Sollte Verbraucher:innen ein eigenes Konto bei einer Zentralbank zur Verfügung stehen, wenn Notenbanken künftig auch digitales Geld verwalten? Welche kritischen Punkte gilt es dabei zu beachten und wieso führen wir diese Diskussion derzeit überhaupt? In einem SAFE Policy Web Panel des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE beschäftigten sich Markus Brunnermeier von der Princeton University und Benoît Cœuré von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) mit eben diesen Fragen unter Moderation von SAFE Senior Policy Fellow Hans-Helmut Kotz – und darüber hinaus mit zahlreichen weiteren Aspekten, die während der Diskussion aus dem Publikum in den Raum gestellt wurden.
BIZ-Vertreter Benoît Cœuré betonte zu Beginn der Online-Veranstaltung das Tempo des technologischen Wandels, der bisher nicht nur bargeldlose und mobile Zahlungsmöglichkeiten mit sich gebracht habe. Inzwischen fänden sich auf dem Markt auch Kryptowährungen, geschlossene Plattformen und privatwirtschaftliche Währungen wie Libra des US-Branchenriesen Facebook, die noch in diesem Jahr durch die digitale Währung Diem abgelöst werden soll. „Zentralbanken haben diese Perspektive erkannt“, so Cœuré. Trotz einer zuletzt stark gestiegenen Bargeldnachfrage insbesondere im Euroraum und in China würden sich Notenbanken zunehmend darauf einstellen, dass digitales Geld eine neue Bandbreite für den Zahlungsverkehr eröffne, auch für Privatpersonen und Haushalte.
Zentralbankgeld als Stabilitätsanker
Zwar seien Einlagekonten und Zahlungslösungen für gewerbliche Kunden keine Geschäftsfelder für Zentralbanken. „Zentralbankgeld ist aber das sicherste Mittel für den endgültigen Zahlungsverkehr und damit entscheidend für die Finanzstabilität“, befand der Leiter des BIZ „Innovation Hub“. Vielmehr seien Notenbanken „kommerziell neutral“ und würden im Gegensatz zu Big-Tech-Unternehmen keinen Profit aus den Daten von Verbraucher:innen schlagen. Werde nun digitales Zentralbankgeld aufgelegt, nehme die Komplexität zu: Die Technologie sei noch nicht perfekt, die künftige Entwicklung daher unsicher bei gleichzeitiger Forderung der Menschen nach maximaler Privatsphäre. „Wir wollen ein schnelles, sicheres und offenes System, aber um all das zu gewährleisten, brauchen wir internationale Lösungen“, sagte Cœuré. Würde dabei zu lange gewartet, könnten die großen Big-Tech-Unternehmen diese Lücke füllen.
Diese Unternehmen hätten Größenvorteile mit Blick auf die Datenverarbeitung, ergänzte Markus Brunnermeier. Big Techs könnten Zahlungsangaben von Kunden:innen mit weiteren Informationen verknüpfen. „Banken können diese Prozesse in erster Linie übernehmen und damit selbst zu Plattformen werden – oder die Big Techs übernehmen auch dieses Geschäft“, so Brunnermeier. Kern des technologischen Wandels sei mithin, dass sich über Künstliche Intelligenz neue Möglichkeiten bei Verarbeitung und Einsatz großer Datensätze erschließen lassen. Das habe auch Folgen für den Finanzsektor: Big-Tech-Unternehmen kämen als neue Spieler auf dem Feld hinzu, „die Frage ist, wie wir diese Spieler regulieren“.
Die Natur öffentlich-privater Partnerschaften verändert sich
Die Marktmacht von Big Techs verändere auch die Zusammenarbeit zwischen öffentlicher und privater Seite. Während öffentlich-private Partnerschaften bisher ein duales System aus der Zusammenarbeit von Regierungen und Banken bildeten, kristallisiere sich in Zukunft ein Drei-Wege-Arrangement heraus, das neben Regierungen und Banken eben auch Big Techs und deren Plattform-Angebote miteinschließe. „Die Regierung ist hier in der Defensive“, unterstrich Brunnermeier. Der technologische Wandel gebe klassischen Fragen der Finanzpolitik einen neuen Dreh. Verschiebe sich beispielsweise eine Währung in den digitalen Raum, der wiederum von Big Techs kontrolliert wird, könnten diese Unternehmen leicht auch das Notenbanksystem und damit die Finanzstabilität kleinerer Länder maßgeblich prägen. „Libra war ein Weckruf“, verdeutlichte der Ökonom. Digitales Zentralbankgeld wiederum habe das Potenzial, staatliche Konjunkturpakete sehr viel passgenauer zu schnüren, das habe China bereits bewiesen.
Eine ganze Reihe von Wortmeldungen und Fragen aus dem Publikum knüpften an die Ausführungen der beiden Panelisten an, so etwa, ob digitales Zentralbankgeld dazu tauge, Helikoptergeld einzusetzen. Während Markus Brunnermeier die Möglichkeiten dazu durchaus gegeben sah, argumentierte Benoît Cœuré, dass „programmierbares Geld“ kein Zielzustand von digitalem Zentralbankgeld sei, dieses aber dazu tauge, die Fiskalpolitik zu unterstützen. Weitere Fragen gingen in die Richtung, wie die Digitalisierung die Veränderung der Geldpolitik weiter beeinflusst, ob digitales Zentralbankgeld Kryptowährungen attraktiver macht und wie sich die gegenwärtige historische Niedrigzinsphase auf die Einführung digitalen Zentralbankgeldes auswirkt. Einig waren sich Cœuré und Brunnermeier insbesondere in dem Punkt, dass sowohl Zeit- als auch Übergangsprobleme kritische Größen für die weitere Entwicklung des Themas seien.