21 Feb 2023

Eine europäische Kapitalmarktunion für die Transformation der Wirtschaft

Bei ihrem diesjährigen Wirtschaftsgipfel diskutierten die Leiter der Leibniz-Wirtschaftsforschungsinstitute über die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland

Die Folgen des russischen Überfalls auf die Ukraine und die Auswirkungen der Coronapandemie sind in Deutschland wirtschaftspolitisch noch immer zu spüren. Hohe negative prognostizierte Raten des Wirtschaftswachstums trübten in der Vergangenheit den Ausblick auf den diesjährigen Winter.

Beim diesjährigen Leibniz-Wirtschaftsgipfel am 14. Februar 2023 schätzten die Teilnehmer den Blick etwas optimistischer ein und taxierten das Wachstum auf etwa Null. Besonders fokussierten sich die Leiter der sieben Wirtschaftsforschungsinstitute unter dem Dach der Leibniz-Gemeinschaft in ihrer Diskussion auf die Frage, wie Europa gemeinsam auf die Folgen reagieren und wirtschaftlich stark gegenüber China und den USA auftreten kann.

„Wir werden im nächsten Jahr eine Rezession sehen, da die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank erst einmal Zeit brauchen, bis sie ihre Wirkung erreichen“, erklärte Florian Heider, Direktor des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE. Die Transformation der Wirtschaft müsse langfristig finanziert werden, argumentierte Heider, denn häufig wurden Subventionen bis jetzt mit günstigem Zentralbankgeld finanziert, dies sei aber auf lange Sicht nicht förderlich für die Gesamtwirtschaft.

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„Ich sehe großes Potenzial für Europa, das noch nicht ausgeschöpft wurde: die Kapitalmarktunion. Leider wurden in den vergangenen Jahren wenige Vorschläge dazu umgesetzt, da diese im Moment keine Priorität auf der politischen Agenda haben,“ so der SAFE-Direktor weiter. Die gemachten Vorschläge sollten nicht in Vergessenheit geraten, um die Transformation der Wirtschaft zu finanzieren und sie konkurrenzfähig im Vergleich zu Wirtschaftsnationen wie China und den USA zu gestalten.

Auch Achim Wambach, Präsident des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim, zeigte auf, dass ein Wandel nicht allein durch Subventionen finanziert werden könne. „Momentan befinden wir uns schon in einer Transformation. Wir wissen aber noch nicht, wie welche Unternehmen aus dieser herauskommen“, sagte er. „Weitere Subventionen für Unternehmen sind allerdings problematisch, da sie immer nur einen Teil der Lieferkette aufgreifen und durch intelligentere Marktlösungen abgelöst werden sollten, um uns bei der Finanzierung der Transformation zu helfen.“

Ein Wettlauf der Subventionen

Einen drohenden Subventionswettbewerb sieht Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin als besonders kritisch. Die Politik müsse sich darauf fokussieren, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen, denn „wir befinden uns in diesem Jahr an einem Wendepunkt. Die Europäische Union und die Bundesregierung müssen entscheiden, wie sie den USA und dem ‚Inflation Reduction Act of 2022‘ gegenübertritt, um nicht in einen Subventionswettlauf zu geraten.“ Zudem würden allgemeine staatliche Unterstützungen die Gefahr bergen, dass auch fossile Energieträger unnötigerweise gefördert würden.

Um diesen Wettbewerb aufzuhalten, führte Stefan Kooths, Vizepräsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW) als Argument ins Feld: „Es ist absurd, neue energieintensive Branchen wie die Batterieproduktion mit Staatsgeld nach Deutschland zu locken.“ Denn: Subventionen dieser Art seien aufgrund ihrer Verschiebungswirkung nicht nachhaltig gedacht.  

Europäische Kooperation ist maßgeblich

Um die deutsche Wirtschaft auch nachhaltig aufzustellen, erklärte ifo-Präsident Clemens Fuest, dass die Kapitalmärkte auf der einen Seite zwar in der Lage seien, Geld für die Transformation zu liefern, die Politik sich andererseits aber auf Grundaufgaben konzentrieren sollte, denn der europäische Binnenmarkt würde momentan massiv vernachlässigt. „Wir werden nur dann als Industriestandort mithalten können, wenn wir für mehr Wettbewerb sorgen.“ Dies könne mit dem Ausbau des europäischen Binnenmarktes und der Schaffung einer Kapitalmarktunion gelingen, die für die Politik wieder in den Vordergrund rücken müssen.

Die momentane Konjunktursituation bessere sich allerdings nur dann, wenn Preissignale erhalten blieben, führte Reint Gropp, Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), an. „Der Staat sollte nicht an den Preisen drehen, um den Weg der Transformation noch steiniger zu machen.“ Vielmehr sieht er die Wichtigkeit, die Forschung in Deutschland im Allgemeinen zu unterstützen, um neue Strukturen zu fördern und alte nicht künstlich durch Subventionen zu erhalten.

Abschließend argumentierte Thomas Bauer, Vizepräsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) Essen, dass zusätzlich zu einem gemeinsamen europäischen Ansatz mehr Werbung für den Wirtschaftsstandort Deutschland gemacht werden müsse, sodass auch das notwendige Arbeitskräftepotenzial nicht verloren ginge.