SAFE Finance Blog
11 Jul 2023

Was Bankausfälle die Regulierung über das Offensichtliche hinaus lehren

Elke König: Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank ist ein Signal an die Aufsichtsbehörden, die Kapital- und Liquiditätsanforderungen neu zu bewerten, doch sollten die Reformen über die Bankenregulierung hinausgehen

Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank und zweier anderer mittelgroßer Banken in den USA sowie der globalen Schweizer Bankengruppe Credit Suisse hat eine Debatte über die weitere Intensivierung der Bankenregulierung und -aufsicht ausgelöst. Die Einblicke in die Situation in den USA von Michael Barr, stellvertretender Vorsitzender der Aufsichtsabteilung der US-Notenbank Fed, und Martin Gruenberg, Vorsitzender des US-Einlagensicherungsfonds FDIC, geben zu denken. Die Überlegungen der Schweizerischen Nationalbank zum Scheitern der Credit Suisse in ihrem Finanzstabilitätsbericht 2023, dem ein ausführlicher Bericht im Auftrag der Schweizer Regierung folgen soll, tragen zu dieser Debatte bei – obwohl natürlich auch hier nationale Überlegungen eine wichtige Rolle spielen werden.

Der Fall der Silicon Valley Bank hat gezeigt, dass der Zusammenbruch einer regionalen Bank schwerwiegende Auswirkungen auf die Finanzstabilität und die Wirtschaft im Allgemeinen hat und eine Neubewertung der Kapital- und Liquiditätsanforderungen erforderlich macht. Vielleicht noch dringlicher ist die Notwendigkeit, das rechtzeitige Eingreifen und Intensität der Aufsicht zu überdenken. Dies scheint eine Lektion zu sein, die man sowohl mit Blick auf die Silicon Valley Bank als auch auf die Credit Suisse lernen kann.

Gleichzeitig ist es überraschend, dass der Fokus nun nicht stärker darauf ruht, Lehren für Abwicklungssysteme und -strategien zu ziehen. Das nach der globalen Finanzkrise von 2007/2008 eingeführte Abwicklungssystem war ein großer Schritt nach vorn, aber es muss auch gründlich vorbereitet werden, damit es energisch und rechtzeitig umgesetzt werden kann, d. h. bevor die Ressourcen vollständig erschöpft sind. Natürlich sollte der Schwerpunkt nicht nur auf global systemrelevante Banken, sondern auf alle potenziell systemrelevanten Banken gelegt werden. Wie wir in den USA gesehen haben, können auch klein(er)e Akteure systemrelevant sein, und dies muss sich in der Regulierung widerspiegeln.

Den Schutz von Transaktionskonten überdenken

Die im März 2023 in den USA und der Schweiz aufgetretenen Bank-Runs haben eine Diskussion über das Risiko des Abflusses von Bankeinlagen ausgelöst und darüber, wie dieses Risiko reduziert oder zumindest eingedämmt werden kann. Dabei geht es um die Ausweitung der Einlagensicherung im Allgemeinen oder um die Entwicklung von Lösungen zum Schutz von Transaktionskonten. Die Erkenntnisse aus SAFE Policy Letter Nr. 98 und Martin Grünbergs Stellungnahme „On Options for Deposit Insurance Reform“ werden die Diskussion hoffentlich bereichern und für die Überlegungen zum Thema Krisenmanagement und Einlagensicherung innerhalb der EU relevant sein. Insbesondere der Schutz von Transaktionskonten muss überdacht werden, da ein Bankausfall dazu führen könnte, dass kleine und mittlere Unternehmen ihre Gläubiger nicht mehr bezahlen können und die Finanzstabilität gefährdet ist.

Es scheint, als hätten wir aus den jüngsten Bankenpleiten einige Lehren für die Bankenregulierung, -aufsicht und -abwicklung sowie die Einlagensicherung gezogen. Reicht das aus; sollte das in Zukunft der einzige Schwerpunkt sein?

Der starke Anstieg der Zinssätze seit Mitte 2022 und insbesondere die Ereignisse vom März 2023 haben die Einleger dazu veranlasst, Gelder von ihren Banken umzuschichten hin zu Banken, die als „sicherer“ gelten, sowie hin zum Markt für kurzfristige Finanzierungen, vor allem Geldmarktfonds. Diese Fonds werden zu Recht oder zu Unrecht als Zahlungsmitteläquivalente betrachtet.

Das weitgehend ignorierte Risiko von Geldmarktfonds und Nicht-Bank-Finanzinstituten

Abgesehen von den Äußerungen von US-Finanzministerin Janet Yellen auf der NABE-Konferenz am 30. März wurde das potenzielle Risiko für die Finanzstabilität, das von Geldmarktfonds oder im weiteren Sinne von Nicht-Bank-Finanzinstituten (NBFI) ausgeht, insbesondere angesichts des jüngsten Wachstums von Geldmarktfonds, weitgehend ignoriert. In den „Policy Proposals to Enhance Money Market Fund Resilience“ (Vorschläge zur Verbesserung der Widerstandsfähigkeit von Geldmarktfonds) des Financial Stability Board (FSB) aus dem Jahr 2021 werden die Risiken, die von Geldmarktfonds ausgehen können, klar dargelegt. Dies sollte als eine deutliche Warnung verstanden werden. Das Risiko eines Geldmarktfonds-Runs ist sowohl 2008 als auch 2020 praktisch eingetreten und hat zu Interventionen der Zentralbanken geführt, um diese Fonds zu stabilisieren.

Als Reaktion auf die jüngsten Bankenzusammenbrüche verlagern Anlegerinnen und Anleger ihre Gelder von einem instabilen, lauffähigen Instrument, den Bankeinlagen (Sichteinlagen), zu einem anderen, den Geldmarktfonds. Das FSB-Papier konzentriert sich stark auf Geldmarktfonds für nicht-öffentliche Schuldtitel, die aufgrund ihres inhärenten Kredit- und Marktrisikos ein erhebliches (Liquiditäts-)Risiko darstellen. Angesichts des Zinsanstiegs seit Mitte 2022 und der Marktvolatilität darf das Marktrisiko von Staatspapieren jedoch nicht übersehen werden. Staatsanleihen, insbesondere US-Staatsanleihen, mögen das sicherste und liquideste Instrument sein, das Anlegerinnen und Anleger sich vorstellen können, aber auch sie werden nur bei Fälligkeit zum Nennwert zurückgezahlt.

Insbesondere Geldmarktfonds mit stabilem Nettoinventarwert versprechen eine tägliche Rückzahlung zum Nennwert trotz der inhärenten Fristentransformation und des Kredit-/Marktrisikos. Ein Versprechen, das unter Umständen kippen kann und den bekannten Teufelskreis aus Runs und kurzfristigen Verkäufen auslöst. „Erst abheben, dann Fragen stellen“ ist angesichts des First-Mover-Vorteils, der diesen Fonds innewohnt, absolut vernünftig. Dies ist jedoch ein ernstes Problem für die Finanzstabilität.

Bankausfälle unterstreichen die Notwendigkeit von Reformen im Nicht-Banken-Finanzsektor

Das FSB beabsichtigt, seine Empfehlungen in diesem Jahr zu überprüfen und plant, die nationale Umsetzung im Jahr 2026 zu bewerten – ein langer Weg seit der Finanzkrise 2008 und der „Erinnerung“ 2020. Die diesjährigen Bankausfälle machen diese Überprüfung und eine rechtzeitige Umsetzung aller relevanten Empfehlungen umso wichtiger.

Das FSB hat zwar die richtigen Fragen aufgeworfen und in seinem Papier für 2021 eine Reihe von Optionen aufgezeigt, doch die jüngsten Ereignisse könnten eine Neubewertung erforderlich machen. Der Schwerpunkt muss auf allen Geldmarktfonds liegen, nicht nur auf Geldmarktfonds für nicht-öffentliche Schuldtitel. Jedes Instrument, das eine tägliche Rücknahme zum Nennwert verspricht (Stable-NAV-Fonds), muss zumindest über robuste Liquiditätspuffer verfügen, um ungünstigen Marktbedingungen standhalten zu können. Alternativ, und das wäre vielleicht vorzuziehen, könnte die Funktion des „stabilen Nettoinventarwerts“ abgeschafft werden. Die Ausgestaltung dieser Fonds muss möglicherweise überarbeitet werden, um die Volatilität zu begrenzen, z. B. durch Deckelung der zulässigen Vermögenswerte und ihrer Laufzeit. Zudem sollten regelmäßige Stresstests auf der Grundlage des Marktwerts der verwalteten Fonds durchgeführt werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Bankenzusammenbrüche in diesem Jahr wertvolle Erkenntnisse liefern und die Dringlichkeit unterstreichen, sich mit den vom Nicht-Banken-Finanzsektor und insbesondere Geldmarktfonds ausgehenden Risiken auseinanderzusetzen. Sie sind ein bedeutender und wachsender Teil des Finanzökosystems und befinden sich noch immer weitgehend außerhalb des Anwendungsbereichs der Regulierung. Die bevorstehende Auftaktveranstaltung des FSB und der Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden für die Konsultationen zu offenen Fonds am 12. Juli wird sich hoffentlich mit diesem Thema befassen.


Elke König ist SAFE Senior Fellow, war von 2015 bis 2022 Vorsitzende des Ausschusses für die einheitliche Abwicklung (Single Resolution Board, SRB) sowie von 2012 bis 2014 Präsidentin der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Sie war zudem Mitglied im Aufsichtsrat des einheitlichen Aufsichtsmechanismus.

Blogbeiträge repräsentieren die persönlichen Ansichten der Autor:innen und nicht notwendigerweise die von SAFE oder seiner Mitarbeiter:innen.

Elke König

SAFE Senior Fellow