22 Dec 2023

Finanzstabilitätsbericht: Stille Lasten in den Zinsbüchern deutscher Banken bergen Risiko für Widerstandsfähigkeit

Expertinnen und Experten der Bundesbank beleuchten in einem SAFE Policy Web Seminar die Herausforderungen des Zinsanstiegs für das deutsche Finanzsystem

Die Europäische Zentralbank hat 2023 eine Zinswende eingeleitet, der kurzfristige Zinssatz befindet sich damit nun auf einem Rekordhoch seit 25 Jahren. Im aktuellen Finanzstabilitätsbericht der Deutschen Bundesbank wird deutlich, dass die deutschen Banken den Zinsanstieg zwar gut verkraftet haben. Ein Risiko für die Widerstandsfähigkeit bei wirtschaftlichen Herausforderungen können aber unter anderem die gestiegenen stillen Lasten in den Zinsbüchern sein.

In einer SAFE Policy Web Seminar am 6. Dezember verdeutlichten Kirstin Hubrich, Frank Heid, und Tobias Herbst (alle aus dem Zentralbereich Finanzstabilität der Bundesbank), dass die Auswirkungen der Zinswende noch nicht vollends eingetreten und deswegen nach wie vor der antizyklische Kapitalpuffer sowie der Puffer für Wohnimmobilienkredite gerechtfertigt sind. SAFE-Direktor Florian Heider moderierte die Veranstaltung.

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Die deutschen Banken konnten trotz des Zinsanstiegs ihre Profitabilität steigern, zeigte Bundesbank-Experte Frank Heid: „Das war zunächst durchaus überraschend, weil wir aus vergangenen Zinsanstiegen wissen, dass die Gewinne eigentlich fallen“, so Heid. Wenn die Einlagenzinsen steigen, steige normalerweise zunächst die Refinanzierung stärker als die Zinserträge aus dem Aktivgeschäft, erläuterte er.

Allerdings ist insbesondere der Anteil an Sparkassen und Kreditgenossenschaften mit stillen Lasten im Zinsbuch stark gewachsen. Durch unterschiedliche Bilanzierungsvorschriften haben die Institute Wertverluste nicht komplett bilanziert, sondern stille Lasten aufgebaut, da der Preis der Wertpapiere unter den Anschaffungspreis gefallen sei, erläuterte Heid. Insgesamt sei die Kapitalisierung der Banken zwar stabil, aber die Zinsanstiegseffekte sind weder im Finanz- noch im Unternehmenssektor voll angekommen. So werde der Zinsaufwand für Banken künftig steigen und es müsse auch beispielsweise mit einem steigenden Kreditrisiko im Unternehmenssektor gerechnet werden.

„Wir haben es nicht nur mit einer konjunkturellen Schwäche zu tun, sondern auch mit strukturellen Herausforderungen,“ fasste die Stellvertretende Leiterin des Zentralbereichs Finanzmarktstabilität Kirstin Hubrich die aktuellen Entwicklungen des makrofinanziellen Umfelds zusammen. Das Wirtschafts- und Finanzsystem befinde sich in einer in einer Zinsanstiegs- und Transitionsphase, die durch deutlich gestiegene Preise und Zinsen gekennzeichnet ist.

Risikofaktor Gewerbeimmobilien

Mittelfristig erwarte man im Unternehmensbereich mehr Insolvenzen und steigende Kreditrisiken, ging Tobias Herbst auf die Risikofaktoren aus der Realwirtschaft ein. Ein leichter Anstieg von Insolvenzen sei bereits zu erkennen, besonders im Immobiliensektor: „Dieser Sektor ist deshalb wichtig, weil ungefähr ein Drittel aller Unternehmenskredite des deutschen Bankensektors an diesen Sektor Grundstücks- und Wohnungswesen ausgereicht werden.“ Insbesondere auf Gewerbeimmobilienmärkten müssten in den nächsten drei Jahren viele Kredite refinanziert werden, da sie häufig kürzere Zinsbindung aufweisen. Gleichzeitig sinken die Immobilienpreise, was den Sektor doppelt belaste, so Herbst. Hier könnte es zu vielen Kreditausfällen kommen, die den Bankensektor belasten werden.