13 Dec 2013

Donal Donovan zeichnet die Geschichte der Finanzkrise nach – und räumt mit einigen Mythen auf

Donal DonovanAm 9. Dezember 2013 gab Donal Donovan, außerordentlicher Professor an der Universität von Limerick und Gastprofessor am Trinity College, einige Einblicke in die irische Finanzkrise einschließlich der Defizite in der Architektur der Eurozone sowie der umstrittenen Garantie der irischen Regierung für Verbindlichkeiten des Bankensystems. Die Rede war Teil der Vortragsreihe des SAFE Policy Center.

Donovan arbeitete ab 1977 beim IWF und ging dort 2005 als stellvertretender Direktor in den Ruhestand. Er war Mitglied zweier Untersuchungsausschüsse zur Ursachenforschung der irischen Finanzkrise und wurde Mitte 2011 in den irischen Fiskal-Beratungsausschuss berufen. Als Co-Autor des kürzlich veröffentlichten Buches „The Fall of the Celtic Tiger: Ireland and the Euro Debt Crisis” (Oxford University Press), erklärte Donovan dass die aktuellen Finanzturbulenzen in Irland als eine „Geschichte von vier miteinander zusammenhängenden Krisen“ gesehen werden können. Die erste Krise war eine Immobilienkrise, die 2007 mit dem Platzen der ab 2002 gewachsenen Immobilienblase einsetzte. Die zweite Krise war eine Bankenkrise, die aufkam, als die unkontrollierte Darlehensgewährung aus dem Ausland, die auf dem Weg zur globalen Finanzkrise gängige Praxis gewesen war, zu einem abrupten Ende kam. Dies trug in hohem Maße zu Liquiditätsproblemen bei und schließlich zur vollständigen Insolvenz mehrerer irischer Banken. Bei der dritten Krise handelte es sich um eine Haushaltskrise, die entstand, als der starke Anstieg der öffentlichen Ausgaben, der durch unnatürlich aufgeblähte Steuereinnahmen aus dem Immobiliensektor getrieben worden war, zwischen 2007 und 2008 abrupt endete. Diese Krisen führten schließlich zu der vierten, einer ausgewachsenen Finanzkrise, als die Haushalts- und Bankenprobleme die Kreditwürdigkeit des Staates zerstörten und ihm keine Alternative ließen, als um Finanzhilfe durch die Troika (Europäische Zentralbank, Europäische Kommission und Internationaler Währungsfonds) zu ersuchen.

Mit seinem Buch möchte Donovan mit einigen Mythen bezüglich der Ursachen für die oben genannten Krisen aufräumen. Seiner Meinung nach liegt die Verantwortung für Irlands hohe Verschuldung nicht vornehmlich bei den Banken. Nur ein Viertel des Anstiegs der Schuldenquote lasse sich der Rekapitalisierung der irischen Banken durch die Regierung zuschreiben, wohingegen drei Viertel den Krediten der Europäischen Union, anderer europäischer Länder sowie des IWF zur Finanzierung des irischen Haushaltsdefizits zuzuordnen seien.

Eine bedeutende Schwäche in der öffentlichen Debatte in Irland ist seiner Meinung nach, dass sie immer noch stark von den Begriffen „wir“ und „die anderen“ geprägt ist. Die Vorstellung, dass die Iren Teil der Europäischen Union sind, ist bis zum heutigen Tag noch nicht richtig angekommen. So ist zum Beispiel auch die Einstellung gegenüber der EZB in Irland eher ablehnend. Sie wird von vielen als äußerst strenger Zuchtmeister gesehen, dessen wichtigstes Ziel es sei, „Geld für rücksichtslose europäische Kreditgeber einzutreiben”. Donovan teilt diese Sichtweise nicht. Er betrachtet das Mandat und die Ziele der EZB als in der Sache richtig und wichtig, schlägt aber dennoch eine effektivere Kommunikationsstrategie vor, um Missverständnisse und kontraproduktive Reaktionen in Zukunft zu vermeiden.

Die lebhafte Diskussion im Anschluss an den Vortrag warf viele Fragen auf, zum Beispiel zur Gefahr der Entstehung neuer Blasen oder zum irischen Körperschaftsteuersystem, welches von einem der Diskussionsteilnehmer als zu unternehmerfreundlich und als nachteilig für den irischen Haushalt gesehen wurde. Zur Sprache kamen auch die Versuche, eine europäische Fiskalunion zu schaffen, welche de facto von diesem Niedrigsteuersystem behindert würden. Schließlich kam noch die Frage auf, warum es in Irland keine Streiks oder Unruhen als Reaktion auf die Einschnitte im öffentlichen Sektor gegeben habe und warum das Troika-Programm von Politikern so umfassend unterstützt würde. Donovans Antwort hierauf: die Iren seien kein „fügsames Volk”, sondern vielmehr „ein pragmatisches Volk, das gerne feiert, aber sehr genau weiß, dass am nächsten Morgen noch eine Zeche zu zahlen ist“.