Die Rente ist und bleibt ein politisches Reizthema. Und das mit Recht: Die demografische Entwicklung mit künftig weniger Beitragszahlern und schon jetzt über 21 Millionen Empfängern (und steigender Tendenz) stellt das gesetzliche Rentensystem vor große Probleme. Zuletzt hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz gefordert, die Höhe der Renten bis zum Jahr 2040 statt wie bisher zum Jahr 2025 zu garantieren. Bislang gilt, dass bis mindestens dahin ein Rentenniveau von 48 Prozent im Vergleich zum Durchschnittsverdienst gesichert wird. Außerdem sollen die Beiträge der Arbeitnehmer zur Finanzierung der Renten nicht über 20 Prozent des Bruttolohns steigen. Wie es danach weitergeht, dazu soll eine bereits eingesetzte Expertenkommission Vorschläge erarbeiten.
Scholz sieht die Rentengarantie als Waffe gegen Populismus. „Stabile Renten verhindern einen deutschen Trump“, zitiert ihn die „Bild am Sonntag“. Dass die Union umgehend konterte, gehört zum politischen Handwerk. Kanzlerin Angela Merkel reagierte bisher zurückhaltend. „Klares Ziel aller in der Bundesregierung ist, die soziale Sicherheit für alle Generationen auch nach 2025 verlässlich auszugestalten“, wird Regierungssprecher Steffen Seibert in der „WELT“ zitiert. Was aber ist von dem Argument zu halten, mit stabilen Renten gegen Populismus anzugehen?
Niemand wird bezweifeln, dass die finanzielle Bildung der Menschen auch hierzulande verbessert werden muss. Gerade bei der Rente operiert die Politik aber mit Begriffen, mit denen nur wenige Menschen etwas anfangen können. Es ist von „doppelten Haltelinien“, „Demografiereserven“ und „Eckrentnern“ die Rede – das ist kaum greifbar und schwer verständlich. Zum anderen haben es Politiker aller Parteien bislang versäumt, den Bürgerinnen und Bürgern Informationen über alle Renteneinkünfte leicht verständlich, datensicher und auf Knopfdruck zu ermöglichen.
Die Reformen der vergangenen Jahre zielten ja gerade darauf ab, neben der gesetzlichen Rente auch die beiden anderen Säulen der Altersversorgung zu stärken, nämlich die betriebliche und die private Rente. Wer jedoch wissen will, was er oder sie im Alter an Gesamteinkünften ziehen kann, muss diverse mehr oder weniger verständliche Standmitteilungen aus Aktenordnern kramen. Ist das geschafft, sind die versprochenen Zahlungen mal in jährlichen Raten, mal in monatlichen Raten ausgewiesen, mal brutto und mal netto. Dies alles ist so kompliziert, dass selbst Mathematiker oft aufgeben.
Alterseinkünfte auf einen Blick
Wer den Bürgern Sicherheit bei der Rente verschaffen will, sollte für Durchblick sorgen. Obwohl im derzeitigen (und vorherigen) Koalitionsvertrag vorgesehen und in Ländern wie Dänemark und Schweden längst eingeführt, gibt es in Deutschland immer noch kein Instrument, mit dem Bürgerinnen und Bürger auf einen Blick ihre gesamten Alterseinkünfte einsehen können.
Wir brauchen deshalb in Deutschland dringend ein datensicheres und einfach zu handhabendes Rentencockpit, mit dem jeder und jede alle Alterseinkünfte auf einen Klick abrufen kann. Die so in Euro und Cent ermittelte Summe verschafft den Menschen mehr Sicherheit als jede Diskussion um ein abstraktes Rentenniveau.
Dies ist nicht nur die Erkenntnis aus meiner langjährigen Beschäftigung mit der Vermittlung von Finanzwissen, sondern auch das Ergebnis der ersten groß angelegten wissenschaftlichen Studie zur Wirkung derartiger Rentencockpits. Mit Hilfe zweier großer Finanzinstitute haben die Goethe Universität Frankfurt am Main in Kooperation mit dem Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik und der Deutschen Renten Information e.V. (DRI) über 20.000 Menschen die Möglichkeit geboten, sich Durchblick über ihre gesamten Alterseinkünfte zu verschaffen.
Durchblick mit dem Rentencockpit
Wer bis zum Schluss durchhielt – und das war mit über tausend Teilnehmern eine repräsentative Stichprobe – erhielt sein persönliches Rentencockpit. Der Name ist bewusst gewählt: Wie im Auto wollten wir eine auf den ersten Blick zu erfassende und möglichst einfache Darstellung erreichen. Statt Jahressummen auszuweisen, haben wir uns analog zu den Gehaltszahlungen auf die monatlich zu erwartenden Einkünfte konzentriert. Sie wurden als garantierte sowie zusätzlich mögliche Summe gezeigt und zudem in Brutto- und Netto-Werte aufgeteilt.
Wir fragten die Teilnehmer vorher, ob sie ihr Alterseinkommen einschätzen können. 66 Prozent gaben an, das nicht zu können. Nachdem sie das Rentencockpit nutzen konnten, sagten 61 Prozent der Befragten, dass sie sich gut über ihre Altersvorsorge informiert fühlten. 64 Prozent empfinden das Rentencockpit als klar hilfreich.
Diese Werte machen deutlich, wie nützlich ein solches Instrument wäre. Die DRI hat deshalb im Mai 2018 mit zehn Partnern aus Finanzindustrie und Wissenschaft die Arbeit an einem Prototyp für ein derartiges Rentencockpit begonnen. Wir wollen bis spätestens Ende 2019 eine offene Plattform für alle privaten und öffentlichen Rententräger schaffen.
Wer als Politiker verhindern will, dass politverdrossene Bürger vermeintliche Sicherheit bei Populisten suchen, sollte deshalb schnellstens die im Koalitionsvertrag vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzungen für ein solches Rentencockpit schaffen. Das ist Durchblick statt Versprechungen – und solide Sozialpolitik gegen Populismus.
Andreas Hackethal ist Programmdirektor „Household Finance – Saving and Borrowing" am Research Center SAFE und Vorsitzender des Vorstands des Deutsche Renten Information e.V.