13 May 2019

„Das europäische Bankenabwicklungsregime hat gezeigt, dass es Zähne hat“

Im Bundesfinanzministerium haben Vertreter aus Politik, Finanzbranche und Wissenschaft über die Reformen der Finanzmarktregulierung diskutiert

Ist das deutsche Finanzsystem heute stabiler als vor zehn Jahren? Waren die Reformen nach der Krise erfolgreich, und welche Probleme sollte der Gesetzgeber in der Finanzmarktregulierung nun angehen? Diese und andere Fragen standen im Mittelpunkt einer Diskussionsveranstaltung im Bundesministerium der Finanzen (BMF) in Berlin Anfang Mai, bei der Rainer Haselmann und Mark Wahrenburg (beide SAFE & Goethe Universität) eine Studie zur Evaluierung der gesamt- und finanzwirtschaftlichen Effekte der Reformen europäischer Finanzmarktregulierung im deutschen Finanzsektor seit der Finanzkrise vorgestellt haben. Zusammen mit Jan Krahnen (SAFE & Goethe Universität) verantworten Haselmann und Wahrenburg die SAFE-Studie, die im Auftrag des BMF entstanden ist und Mitte März veröffentlicht wurde.

Zunächst stellte Rainer Haselmann vor rund 100 Zuhörern in kompakter Form die Ergebnisse der Evaluation dar. Insgesamt hätten die Reformen der Finanzmarktregulierung die damit verfolgten Ziele erreicht. Als Beispiel nannte er die Abwicklungsrichtlinie (Bank Recovery and Resolution Directive, BRRD), welche sich positiv auf die Marktdisziplin ausgewirkt habe. „Insbesondere für kapitalschwache Banken verlangen Fremdkapitalgeber eine ´Bail-in`-Prämie“, sagte Haselmann. Doch sei die Regulierung in manchen Bereichen zu komplex und verursache hohe Kosten. „Insbesondere kleine Banken und sehr große Kreditinstitute werden überproportional belastet“, sagte Haselmann. Mittelgroße Banken wie die Sparkassen- und Genossenschaftsbanken würden dagegen durch ihre Verbandsstrukturen profitieren. Das Finanzsystem insgesamt sei widerstandsfähiger geworden: Im Falle einer mittelschweren Krise erwartet Haselmann rund 50 Prozent geringere Kosten als vor den Reformen; im Falle einer neuerlichen starken Finanzkrise seien es rund 30 Prozent.

Der Praxistest für große Institute steht noch aus

In der anschließenden Podiumsdiskussion attestierte Mark Wahrenburg dem Gesetzgeber, nach der Lehman-Krise die richtigen Schritte eingeleitet zu haben. Im Vergleich zu der Zeit nach der Weltwirtschaftskrise von 1929, in der in Europa in der Regulierung kaum etwas passiert sei, habe der Gesetzgeber ein intensives Programm verfolgt.

Allerdings sei es noch zu früh, um neuerliche Bankenkrisen mit einer Beteiligung des Steuerzahlers auszuschließen, sagte Jörg Kukies, Staatssekretär im BMF. „Das europäische Bankenabwicklungsregime hat gezeigt, dass es Zähne hat – aber in einer guten konjunkturellen Lage“, so Kukies. Das Konzept des Bail-in könne funktionieren, doch stehe der Praxistest für große Kreditinstitute noch aus.

Bettina Stark-Watzinger (FDP), Mitglied des Bundestages und Vorsitzende des Finanzausschusses, plädierte für mehr Angemessenheit in der Bankenregulierung. „Einfache Regeln sind von Vorteil, aber nicht immer möglich“, so Stark-Watzinger. Weiterhin ungelöst seien Probleme wie der Staaten-Banken-Nexus über die Staatsanleihen oder der notleidenden Kredite in den Bilanzen vieler Kreditinstitute. Es sei wichtig, eine echte Kapitalmarktunion zu schaffen. Matthias Bergner vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) kritisierte die Fülle von Regeln mit hohen Informationskosten auch für mittelgroße Banken. „Wir kommen langsam an Grenzen, wo die Regulierung das Kreditangebot verändert“, sagte Bergner. Kukies zeigte sich dagegen optimistisch, dass es bald zu Erleichterungen für kleinere Institute kommen könnte, ohne dass das systemische Risiko dadurch steige.

Mark Wahrenburg plädierte für eine der spezifischen Bank angemessenen Regulierung. „Derzeit durchlaufen auch Banken, die beim Eigenkapital über jeden Zweifel erhaben sind, das gleiche Procedere wie schwächere Banken.“ In diesen Fällen gebe es Spielraum für Erleichterungen. Reduziert werden müsse die Zahl der Ansprechpartner in der Aufsicht für Banken, besonders mit Blick auf den europäischen Markt. „Wir müssen dringend europäischer werden“, sagte Kukies. Trotz der Bankenunion gebe es noch zu viele Sonderregeln, die den Geldfluss erschweren würden. Ziel müsse sein, das Bankgeschäft noch stärker zu europäisieren.


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