuldentilgungsfonds sofort davon profitieren, wenn sie ihren Schuldenüberhang auf das Instrument zur gesamtschuldnerischen Haftung übertragen. Ob sie anschließend aber auch die vereinbarten Regeln zur Finanzkonsolidierung erfüllen, sei aber ungewiss. Die Sachverständigengruppe hat daher verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen, um diese Risiken einzudämmen. Zum Beispiel könnte man die Zinsen für Länder, die sich nicht an die vereinbarten Regeln halten, schrittweise erhöhen.

Rechtliche Grenzen

Tumpel-Gugerell betonte, dass die EU unter den aktuellen EU-Verträgen nicht ausreichend Kompetenzen habe, um einen Schuldentilgungsfonds oder Eurobills einzuführen. Zum einen liege die Steuerhoheit auf nationaler Ebene, zum anderen bedeute die Einführung eines solchen Systems, dass die teilnehmenden Länder hohe Haftungsrisiken eingehen müssten, was die No-Bailout-Klausel verletze. Sollten die EU-Verträge nicht geändert werden, wäre es nur möglich, ein befristetes Eurobill-System einzuführen oder einen Schuldentilgungsfonds, der auf einer rein zwischenstaatlichen Konstruktion beruht, was allerdings Probleme hinsichtlich der demokratischen Verantwortlichkeit aufwerfe.