28 Jun 2013

Diskussion mit EU-Parlamentariern: Herausforderungen für Europa

Fünf Abgeordnete des Europäischen Parlaments stellten sich am 28. Juni auf dem Campus Westend den Fragen von Studierenden und anderen Interessierten. Thema der vom SAFE Policy Center mitorganisierten Veranstaltung war die wirtschaftliche Entwicklung und Stabilität im Euro-Raum, die Europa vor allem durch die aktuelle Krise vor Herausforderungen stellt. Es diskutierten die Abgeordneten Dr. Udo Bullmann (SPD), Sven Giegold (Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Wolf Klinz (FDP), Jürgen Klute (DIE LINKE) und Thomas Mann (CDU) sowie Prof. Hans-Helmut Kotz (SAFE).

Die Diskussion begann mit dem Spannungsfeld zwischen Defizitabbau und Wachstum. Mann betonte, dass Konsolidierung wichtig sei, gleichzeitig aber auch Wachstum im Euro-Raum gefördert werden müsse. Mit Kaputtsparen allein komme man nicht aus der Krise. Bullmann stimmte Mann zu, kritisierte aber, dass die EU den Krisenländern die falschen Kuren verordnet habe. Die Länder, die unter dem EU-Rettungsschirm stehen, hätten heute noch mehr Schulden als vorher. Die auferlegten Reformen hemmten vor allem das Wachstum. Ein Grund hierfür sei beispielsweise, dass es zu wenige produktive Investitionen gegeben habe. Das habe letztlich auch zu dem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit im Euro-Raum geführt.

Giegold ergänzte, dass man generell ein Strukturproblem in der Währungsunion habe. Viele Länder befänden sich in einer Rezession, die sie mit Reformen auf nationaler Ebene bekämpfen müssten. Es fehle hier an einer Unterstützung durch europaweite Ausgleichsmechanismen, wie beispielsweise eine europäische Arbeitslosenversicherung. Klinz stimmte Giegold zu, wandte aber ein, dass die Mitgliedstaaten derzeit noch nicht zu einem fiskalischen Ausgleich bereit seien. Klute nannte als Beispiel die Situation in Griechenland, die eine europäische Lösung erfordere. Die Schulden Griechenlands sollten teilweise erlassen werden, aber die dafür verlangten Reformen und Bedingungen müssten auch für die Bevölkerung zumutbar sein. Die Ungleichgewichte in Europa dürften sich nicht noch weiter verstärken.

Ein weiteres diskutiertes Problem war die hohe Jugendarbeitslosigkeit und die Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung. Mann erklärte, es habe schon einige Reformen in Europa gegeben, wie zum Beispiel die Jugendgarantie oder den europäischen Sozialfonds. Bullmann entgegnete jedoch, dass die mit der Jugendgarantie verbundene Verpflichtung, allen jungen Menschen innerhalb von vier Monaten nach Ende ihrer Schulbildung oder letzten Anstellung einen neuen Job oder eine Qualifizierungsstelle anzubieten, faktisch in Europa nicht umgesetzt werde. Dies sei nur eine Als-ob-Politik. Wichtiger sei es, Zukunftsinvestitionen und Aktivitäten des Mittelstands zu fördern, denn erst wenn die Wirtschaft aus der Rezession geführt wird, würden auch wieder Arbeitsplätze geschaffen. Außerdem müssten die Mitgliedsstaaten durch entsprechende Anreize und Sanktionen verpflichtet werden, den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit auch ernst zu nehmen.

In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum ging es unter anderem um aktuelle Daten, die zeigten, dass Haushalte in Ländern Südeuropas vermögender seien als Haushalte in Deutschland. Giegold sagte, dass einzelne Menschen in Südeuropa während der Krise sehr wohlhabend geworden seien, was die Ergebnisse erklären könnte. Dieser wohlhabende Teil der Bevölkerung sollte über höhere Steuern oder Abgaben jetzt auch einen Beitrag zur Bekämpfung der Krise leisten. Klinz entgegnete, er halte neue Abgaben nicht für erforderlich. Als erstes sollten die Steuersysteme reformiert werden, denn jährlich entgingen den Staaten ca. 500 Milliarden Euro allein durch Steuerbetrug oder -optimierung. Gehe man diese Probleme nicht ernsthaft an, seien die Bürger auch nicht bereit, neue Abgaben zu leisten.

Die Diskussion wurde von Dr. Philip Plickert, Frankfurter Allgemeine Zeitung, moderiert. Veranstalter war neben dem SAFE Policy Center das Informationsbüro des Europäischen Parlaments in Deutschland.

Von links: Thomas Mann, Dr. Udo Bullmann, Hans-Helmut Kotz, Philip Plickert, Sven Giegold, Dr. Wolf Klinz, Jürgen Klute