Die Europäische Zentralbank (EZB) und der Europäische Ausschuss für systemische Risiken (European Systemic Risk Board, ESRB) haben im Dezember 2023 den gemeinsamen Klimabericht veröffentlicht, der drei Rahmenwerke enthält, mit deren Implementierung eine effektive makroprudenzielle Politik mit Blick auf Klimarisiken gewährleistet werden soll. Der Bericht fasst die institutionsübergreifende und interdisziplinäre Projektarbeit der vergangenen vier Jahre zusammen.
In einem Policy Web Seminar, das das Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE gemeinsam mit dem Centre for Economic Policy Research (CEPR) Research Policy Network (RPN) on European Financial Architecture am 12. März veranstaltete, stellten mit Paul Hiebert, Stephan Fahr, Fabio Tamburrini und Laura Parisi vier leitende Personen des EZB-Projektteams die Ergebnisse des Klimaberichts vor. Die Stellvertretende Wissenschaftliche SAFE-Direktorin und Leiterin der SAFE-Forschungsabteilung „Financial Markets“ Loriana Pelizzon moderierte die Veranstaltung und bezeichnete das Dokument als „sehr ambitioniert“.
Die Analyse habe gezeigt, dass Bankenkredite häufig in Sektoren mit hohen Emissionen gehen. Klimarisiken seien aber zu unterbewertet sowie unzureichend versichert, was auch die Ansteckungsgefahr erhöhe und somit systemisch werden könne, erklärte Fahr die Exposition von Finanzinstituten gegenüber Klimarisiken. Auch Kreditnehmende und Finanzintermediäre, die keine Banken sind, müssten berücksichtigt werden. Bei Haushalten zeige sich: Ein Großteil von Hypothekenkreditnehmenden im Euroraum sind CO2-emittierende Haushalte.
Makroprudenzielle Maßnahmen zur Bewältigung umweltbedingter Stabilitätsrisiken
Der im Klimabericht vorgelegte Rahmen unterteilt sich in drei Kategorien. Die erste Kategorie umfasst klimabedingte Überschwemmungen und Dürrephasen sowie andere klimabedingte Schocks, die zunächst analysiert werden. Dazu zählen weiter Transformationsrisiken, die Unternehmen auf dem Weg zum klimaneutralen Wirtschaften tragen, etwa durch die Energiewende und solche Risiken, die zu plötzlichen Neubewertungen von Vermögenswerten führen könnten.
Weiter enthält die erste Kategorie die Beobachtung und Messung von Klimaschocks, die Stephan Fahr im Policy Web Seminar vorstellte. Zusammen mit seinem Team hatte er dafür zahlreiche Indikatoren zusammengetragen, die den Einfluss von Klima- und Umweltfaktoren auf die Finanzstabilität bewerten „Die Zusammenführung dieser Indikatoren im Projektteam ist eine einzigartige Gelegenheit, der Branche einen starken Impuls zu geben”, sagte Fahr. Paul Hiebert bestätigte: „Das gab uns die Möglichkeit, effektiv Modelle, Daten und Expertise zusammenzuführen.“
„Institutionen können nicht alle Externalitäten berücksichtigen“
Bestehende Maßnahmen wie der EZB-Klimastresstest oder die Anforderungen zum Management klima- und umweltbezogener Risiken können durch zielgerichtete und skalierbare makroprudenziellen Maßnahmen ergänzt werden. Diese Maßnahmen bilden die zweite Kategorie im EZB-ESRB-Klimabericht. Ein makroprudenzieller Rahmen sei notwendig, um die vielen Unsicherheiten bei klima- und umweltbezogenen Risiken einzukalkulieren, unterstrich Hiebert: „Institutionen können nicht alle Externalitäten im Zusammenspiel zwischen ihnen selbst und ihrem weiteren Finanzumfeld berücksichtigen.“
Fabio Tamburrini betonte, dass es eines holistischen Ansatzes bedarf und angesichts der globalen Problematik des Klimawandelns auch ein einheitliches Vorgehen in der EU wichtig sei. Dabei seien die national zuständigen Behörden und Institutionen gefordert: „Die Operationalisierung aller Optionen in der EU ist bereits innerhalb des aktuellen Aufsichtsrahmens möglich“, so Tamburrini.
Laura Parisi, die die Arbeitsgruppe zur dritten Kategorie im Rahmenwerk leitete, das sich mit weiteren Umwelteinflüssen auf die Finanzstabilität befasst, gab einen Ausblick, welche Themen und Herausforderungen künftig bei Risikobewertungen beachtet werden sollten: „Gerade in dieser Kategorie konnten wir eine eher experimentelle Herangehensweise wählen“, sagte Parisi, „das Thema ist für Zentralbanken relativ neu.“ So habe das Projektteam Strategievorschläge für diese Themen ausgearbeitet, wie mit künftigen naturbezogenen Risiken umgegangen werden kann.