„Unser Zahlungssystem im Euroraum ist modern, effizient und in privater Hand, unterliegt aber einer strengen Überwachung und Kontrolle durch die Europäische Zentralbank, die Europäische Kommission und die Gesetzgeber. Ein digitaler Euro würde dieses Gleichgewicht stören, da die EZB als Aufsichtsbehörde auch zu einer Marktteilnehmerin werden würde, die dann mit den privaten Teilnehmern konkurriert“, sagte Ignazio Angeloni, Senior Fellow am Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE, bei einer öffentlichen Anhörung vor dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments („Economic and Monetary Affairs Committee“, ECON). Dabei diskutierten Fachleute und Ausschussmitglieder über den aktuellen Stand zur Einführung digitalen Zentralbankgeldes in Europa.
Angeloni zufolge wäre eine solche Einführung gerechtfertigt, wenn es eindeutige Anzeichen für eine Fehlfunktion des derzeitigen Zahlungssystems in Europa gäbe. Aktuell sei das jedoch nicht der Fall. Die EZB sollte auf diese Eventualität vorbereitet sein, den digitalen Euro aber erst dann einführen, wenn diese Bedingungen eintreten. „Die EZB sorgt mit Zinssätzen und Refinanzierungsgeschäften als geldpolitischen Instrumenten für Preisstabilität, unabhängig von der physischen oder digitalen Form des Bargelds.“ Selbst wenn das Bargeld verschwinden würde, würde diese Stabilität als „Anker des Geldes“ aufrechterhalten.
„Das Verschwinden von Bargeld ist ein Mythos“
Neue Zahlungsmethoden im täglichen Leben wie Debitkarten und Smartphone-Anwendungen seien auf dem Vormarsch, die Verwendung von Bargeld sei zwar rückläufig, bleibe jedoch wichtig, erklärte der Ökonom in seiner Stellungnahme vor dem ECON-Ausschuss. „Dass das Bargeld verschwindet, ist ein Mythos. In den vergangenen 20 Jahren haben Wert und Anzahl der Euro-Banknoten stetig zugenommen. Das Gleiche gilt für andere Währungen. Ausnahmen bilden Länder wie Norwegen und Schweden, wo die Bargeldmenge zurückgegangen ist. Was abnimmt, ist die Verwendung von Bargeld für bestimmte Transaktionen, z. B. für Einkäufe im Einzelhandel.“
Der einheitliche europäische Zahlungsverkehrsraum ermögliche über das SEPA-Verfahren gebührenfreie Überweisungen innerhalb der 20 Länder der Eurozone und darüber hinaus. US-Netze wie MasterCard und Visa wären in Europa ebenfalls verfügbar und konkurrierten mit hiesigen Anbietern. „Dieser Fortschritt wurde durch den Wettbewerb auf dem Markt unter der Aufsicht von Regulierungsbehörden, einschließlich der EZB, vorangetrieben. Ein digitaler Euro als Abklatsch der bestehenden Einrichtungen kann heute kaum einen nennenswerten Mehrwert bringen“, betonte Angeloni, der bereits im April auf Anfrage des ECON-Ausschusses eine Analyse zum Thema digitaler Euro vorgelegt hatte.