Die CDU, CSU und SPD haben am 9. April ihren Koalitionsvertrag vorgestellt. Deutschlands Top-Manager:innen beobachten die Bildung der neuen Regierung aufmerksam - und mit wachsender Ungeduld.
Eine Analyse von 57 Analystenkonferenzen von Unternehmen aus der DAX-Familie, die im März für den SAFE Manager Sentiment Index ausgewertet wurden, zeigt, dass sich die Führungskräfte weniger auf spezifische politische Vorschläge konzentrieren als darauf, wie schnell und klar eine neue Regierung gebildet wird. Eine Führungskraft brachte es so auf den Punkt: „Ich hoffe sehr, dass das nicht lange dauert, damit wir schnell eine Regierung bekommen.“ Die Hoffnung ist klar: Je schneller eine funktionierende Regierung steht, desto besser für Investitionsklima und Geschäftserwartungen. Mit frischen Erinnerungen an die kürzlich gescheiterte Ampel sind die Führungsetagen vorsichtig optimistisch – doch jetzt erwarten sie Ergebnisse.
Vielleicht langweilig, aber stabil: Die Große Koalition ist willkommen
Auch wenn derzeit wenig über konkrete Inhalte gesprochen wird – die politische Grundausrichtung der künftigen Regierung spielt eine wichtige Rolle. In den Konferenzen im Zeitraum von Dezember 2024 bis Februar 2025 sprachen sich Führungskräfte für eine stabile und handlungsfähige Partnerschaft aus, die Ergebnisse liefert und sich nicht in politischen Streitereien verliert. „Die sogenannte schwarz-rote Koalition – ich denke, das ist gut, weil man dann schnell einen neuen Koalitionsvertrag aushandeln und Stabilität sowie Klarheit schaffen kann."
Diese Haltung ist nicht parteipolitisch motiviert – sie gründet auf Erfahrung. Die langjährige Präsenz beider Parteien im politischen System vermittelt ein Gefühl von Verlässlichkeit und Kompetenz. Ein Manager formulierte es so: „Es ist viel besser, mit einer Regierung über Ideen, Investitionen und den notwendigen Ausbau zu sprechen – mit einer Regierung, die die großen Parteien vertritt –, als dies mit der Opposition zu versuchen.“ Auch Friedrich Merz, voraussichtlich neuer Kanzler, wurde positiv erwähnt: „Was Merz gesagt hat, ist wirtschaftsfreundlich. Er ist industriefreundlich. Er ist für den Bürokratieabbau. [...] Ich bin da optimistisch.“
Das bestmögliche Ergebnis muss liefern
Es zeichnete sich auch eine stille Erkenntnis ab: Die deutsche Wirtschaft hat mit der Wahl wohl das bestmögliche Ergebnis bekommen – eine stabile Zweiparteienregierung in einer Zeit, in der politische Zersplitterung und langwierige Regierungsbildungen in Europa Normalität geworden sind. Diese Regierung scheint fast zum Erfolg verdammt – denn wenn sie nicht liefert, könnte sie die letzte Große Koalition mit Mehrheit sein.
Investitionen, Deregulierung und die Stimmung auf dem Markt
Neben Stabilität forderten Führungskräfte vor allem zwei Dinge: Investitionsanreize – sowohl öffentlich als auch privat – sowie eine regulatorische Entlastung. Die Führungskräfte sehen die Regierungsbildung sowohl als politischen Prozess als auch als wirtschaftliches Signal. Positive Erwartungen seien entscheidend für die Konjunktur: „Wir brauchen jetzt schnell eine neue Regierung in Deutschland, die positiv auf die Stimmung und das Investitionsklima wirkt.“ Kurz vor der Wahl sagte eine andere Führungskraft: „Kunden sind bereit, in Deutschland zu investieren – aber das hängt stark vom Wahlausgang ab.“
Regulierungserleichterungen sind erwünscht, Planungssicherheit wird gebraucht
Trotz bereits angekündigter öffentlicher Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung fordern die Führungskräfte bessere Bedingungen für privates Kapital. Die angekündigten Reformen zur Vereinfachung der privaten Altersvorsorge dürften auf Zustimmung stoßen – viele hofften, dass die neue Regierung dieses Thema erneut aufgreift.
Der Wunsch nach Bürokratieabbau ist deutlich: „Unsere Haupterwartung ist nicht, das Volumen weiter zu erhöhen, also ist die Regulierung, die wir im Moment haben, wirklich ambitioniert.“ Die Koalition kündigt einen umfassenden Abbau der Bürokratie an. Die Manager:innen scheinen sich an die Diskrepanz zwischen großen Ankündigungen und mageren Taten früherer Regierungen zu erinnern und äußerten auf den Analystenkonferenzen im März realistische Erwartungen. Eine Führungskraft warnte davor, mit sofortigen Änderungen zu rechnen: „Die Notwendigkeit einer vernünftigen Rendite im regulierten Bereich ist unabhängig von der Wahl. Das war vorher ein Problem und ist es auch danach. [...] Ich sehe da nur begrenzte Auswirkungen durch die Wahl.“ Klar wird: Die Wirtschaft will verlässliche Bedingungen für Planung und Wachstum. Entlastung ist willkommen, aber Planungssicherheit ist das eigentliche Kernanliegen.
Politik rückt ins Zentrum
Im Vergleich zu 2021 rückt die Bildung einer neuen Regierung und ihre Agenda viel stärker in den Fokus der Unternehmensführungen. In den drei Monaten vor der Bundestagswahl 2025 erwähnten 19 Prozent der Vorstände auf Analystenkonferenzen die Begriffe „Regierung“ oder „Wahl“, verglichen mit nur 8 Prozent im gleichen Zeitraum vor der Wahl 2021. Damals bezogen sich politische Aussagen meist auf Branchen wie Energie und Wohnungsbau - Bereiche, die direkt von der Regierungspolitik beeinflusst werden. Jetzt gibt es viele Interessen unter einen Hut zu bringen. Diese Verschiebung spiegelt die Stagnation der Wirtschaft seit 2023 und die globale wirtschaftspolitische Unsicherheit wider, nicht zuletzt durch Donald Trumps Wiederwahl und die Rückkehr der Handelskriege ausgelöst. Auch wenn Unternehmen in der DAX-Familie auf neue Zölle vorbereitet zu sein scheinen, ist das Interesse an weitere Unsicherheiten gering. Eine stabile Bundesregierung – selbst, wenn sie auf Kompromissen beruht – erscheint plötzlich ein dringend benötigter Anker.
Fazit: Ruhige Hände, große Erwartungen
Deutschlands Chefetagen haben keine unrealistischen Erwartungen. Sie wünschen sich eine handlungsfähige Regierung, die Stabilität bietet, pragmatisch agiert und die Rahmenbedingungen für Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit schafft. Dahinter steht die Überzeugung, dass diese Koalition – bestehend aus zwei etablierten Parteien unter einem als wirtschaftsfreundlich eingeschätzten Kanzler – das Potenzial hat, zu liefern. Doch mit dieser Hoffnung wächst auch der Druck: Jetzt, wo sie die scheinbar stabilste Möglichkeit bekommen haben, erwarten die Unternehmen Ergebnisse.
Alexander Hillert ist Co-Abteilungsleiter der SAFE-Forschungsabteilung „Financial Intermediation“ und Professor für Finanzen und Data Science.
Vincent Lindner ist Financial Policy Officer im SAFE Policy Center.
Elena Munteanu ist Student Assistant am SAFE Data Center.
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