Um die europäische Wirtschaft wieder zu beleben und die Preise mittelfristig stabil zu halten, verfolgt die Europäische Zentralbank (EZB) seit Juni 2014 eine Politik negativer Zinsen. In einer SAFE Policy Lecture am 24. Oktober 2016 beleuchtete Andreas (Andy) Jobst, Berater des Geschäftsführenden Direktors und Finanzvorstand der Weltbankgruppe, die Wirksamkeit dieser viel diskutierten Maßnahme.
Jobst präsentierte den Zuhörern zunächst empirische Belege dafür, dass die Negativzinspolitik ein notwendiger Schritt der EZB (und anderer Zentralbanken) gewesen sei, der durch eine effektive Übertragung der Zinspolitik auf die Geldmärkte zu einer moderaten Kreditausweitung und einer verbesserten finanziellen Lage in Europa beigetragen habe. Die Tatsache, dass es bis heute nicht zu einem Horten von Bargeldbeständen gekommen sei, deutete Jobst als Zeichen dafür, dass die kurzfristigen nominalen Zinssätze immer noch über dem (negativen) unteren Grenzwert liegen und die Null-Prozent-Untergrenze weniger bindend sei als von vielen Ökonomen zunächst angenommen.
Neben den positiven Effekten für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sei die Negativzinspolitik der EZB allerdings auch mit Kosten verbunden, da sie die Profitabilität der Banken durch gesunkene Kreditmargen schwäche. Kreditmargen sinken, wenn sich die Preise für Kredite schneller anpassen als die eher „rigiden“ Einlagenzinsen – ein Faktor, der besonders auf Länder wie Spanien oder Italien zutrifft. Laut Jobst hätten die Banken durch verbesserte Kreditkonditionen den Profitabilitätseinbruch bisher abschwächen können. Mittelfristig könne das zukünftige Kreditwachstum allerdings zu schwach sein, um einen starken Profitabilitätseinbruch weiterhin zu verhindern.
Um diesen komplizierten Trade-off auch theoretisch nachzuvollziehen, stellte Jobst ein DSGE-Modell mit rigiden Einlagenzinsen vor. Durch die Simulation von verschiedenen Szenarien unterschiedlicher geldpolitischer Übertragungsraten und Einlagenrigidität, kommt das Modell zu dem Ergebnis, dass die Negativzinspolitik in allen Szenarien eine positive Gesamtwirkung mit sich bringt. Kurzfristig könnten diese positiven Effekte durch „rigide“ Einlagenzinsen allerdings stark geschwächt werden, da diese in der kurzen Frist entweder zu einer sinkenden Bankenprofitabilität oder zu einer schlechteren Transmissionswirkung der Geldpolitik führten.