23 Mar 2022

Bankenunion – Einheitlicher Abwicklungsausschuss braucht mehr Kompetenzen

Im gesamteuropäischen Interesse sollten Abwicklungsentscheidungen über Banken vollständig bei europäischen Institutionen liegen, zeigt ein SAFE Working Paper

Bei der Abwicklung europäischer Banken, die über Ländergrenzen hinweg tätig sind, stehen oft nationale Interessen einer Lösung entgegen, die aus europäischer Sicht sozial optimal wäre. Der für die Abwicklung zuständige Einheitliche Abwicklungsausschuss („Single Resolution Board“, SRB) sollte daher nach dem Vorbild der Europäischen Kommission als Kartellbehörde mit mehr Kompetenzen ausgestattet werden, argumentieren Wissenschaftler:innen des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE in einem aktuellen SAFE Working Paper. Denn: Nicht nur die internen Entscheidungsprozesse beim SRB bieten Gelegenheit für die Durchsetzung nationaler Interessen, sondern auch das Zusammenspiel des SRB mit den nationalen Abwicklungsbehörden bei der Umsetzung von Abwicklungsplänen.

Einzelne Staaten können die europäische Bankenabwicklung v.a. über die interne Willensbildung des SRB bei zentralen Entscheidungen beeinflussen: Diese werden bei größeren Bankenabwicklungen in der Plenarsitzung des SRB getroffen, an der neben den fünf hauptamtlichen Mitgliedern des SRB auch Vertreter:innen der 19 nationalen Abwicklungsbehörden teilnehmen. Dies kann zu einem Übergewicht zugunsten koalierender Staaten im kollektiven Abstimmungsprozess führen.

Das Konfliktmanagement verbessern

„Wir plädieren daher für mehr Supranationalität mit Blick auf den gesamten Beschlussfassungsprozess des SRB, ähnlich wie bei der EU-Kommission in Wettbewerbsangelegenheiten“, sagt Tobias Tröger, Direktor des SAFE-Clusters „Law & Finance“. „Auf diesem Weg könnten Konflikte zwischen einzel- und überstaatlichen Interessen deutlich besser gelöst werden, denn eine europäische Abwicklungsbehörde müsste als autonom agierende Stelle bei ihrer Arbeit nicht mehr auf die nationalen Abwicklungsbehörden Rücksicht nehmen.“

So wie im Sinne einer vollendeten europäischen Bankenunion die letzte Entscheidungsbefugnis mit Blick auf Krisenmanagement und Einlagensicherung auf die nächsthöhere Ebene übertragen wird, ließen sich auch Fragen der Abwicklungsfinanzierung und -umsetzung zentral auf europäischer Ebene organisieren. „Die Vertreterinnen und Vertreter der national zuständigen Behörden sollten daran gehindert werden, in den Plenarsitzungen des SRB die letzte Entscheidungsbefugnis an sich ziehen zu können“, führt Tröger weiter aus. 

Ziel der Bankenunion ist es, das rechtliche Rahmenwerk der europäischen Märkte einheitlich zu gestalten und durchzusetzen. Der SRB ist Teil des Einheitlichen Bankenabwicklungsmechanismus („Single Resolution Mechanism“, SRM), der – neben dem Einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus („Single Supervisory Mechanism“, SSM) – die zweite Säule der Bankenunion ist. Der SRM regelt die geordnete Abwicklung oder Sanierung ausfallender Banken in der Eurozone. Mit der Abwicklung ist grundsätzlich der SRB betraut, der diese Zuständigkeit aber an die Mitgliedstaaten zurückgeben kann. Dies ist in der Vergangenheit häufig geschehen. Dabei ist der SRB v.a. den Verfahren aus dem Weg gegangen, in denen Mitgliedstaaten eine nationale Bankenrettung mit Staatsgeldern einer europäischen Abwicklung mit harter Verlustbeteiligung der Bankgläubiger („Bail-in“) vorzogen.


Download SAFE Working Paper No. 340 (auf Englisch)

Wissenschaftlicher Kontakt

Prof. Dr. Tobias Tröger

Direktor Forschungscluster "Law and Finance"