SAFE Finance Blog
29 Apr 2025

Von Optimismus zu Unsicherheit: Unternehmens­stimmung Anfang 2025

Alexander Hillert, Elena Munteanu: Die Analyse der Analysten­konferenzen börsen­notierter Unternehmen in Deutschland zeigt die Gründe für Optimismus und Vorsicht von Top-Führungskräften

Ein Wolkenkratzer in einem Wolkenverhangenen Himmel

Im ersten Quartal 2025 zeigte der SAFE-Index zur Manager-Stimmung ein eindrucksvolles Bild von erneutem Optimismus, gefolgt von einem Dämpfer. Der Index stieg von -0,01 auf einen bemerkenswerten Höchststand von 1,09 im März, fiel jedoch im April auf 0,61 zurück. Er erfasst das Ausmaß an Optimismus oder Pessimismus in den Führungsetagen börsennotierter Unternehmen in Deutschland anhand spezifischer Schlüsselwörter, die in Quartals- und Jahresberichten sowie in den Transkripten der Analystenkonferenzen verwendet werden.

Dieser Blogbeitrag untersucht zentrale Themen aus den Analystenkonferenzen von 116 dieser Unternehmen, die zwischen Januar und März 2025 stattfanden. Die Sprache der Führungskräfte zeigt, wie globale Handelskonflikte, innenpolitische Unsicherheit und branchenspezifische Dynamiken das Denken in den Vorstandsetagen verändert haben.

SAFE-Index zur Manager-Stimmung Anfang 2025

Der SAFE-Index zur Manager-Stimmung Anfang 2025

US-Zölle: Zwischen Lähmung und Bereitschaft

Übergreifend dominierten die wachsenden Handelskonflikte mit den USA die strategischen Diskussionen. Die Führungskräfte betonten, dass ein globaler Handelskrieg äußerst unerwünscht sei. Ein Manager formulierte es so: „Handelskriege schaden allen... es gibt keine Gewinner.“

Das größte Problem seien nicht die Zölle selbst, sondern ihre Unvorhersehbarkeit: „Die Interpretation der Zölle ist eine ständige Übung, Woche für Woche... neue Szenarien kommen heraus, neue Zahlen werden berechnet.“ Während einige Unternehmen weniger exponiert sind – „Wir produzieren lokal für den lokalen Markt“ –, räumen viele indirekte Auswirkungen auf Lieferketten und globale Preise als unausweichlich ein. Die meisten Firmen verfolgen eine vorsichtig abwartende Haltung und berücksichtigen die Auswirkungen der Zölle bewusst nicht in ihren Prognosen für 2025. Ein CFO brachte es auf den Punkt: „Ich bleibe bescheiden... täglich oder wöchentlich werden Ankündigungen gemacht, die das Bild völlig verändern können.“

Der Infrastrukturfonds weckt vorsichtigen Optimismus nach der Bundestagswahl

Während die globalen Spannungen die Prognosen verunsicherten, bot die Innenpolitik sowohl Grund zu Hoffnung als auch Frustration. Nach der Bundestagswahl im Februar äußerten Führungskräfte im ersten Quartal 2025 den klaren Wunsch nach einer raschen Regierungsbildung. Politische Stabilität sei unerlässlich, um das Vertrauen der Unternehmen wiederherzustellen und das Wirtschaftswachstum zu fördern. 

Die angekündigten Investitionen der neuen Regierung in Infrastruktur und Verteidigung wurden überwiegend positiv aufgenommen, jedoch nicht ohne Skepsis bezüglich der Umsetzung. „Dieses noch nie dagewesene Konjunkturpaket... wird das Wachstum beeinflussen... aber schlechte Nachrichten für meine Enkelkinder“, witzelte eine Führungskraft und wies auf fiskalische Bedenken hin. Strukturelle Hürden standen weiterhin im Vordergrund: „Niemand investiert, wenn man fünfmal länger braucht, um eine Genehmigung zu erhalten... wenn die Energiekosten bis zu vier- oder fünfmal höher sind.“ Der noch in den Anfängen befindliche Infrastrukturfonds wird als möglicher Katalysator gesehen – allerdings abhängig von schneller Umsetzung: „Er muss sehr schnell und energisch umgesetzt werden... aber es braucht auch strukturelle Reformen.“ Einige Führungskräfte drängten auf eine umfassendere Überarbeitung: „Überprüfen Sie die Bürokratie... überprüfen Sie das Sozialversicherungssystem... das kann nicht durch diese Sonderfonds ersetzt werden.“  

Verteidigung: Boomende Nachfrage, strategische Neuausrichtung

Die Verteidigungsbranche startete 2025 auf der Überholspur. „Wir wollen das Geschäft in den kommenden Jahren erheblich ausbauen“, erklärte ein CEO – angetrieben durch außergewöhnlich gute finanzielle Ergebnisse im Jahr 2024. Europaweit steigt die Nachfrage, und Unternehmen sind bereit, großvolumig zu liefern. Eine Führungskraft erinnert sich an die Münchner Sicherheitskonferenz: "[Die Amerikaner] sagten, ihr müsst investieren. Die USA werden euch nicht mehr schützen.“

In diesem Klima hat Erschwinglichkeit an Priorität verloren. Laut einer Führungskraft ist Qualität in Gesprächen mit europäischen Verteidigungsminister:innen jetzt das wichtigste Kriterium, gefolgt von Lieferzeiten – der Preis spielt nur noch eine untergeordnete Rolle. Die Verteidigungsunternehmen legen auch großen Wert auf die Digitalisierung als strategischen Wachstumstreiber. Gleichzeitig scheinen sich die politischen Entscheidungsträger:innen zunehmend zu engagieren: „Wir sehen einen starken Druck, die akademische Welt und die Verteidigungsindustrie zusammenzubringen, ... neue Startup-Fonds und Investitionen in F&E-Technologien zu schaffen.“ 

Technologie: KI übernimmt das Steuer

Die börsennotierten Technologieunternehmen profitieren von ungebrochener Nachfrage nach KI- und Cloud-Diensten. „Wir hatten ein Rekord-Quartal, das alle unsere Erwartungen übertroffen hat“, so eine Führungskraft. Cloud-Umsätze wachsen weiter zweistellig, während die rasante Integration von KI zusätzlichen Schwung verleiht. Gleichzeitig wird die Automatisierung von Dienstleistungen zunehmend als Wachstumstreiber gesehen, was die optimistische Branchensicht weiter stärkt. KI findet auch sektorübergreifend Anwendung – von intelligenter Bildkennzeichnung im Konsumgüterbereich bis zu KI-gestützten Assistenten im Gesundheitswesen. „Wir arbeiten an KI-Initiativen, um die Effizienz unserer Betriebsabläufe zu steigern“, sagte ein Manager aus dem Transportwesen. KI ist nicht mehr nur ein Schlagwort, sondern wird in der gesamten Wirtschaft in die Geschäftsabläufe eingebettet, was ein günstiges Umfeld für die Skalierung und Innovation von Technologieunternehmen schafft. Traditionelle Industrien hingegen bewegen sich in einem schwierigeren Umfeld – gefangen zwischen Transformation und Margendruck. 

Traditionsbranchen zwischen Wandel und Einschränkung

Für die Unternehmen des Automobilsektors war 2024 ein schwieriges Jahr – ein Wendepunkt, der durch eine laue europäische Nachfrage, ein anhaltend „unsicheres Umfeld“ und einen „scharfen Preiswettbewerb, insbesondere in China“ geprägt ist. Verbraucher wendeten sich vermehrt günstigeren Fahrzeugen zu – getrieben durch gestiegene Preissensibilität und Inflation. Für die kommenden Geschäftsjahre bleibt die Elektrifizierung die strategische Leitlinie. Viele Hersteller bauen ihr Angebot an Elektrofahrzeugen weiter aus. Parallel vollzieht sich ein leiser Wandel: Software-definierte Fahrzeuge und KI-gestützte Produktion gewinnen an Bedeutung. 

Demgegenüber beginnt sich der Immobilienmarkt zwar zu beleben, bleibt aber weit von einer vollständigen Erholung entfernt. „Wir erleben eine langsame Erholung“, bemerkte eine Führungskraft und verwies auf niedrige Arbeitslosigkeit und stetiges Lohnwachstum als unterstützende Fundamentaldaten. Sinkende Inflation und mehrere Zinssenkungen im Jahr 2024 haben die Stimmung zusätzlich aufgehellt: „Wir haben gesehen, dass sich die Aussichten mit vier Zinssenkungen verbessert haben“. Allerdings behindern strukturelle Probleme weiterhin den Fortschritt: „Die Leute ziehen nicht mehr aus... nichts kommt auf den Markt“, bemerkte eine Führungskraft und verwies auf einen durch Regulierung und Knappheit blockierten Mietmarkt. Die Stagnation behindert nicht nur die Wohnungsmobilität, sondern bremst auch Investitionen und Entwicklungen im gesamten Sektor. 

Pragmatischer Ansatz inmitten großer Ungewissheit 

Anfang 2025 konzentrieren sich die Unternehmen trotz geopolitischer Ungewissheit auf die Identifizierung von Geschäftsmöglichkeiten: „Geopolitische Entwicklungen... unterstützen uns. Die Menschen wollen unsere Beratung.“ Finanzdienstleister und Beratungsunternehmen sind bereit, aus dem Wunsch der Kunden nach Stabilität und Weitsicht Kapital zu schlagen. Viele andere Branchen bleiben jedoch vorsichtig. „Es gibt in 2025 Chancen, aber auch sehr, sehr hohe Risiken.“ Politische Volatilität, Inflation und Handelsdynamiken trüben weiterhin die Prognosen. Ein Manager formulierte es unverblümt: „Derzeit gibt es keinen Grund zur Euphorie.“ In den Analystenkonferenzen zeigen die Führungskräfte einen pragmatischen Ansatz: Risiken begrenzen, Unsicherheiten gezielt nutzen und Überdehnungen vermeiden, solange klare Signale fehlen. 


Alexander Hillert ist Co-Abteilungsleiter der SAFE-Forschungsabteilung „Financial Intermediation“ und Professor für Finanzen und Data Science.

Elena Munteanu ist Student Assistant am SAFE Data Center.

Blogbeiträge repräsentieren die persönlichen Ansichten der Autor:innen und nicht notwendigerweise die von SAFE oder seiner Mitarbeiter:innen.