Sie beschäftigen sich mit den ökonomischen Auswirkungen des Klimawandels. Wo steht die Forschung bisher in diesem Bereich?
Es gibt mehrere Zweige der ökonomischen Forschung, die sich mit verschiedenen Aspekten des Themas beschäftigen. Ein Beispiel ist die Untersuchung von Migration, die durch den Klimawandel ausgelöst wird, weil etwa bestimmte Landwirtschaftssektoren keine rentable Ernte mehr liefern. Dadurch entstehen Migrationsströme, die deutliche ökonomische Auswirkungen haben. Meine Ko-Autoren und ich beschäftigen uns dagegen mit sehr basisökonomischen Themen. Es gibt zum Beispiel negative Produktivitätswirkungen und daraus folgende Wohlfahrtsverluste durch den Klimawandel. Die ökonomische Forschung in dem Bereich nimmt gerade deutlich Fahrt auf, auch weil das Problem im öffentlichen Bewusstsein angekommen ist.
Der Klimawandel kann auch negative Wirkungen auf die Finanzmärkte haben. Was heißt das für den Anleger?
Zum einen gibt es den grundlegenden ökonomischen Effekt sinkender Produktivität. Der gesamtwirtschaftliche Output, der langfristig über Wertpapiere an Investoren verteilt werden kann, wird kleiner. Zum anderen gibt es Forschung, die sich mit der Frage beschäftigt, ob Klimarisiken und klimabezogene Verhaltensweisen von Unternehmen Einfluss auf die Bewertung von Aktien haben. Es ist sehr gut vorstellbar, dass Druck von der Anlegerseite dafür sorgt, dass sich das Verhalten von Unternehmen ändert. Insofern könnte der Klimawandel über die Kapitalmärkte positive Effekte auf Unternehmen haben. Natürlich gibt es Geschäftszweige, die man kaum klimaneutral gestalten kann, wie etwa den Energiebereich. Aber Faktoren wie Umwelt und soziale Fragen gewinnen an Bedeutung. Viele Akteure in der Investmentbranche beschäftigen sich intensiv mit dem Verhalten von Unternehmen in diesen Bereichen.
Gilt der Zusammenhang zwischen fallender Produktivität und steigenden Temperaturen für alle Volkswirtschaften?
Es gibt in Bezug auf die Intensität Unterschiede über die Länder hinweg, wobei landwirtschaftlich dominierte Volkswirtschaften am stärksten betroffen sind. Technologisch entwickelte Länder haben bessere Möglichkeiten, ihre Wirtschaft gegen Klimaschocks zu schützen oder neue Strategien zu entwickeln. Das Problem ist: Um nachhaltige Verbesserungen zu erzielen, muss man an den Ursachen der Probleme ansetzen. Es geht aber im Übrigen nicht nur um den bloßen Temperaturanstieg, um „Global Warming“, sondern auch um die Volatilität. Je mehr die Wetterentwicklung von „normalen“ Zyklen abweicht, desto negativer sind die ökonomischen Effekte.
Ihre Forschung legt nahe, dass Temperaturschocks dazu führen, dass die Ausgaben für Forschung und Entwicklung zurückgehen. Sollte der Staat eingreifen?
Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung fallen, weil die Standardtechnologie weniger produktiv wird und damit weniger attraktiv. Wünschenswert wäre, dass Innovationen in Bereichen erfolgen, die bisher noch nicht stark gefördert werden. Es wird schwieriger, die gesellschaftliche Bereitschaft dafür zu finden. Ein Problem ist, dass die Kosten von externen Effekten mit negativen Umweltauswirkungen nur schlecht an die Verursacher umgelegt werden können. In manchen Bereichen bezahlen wir alle nicht die Preise, die angemessen wären, um die parallel entstehenden Umweltschäden abzudecken. Dies könnte für staatliches Handeln sprechen. Wenn regulatorische Maßnahmen ergriffen werden, erfolgt die Anpassung der Industrie relativ schnell. Das zeigt die Erfahrung, zum Beispiel bei der Einführung von Katalysatoren für Autos. Besser als Regulierung wären aber intelligente, anreizbasierte Lösungen, die dazu veranlassen, sich aus Eigenkalkül optimal zu verhalten. Das ist deshalb besser, weil dann nicht so viel Energie in die Regelumgehung investiert wird.
Ist das Bewusstsein bereits in Unternehmen und Regierungen stark genug ausgeprägt?
Wir sind wesentlich weiter als noch vor zehn Jahren. Denken Sie an die so genannten „Green Bonds“: Diese Anleihen werden von Unternehmen emittiert, die sich so als besonders nachhaltig präsentieren können. Interessanterweise haben auch Staaten begonnen Green Bonds auszugeben, beispielsweise Frankreich. Natürlich hängt das zumindest teilweise auch mit Marketing zusammen. Aber allein diese Tatsache zeigt, dass das Bewusstsein gewachsen ist. Natürlich ist dabei nicht alles Gold, was glänzt. Aber die Dinge kommen in Bewegung.
Wie können sich Unternehmen auf den Klimawandel vorbereiten?
Es kommt auf die jeweilige Industrie an. Die Energieabhängigkeit zu reduzieren ist häufig sinnvoll. Unternehmen sollten sich auch im Klaren darüber sein, dass klimainduzierte Naturkatastrophen Faktoren sind, die letztlich alle Bereiche der Ökonomie betreffen – etwa dadurch, dass die Kapitaldecke von Versicherern und Rückversicherern ausgedünnt wird. Entsprechende Versicherungen werden in der Folge teurer, weshalb bestimmte ökonomische Aktivitäten möglicherweise aufgrund zu hohen Risikos unterbleiben. Das hat das Potenzial, Investitionen zu reduzieren und dies führt dann zu geringerem Wachstum.
Wo sehen Sie die drängendsten Fragen für die künftige Forschung?
Die Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen ist wichtig. Naturwissenschaftler verstehen den Klimawandel und damit verbundene Prozesse besser. Ökonomen können dagegen besser darlegen, wie knappe Ressourcen optimal zwischen konkurrierenden Anwendungsfeldern verteilt werden sollten. Dieser Austausch kann sehr fruchtbar sein – auch mit weiteren Disziplinen, wie den Sozialwissenschaften. Denn die erforderlichen Maßnahmen müssen politisch implementiert werden ohne den Wähler zu verprellen. Man braucht gesellschaftliche und politische Akzeptanz für Veränderung und dafür ist sozialwissenschaftliche Kompetenz sehr hilfreich. Die Herausforderung wird sein, ökonomische Anreize für „gutes“ klimabezogenes Verhalten zu schaffen, in so vielen Bereichen wie möglich.
Christian Schlag ist Programmdirektor für "Financial Markets - Trading and Pricing" am LOEWE-Zentrum SAFE.
Referenzen:
Donadelli, M., Grüning, P., Jüppner, M. and R. Kizys (2017a), “Global Temperature, R&D Expenditure, and Growth”, SAFE Working Paper No. 188.
Donadelli, M., Jüppner, M., Riedel, M. and C. Schlag (2017b), “Temperature Shocks and Welfare Costs”, Journal of Economic Dynamics and Control, Vol. 82, pp. 331-355.