19 Oct 2016

IWF: Aktueller Ausblick für die Weltwirtschaft

Am 13. Oktober sprach Jeffrey Franks, Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Europa und ständiger Vertreter des IWF bei der EU, über die IWF-Prognosen hinsichtlich aktueller Entwicklungen und Herausforderungen in der Weltwirtschaft. Die Präsentation fand im Anschluss an die gemeinsame Jahrestagung von IWF und Weltbank statt, die vom 7.-9. Oktober in Washington DC abgehalten wurde. Franks sprach auf Einladung von Uwe Walz, Direktor des Forschungszentrums SAFE.

Stand der Weltwirtschaft

Laut Franks ist die Weltwirtschaft nach wie vor mit den Problemen und Herausforderungen konfrontiert, die durch die Finanzkrise in den Jahren 2007-08 ausgelöst wurden. Er fasste den Standpunkt des IWF bezüglich der Entwicklung der Weltwirtschaft mit den Worten von IWF-Chefin Christine Lagarde zusammen: „Das Wirtschaftswachstum war zu lange zu niedrig und ist zu wenigen Menschen zugutegekommen.“ Das Wachstum der Weltwirtschaft ist gemessen an historischen Maßstäben nach wie vor vergleichsweise niedrig, insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Weltwirtschaft in den vergangenen Jahren aus einer Rezession gekommen ist. Nach Rezessionen war das Wirtschaftswachstum in der Vergangenheit immer besonders stark, nicht so jedoch in den Jahren seit der Finanzkrise. Dieses anhaltend schwache Wachstum der Weltwirtschaft wurde von Ökonomen und Kommentatoren jüngst als „säkulare Stagnation“ oder „die neue Mittelmäßigkeit“ bezeichnet. Franks wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das BIP der Eurozone erst in diesem Jahr wieder das Niveau von vor der Finanzkrise erreicht hat. Für Italien prognostiziert der IWF gar, dass das BIP erst im Jahr 2025 wieder das Vorkrisen-Niveau erreichen wird.

Industrieländer

Der IWF hat die Prognose für das US-Wirtschaftswachstum auf 1.6% nach unten korrigiert. Obwohl sich die durch die Brexit-Abstimmung verursachten Probleme auf den Finanzmärkten zunächst in Grenzen gehalten haben, prognostiziert der IWF laut Franks erhebliche negative Auswirkungen des Brexit auf das Wirtschaftswachstum in Großbritannien im Verlauf der nächsten zehn Jahre. Hauptursache hierfür sind die erheblichen Herausforderungen bei den Neuverhandlungen bilateraler Handelsabkommen, welche lange Zeit in Anspruch nehmen werden. Zusammengefasst geht der IWF für die Industrieländer eher von einer mittelmäßigen wirtschaftlichen Entwicklung aus, was vor allem auf das prognostizierte mäßige Wachstum in den USA zurückgeführt wird.

Schwellenländer

Hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung in den Schwellenländern sprach Franks von guten und schlechten Nachrichten. Positiv zu bewerten seien laut Franks die Aussichten in Brasilien, wo die Wirtschaftskrise den IWF-Prognosen zufolge einen Tiefpunkt erreicht hat und die Wirtschaft auf einen Wachstumspfad zurückkehren wird. Ebenso prognostiziert der IWF, dass die Risiken einer negativen Entwicklung der chinesischen Wirtschaft geringer sind als noch vor kurzem angenommen. Weniger positiv sei dagegen die Entwicklung in Afrika, Mexiko und den ärmsten Ländern, für die der IWF seine Wirtschaftsprognose nach unten korrigiert hat.

Politische Risiken

Generell ist die Weltwirtschaft laut IWF weiterhin erheblichen Risiken ausgesetzt, wobei die Herausforderung vor allem in der Art der Risiken besteht. Franks erläuterte, dass rein wirtschaftliche Risiken tendenziell zurückgingen, während politische Risiken hingegen zunähmen. Hier verwies Franks vor allem auf den Brexit und den Aufstieg populistischer politischer Strömungen in den meisten westlichen Ländern. Der Anstieg der Einkommensungleichheit in vielen Ländern könnte laut Franks einer der Gründe für den Aufstieg populistischer Bewegungen sein, welche die Maßnahmen traditioneller Wirtschaftspolitik ablehnen. Des Weiteren verwies Franks auf die Flüchtlingskrise in Europa und die geopolitische Krise in der Ukraine als weitere politische Risiken für die Weltwirtschaft.

Risiken im Finanzsektor

Als abschließenden Risikofaktor erwähnte Franks noch die Lage des Finanzsektors in Europa. Nach Ansicht des IWF sind die Banken in vielen europäischen Ländern nach wie vor in schlechter Verfassung und das niedrige Niveau der Kreditvergabe ein wichtiger Faktor, der sich in vielen Ländern negativ auf die Realwirtschaft auswirkt. Franks sprach vor allem das Problem fauler Kredite an, die die Bilanzen vieler Banken belasten. Weiterhin betonte Franks, dass sich der IWF stark für eine europäische Bankenunion ausspricht und Maßnahmen unterstützt, welche die Kapitalausstattung europäischer Banken verbessert.

Empfehlungen des IWF

Der IWF empfiehlt laut Franks einen dreistufigen Ansatz zur Bewältigung der wirtschaftlichen Probleme, welcher fiskalische, geldpolitische und strukturelle Maßnahmen umfasst. Wichtig dabei sei laut Franks vor allem, dass diese Maßnahmen dazu beitragen, dass das Wirtschaftswachstum mehr Menschen als bisher zu Gute kommt. Hinsichtlich fiskalischer Maßnahmen erwähnte Franks mögliche Änderungen im Steuersystem, da alle Steuervorteile der letzten 20 Jahre vor allem höheren Einkommen zugutegekommen seien. Im Hinblick auf geldpolitische Maßnahmen stehe der IWF hinter der expansiven Geldpolitik der EZB. Franks wies jedoch auch darauf hin, dass die EZB nicht im Alleingang das Wirtschaftswachstum in Europa stimulieren könne. Hinsichtlich struktureller Reformen sprach Franks von der Notwendigkeit, Teile der Erwerbsbevölkerung im Hinblick auf die sich ändernde Nachfrage im Arbeitsmarkt besser aus- und fortzubilden. Franks brachte das Beispiel des Stahlarbeiters in Pennsylvania, der sich nun zur Pflegekraft oder zum Programmierer fortbilden müsse. Er räumte ein, dass es sich dabei um substanzielle strukturelle Probleme handle, deren Bewältigung eine große Herausforderung darstelle.