Das Europäische Parlament und der Europäische Rat konnten sich am Ende Juni auf das EU-Bankenpaket einigen. Bei diesem Reformpaket handelt es sich um die Umsetzung der Basel-III-Vereinbarung, die wesentliche Vorschriften für die Eigenkapitalausstattung von Banken im Euroraum enthält und die zwischen 2025 und 2026 in Kraft treten soll. Der Einigung zwischen Europäischem Parlament und Rat ging ein mehrjähriger Prozess voraus, der im Oktober 2021 mit einem Vorschlag der Europäischen Kommission startete.
Bei der Berechnung von benötigtem Eigenkapital haben Banken die Möglichkeit von Standardmodellen abzuweichen, indem sie eigene statistische Modelle verwenden. Diese internen Modelle müssen regelmäßig aktualisiert und von der Bankenaufsicht überwacht werden. Da diese Modelle allerdings hochkomplex sind, wurde im EU-Bankenpaket zusätzlich ein Output Floor eingeführt. Dieser zielt darauf ab, mögliche Abweichungen zwischen dem internen Modell und dem Standardansatz zu verringern. Banken, die interne Modelle verwenden, müssen daher nun ebenfalls ihre Eigenkapitalvorschriften mittels des Standardansatzes berechnen.
Mittels interner Modelle berechnetes Eigenkapital muss ab 2025 nun mindestens 50 Prozent (bis 2030 sukzessive 72,5 Prozent) des nach dem Standardansatz berechneten Eigenkapitals betragen. Die Gesetzveränderung betrifft demnach ausschließlich Banken, die aktuell auf interne Modelle zurückgreifen und deren Berechnungsergebnisse stark von dem des Standardansatzes abweichen.
Neubewertungen risikogewichteter Aktiva spürbar bei Immobilien und Unternehmenskrediten
Im Bereich Kreditrisiko und den einhergehenden risikogewichteten Aktiva („Risk-Weighted Assets“, RWA) wird es mit dem EU-Bankenpaket zu weitreichenden Neubewertungen kommen. Diese werden besonders spürbar im Bereich Immobilien und Unternehmenskredite ohne Kreditrating sein. Für Projektentwicklungen im Bereich Gewerbeimmobilienfinanzierung muss beispielsweise zukünftig 150 Prozent Eigenkapital unterlegt werden.
Auch wenn der Output Floor nur einen Teil der Banken betrifft, so führt er doch ausschließlich zu höheren Eigenkapitalanforderungen. Änderungen im Kreditrisiko werden in der Summe ebenfalls zu Eigenkapitalerhöhungen führen, auch wenn hier je nach Geschäftsmodell einer Bank gegenteilige Effekte möglich sind. Die Europäische Bankenaufsicht (EBA) veröffentlichte hierzu erste Schätzungen und geht von einer notwendigen Eigenkapitalerhöhung von 15 Prozent im Durchschnitt aus. Dabei tragen Großbanken eine deutlich höhere Last als kleinere Banken, unter anderem da Großbanken vermehrt auf interne Modelle setzen und somit stärker vom Output Floor betroffen sind.
Diese Erhöhung bedeutet jedoch nicht zwangsweise, dass Kreditkosten explodieren und die Realwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen wird. Erstens übererfüllen viele Banken aktuell ihre Eigenkapitalanforderungen, sodass eine Erhöhung nicht zwangsläufig zu einem erhöhtem Kapitalaufwand der Bank führt. Zweitens bestehen zahlreiche Ausnahmemöglichkeiten. Erst die Praxis wird zeigen, wie hoch die Eigenkapitalanforderungen tatsächlich steigen werden. Drittens gibt es zusätzliche Übergangslösungen bis zum Jahre 2032, sodass es sich hier selbst im Falle eines Anstiegs von Kreditkosten nicht um ein einmaliges Ereignis handelt, sondern um eine Verteilung über sieben Jahre.
Eigenkapitalanforderung sind traditionell zwar der Kern des Regulierungsrahmens, mit dem Ziel ein resilienten Bankensystem zu erreichen, doch haben diese Anforderungen einige Einschränkungen.
Illiquidität als größter Risikofaktor für Banken
Zum Ersten ist das Regelwerk für Eigenkapitalanforderungen mit der Zeit immer komplexer geworden. Man hat Schwachstellen erkannt und daraufhin immer wieder die Anforderung nachgebessert, ohne dabei auch Vereinfachungen vorzunehmen. Mittlerweile ist das Regelwerk nur noch schwer zu durchschauen und der Aufwand für die Banken, die Regeln einzuhalten, wird immer größer.
Zweitens können Kapitalanforderungen nur ein Baustein der Bankregulierung sein. Das wahrscheinlich größte Risko für Banken ist nämlich nicht die Insolvenz, sondern die Illiquidität. Auch solide Banken können in Schieflage geraten, wenn Sichteinlagen in großem Umfang abgezogen werde und nicht genügend Liquidität vorgehalten wird. Deswegen ist die Liquiditätsregulierung nach Basel III eine sehr wichtige Komponente, die die Kapitalregulierung komplementiert.
Drittens ist das Eigenkapital einer Bank nur dann ein wirklicher Puffer, wenn die Aktiva einer Bank von hoher Qualität sind. Die Regulierung versucht dies mit der Risikogewichtung verschiedener Aktiva abzudecken. Aber hier hinkt die Regulierung oft der Realität hinterher, wie die jetzigen Nachbesserungen zeigen. Und trotzdem gibt es weiterhin offensichtliche Schwachstellen, wie die Abwesenheit von Kapitalanforderungen für Staatsanleihen. Das Beispiel der Silicon Valley Bank zeigt, dass eine Bank mit einer soliden Eigenkapitalquote schnell insolvent werden kann, wenn man sich mit Staatanleihen und Hypothekenkrediten einem hohen Zinsrisiko aussetzt.
Allerdings hat die Situation im März auch gezeigt, dass das aktuelle Regelwerk das Bankensystem in Europa gut reguliert. Weder die Schwierigkeiten bei der Silicon Valley Bank noch bei der Credit Swiss haben das System als Ganzes gefährdet, Doch das ist kein Grund sich zurückzulehnen. Es wird auch in Zukunft weitere Verbesserungen der Bankregulierung geben müssen.
Florian Heider ist Wissenschaftlicher SAFE-Direktor und Professor für Finance an der Goethe-Universität Frankfurt.
Dieser Beitrag ist in der Zeitschrift „Betriebs-Berater“ (BB 35/2023, Die Erste Seite) veröffentlicht worden, die in der dfv Mediengruppe erscheint. Die Zweitverwertung erfolgt mit ihrer freundlichen Genehmigung.
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