SAFE Finance Blog
11 Aug 2023

Fremdwährungskredite, Rückerstattungsansprüche und der Europäische Gerichtshof

Nikolai Badenhoop: Fremdwährungskredite bergen Risiken für nationale Bankenkrisen

Stellen Sie sich vor, Sie möchten ein Haus kaufen und suchen in Zeiten hoher Zinsen nach günstigen Kreditkonditionen. Sie gehen zu einer Bank, die Ihnen zwei verschiedene Immobilienkredite anbietet – den herkömmlichen Kredit mit hohem Zinssatz in Ihrer Landeswährung oder einen Kredit mit niedrigem Zinssatz in einer Fremdwährung. Letzteres bedeutet, dass die Höhe Ihrer Schulden je nach den Wechselkursänderungen zwischen Ihrer Landeswährung und der ausländischen Währung variiert. Wenn Sie risikoscheu sind, werden Sie sich wahrscheinlich nicht für eine solche Lösung entscheiden, denn sie birgt das Risiko, dass Ihre Landeswährung gegenüber der ausländischen Währung an Wert verliert und Ihre Schulden entsprechend steigen. Wenn Sie jedoch risikofreudig sind und darauf wetten, dass Ihre Landeswährung stärker wird und sich so Ihre Schulden verringern, entscheiden Sie sich vielleicht für einen Fremdwährungskredit.

Das Risiko ist hoch und eine Änderung des Wechselkurses kann für Kreditnehmende schwerwiegende Folgen, bis hin zum Privatkonkurs, haben. Verbraucherfremdwährungskredite bergen zudem politische Risiken. So ist wissenschaftlich erwiesen, dass die steigende Schuldenlast aus Fremdwährungskrediten in Ungarn zum Aufstieg rechtsextremer Populisten geführt hat. Trotz der individuellen und politischen Risiken sind Fremdwährungskredite für Verbraucher:innen unter der europäischen Wohnimmobilienkreditrichtlinie weiter erlaubt – unter der Bedingung, dass entweder die Verbraucher:innen ein Recht auf Konvertierung des Kreditvertrags in ihre Heimatwährung haben oder andere Schutzmechanismen zur Begrenzung des Wechselkursrisikos vorhanden sind. Die aktuelle Haltung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bestärkt zwar die Rückerstattungsansprüche von Verbraucher:innen, die einen Fremdwährungskredit aufgenommen haben, vernachlässigt dabei aber systemische Risiken für ausgebende Banken. Regional könnten somit Rückerstattungsfälle zu Bankinsolvenzen führen. 

In Osteuropa haben Fremdwährungskredite den Hypothekenmarkt seit Anfang der 2000er Jahre dominiert. Laut machen Stimmen liegt das daran, dass das Konzept einer Hypothek für die Osteuropäer:innen relativ neu sei. Andere sagen, die Verbraucher:innen dachten, ihre Länder würden bald dem Euro beitreten. Laut einer EZB-Statistik aus dem Jahr 2023 machen Fremdwährungskredite immer noch einen beträchtlichen Teil der gesamten Kredite in den osteuropäischen Ländern aus: etwa 20 Prozent aller Kredite in Polen und der Tschechischen Republik, etwa 25 Prozent in Ungarn und Bulgarien, und etwa 33 Prozent in Rumänien. In Polen und Rumänien dominieren Freundwährungskredite nach wie vor bei den Verbraucherkrediten. Die wichtigsten Fremdwährungen sind der Euro und der Schweizer Franken.

Systemische Auswirkungen der Fremdwährungskredite

Viele der Fremdwährungsdarlehen wurden unter standardisierten Vertragsbedingungen der Banken (AGB) vereinbart. Als die Heimatwährungen dramatisch abwerteten, gerieten Verbraucher:innen in ernsthafte Schwierigkeiten bei der Rückzahlung ihrer Kredite und brachten diese Fälle vor Gericht. Nationale Gerichte begannen, Fremdwährungskredite für ungültig zu erklären, weil sie sie nach nationalen Vorschriften, die die EU-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen anwenden, für missbräuchlich halten. 

Sobald der Vertrag für nichtig erklärt wird, müssen die Richter:innen entscheiden, was die ehemaligen Vertragsparteien einander an Rückerstattung schulden. Im Prinzip versuchen sie, die Situation so herzustellen, als hätte der Vertrag nicht existiert. Bei einem Fremdwährungsdarlehen ist dies keine leichte Aufgabe, da nicht klar ist, welche Beträge zu welchem Wechselkurs fällig sind. Darüber hinaus ist nicht klar, welche zusätzlichen Zahlungen beide Seiten geltend machen können, wie zum Beispiel entgangene Investitionsmöglichkeiten. Dieses Problem hat auch eine systemische Seite, da die Einzelheiten solcher Rückerstattungsansprüche zum Konkurs einer oder mehrere systemrelevanter Banken in Polen führen könnten. 

Zwar handelt es sich hierbei grundsätzlich um Fragen des nationalen Zivilrechts, insbesondere des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung, jedoch ist der Ursprung der Frage europäisch, da sich die Nichtigkeit aus der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ergibt. Daher müssen Rückerstattungsansprüche mit den Vorgaben des EU-Rechts in Einklang stehen.

Dieser Leitfaden kann aus den Grundsätzen des EU-Rechts für missbräuchliche Vertragsklauseln abgeleitet werden, einschließlich der Grundsätze der Privatautonomie, der Gleichheit der Verbraucher:innen (nicht der Überlegenheit), von Treu und Glauben und Fairness, sowie des Verbots der Benachteiligung. Weitere Anhaltspunkte ergeben sich aus der Wohnimmobilienkreditrichtlinie, die ausdrücklich Fremdwährungskredite zulässt, solange die individuelle Wahl der Verbraucher:innen und seine Informationsautonomie gewahrt bleiben. Auch die Bewertung der Kreditwürdigkeit der Verbraucher:innen und die nationalen Sanktionsregelungen zeigen, dass es keinen Kredit ohne Zinsen gibt. Selbst in Fällen falscher Bonitätsbewertungen erhalten die Banken einen marktüblichen Mindestzinssatz. Außerdem gilt die Wohnimmobilienkreditrichtlinie laut EuGH in der Rechtssache Schyns auch rückwirkend und außerhalb ihres Anwendungsbereichs.

Der beste und fairste Weg, um Verbraucherdarlehensnehmer:innen standardisierter Fremdwährungskredite im Nachhinein zu stärken, bestünde also darin, ihnen die Wahl zwischen verschiedenen Angeboten zu lassen, die sie zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hätten haben können. Auf diese Weise würden die oben genannten Grundsätze mit dem Informationsparadigma vereinbart werden, das im Mittelpunkt des EU-Verbraucherrechts steht.

Rückerstattungsansprüche: Auswirkungen auf Banken und Verbraucher:innen

Auf die Frage eines polnischen Gerichts nach Rückerstattungsansprüchen in der Rechtssache Arkadiusz Szcześniak gegen Bank M. SA nahm der EuGH eine starre und formale Haltung ein, die Kreditnehmer:innen privilegiert und Banken benachteiligt. Der EuGH stellte fest, dass das EU-Recht die nationalen Rechtsvorschriften nicht daran hindert, Kreditnehmer:innen zusätzliche Rückerstattungsansprüche (z. B. für entgangene Investitionsmöglichkeiten) zu gewähren. Stattdessen sind die Banken nur berechtigt, die an die Verbraucher:innen gezahlten Beträge zuzüglich der gesetzlichen Zinsen ab dem Zeitpunkt zurückzufordern, zu dem sie die Beträge einfordern. Für die faktischen Kredite, die sie über Jahre hinweg gewährt haben, dürfen die Banken keine Zinsen erhalten. Der EuGH legt die Richtlinie über missbräuchliche Vertragsklauseln so aus, dass Banken, die missbräuchliche Vertragsklauseln verwenden, bestraft werden. Während dieses EuGH-Urteil zunächst eindeutig zu sein scheint, werden die Einzelheiten davon abhängen, wie die nationalen Gerichte die Entscheidung im Einzelfall umsetzen.

Der EuGH scheint das ausgewogene Prinzip der Gleichheit der Verbraucher:innen (nicht der Überlegenheit) durch ein Prinzip der Bestrafung von Unternehmen ersetzt zu haben. Auffallend ist, dass der EuGH Systemrisiken für das Bankensystem als Argument in einem solchen Fall von missbräuchlichen Vertragsklauseln verworfen hat. Während der EuGH in der Regel einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt und alle einschlägigen EU-Rechtsvorschriften berücksichtigt, schienen in diesem Fall weder die Wohnimmobilienkreditrichtlinie noch die detaillierten EU-Vorschriften zur Finanzaufsicht von Bedeutung zu sein. Es wird nun an den nationalen Gerichten liegen, über alle einzelnen Rückerstattungsfälle zu entscheiden, die in der Summe noch zu einer regionalen Bankenkrise führen könnten.


Nikolai Badenhoop ist promovierter Jurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter im SAFE-Forschungscluster Law & Finance.

Blogbeiträge repräsentieren die persönlichen Ansichten der Autor:innen und nicht notwendigerweise die von SAFE oder seiner Mitarbeiter:innen.