Nach der Finanzkrise verabschiedete der damalige US-Präsident Barack Obama im Jahr 2010 den Dodd-Frank Act. Ziel des Gesetzes war es, die Regulierung der Finanzinstitutionen zu verschärfen und die Verbraucher im Falle einer neuen Krise zu schützen. Die Zeiten haben sich seitdem geändert, mit Donald Trump ist ein neuer Präsident im Amt, und anscheinend hat sich auch die amerikanische Sicht auf die Bankenregulierung verändert.
Im Juli 2018 nahm das Repräsentantenhaus den JOBS und Investor Confidence Act (JOBS Act 3.0) an. Er zielt darauf ab, das Wirtschaftswachstum zu fördern und Arbeitsplätze zu schaffen durch eine erleichterte Kreditvergabe für Unternehmen. Der JOBS Act 3.0 hat jedoch seine Schwachstellen. Der Systemic Risk Council (SRC) kritisiert das neue Gesetz und warnt davor, dass die Federal Reserve (Fed) und andere Aufsichtsbehörden wichtige Instrumente zur Minderung von Systemrisiken verlieren könnten. Der SRC ist ein privatwirtschaftliches, überparteiliches Gremium aus ehemaligen Regierungsbeamten sowie Finanz- und Rechtsexperten unter dem Vorsitz von Sir Paul Tucker. Ich zähle auch zu den Mitgliedern.
In einem Brief an den US-Senatsausschuss für Bank-, Wohnungswesen und Stadtentwicklung schreibt der SRC: "Der SRC empfiehlt Ihnen und Ihren Kollegen im Senat eindringlich, dass die Abschnitte des JOBS Act 3.0, die sich mit Abwicklungsplänen und Stresstests befassen, gestrichen oder geändert werden sollten, um sicherzustellen, dass die Finanzaufsichtsbehörden in der Lage sind, angemessen und unverzüglich auf systemische Bedrohungen zu reagieren."
Dem SRC zufolge könnten zwei der 32 Gesetzesvorhaben potentiell die Finanzstabilität schwächen. Zum einen würde der Titel „Financial Institution Living Will Improvement Title“ (Titel XII) die Fed und die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) darauf beschränken, nur einmal alle zwei Jahre Abwicklungspläne von Banken verlangen zu können. "Das ist zu unflexibel", schreibt der SRC. Fed und FDIC könnten diese Pläne nicht adäquat überprüfen und keine außerplanmäßigen Anpassungen im Falle von Änderungen des Marktumfelds, der Zusammensetzung der Unternehmen oder der Gesetzgebung vornehmen können. Eine derart konzipierte Planung könne daher hohe wirtschaftliche Kosten verursachen.
Zum anderen könnte der "Alleviating Stress Test Burdens to Help Investors Title" (Titel XV) Stresstests verwässern, da bestimmte Marktteilnehmer wie Börsenmakler, Anlageberater und Swap-Händler, die keine Banken sind, davon ausgenommen wären. Aber diese Akteure können unter ungünstigen Marktbedingungen sehr wichtig sein; sie vom Stresstest zu auszunehmen, ist daher wahrscheinlich ein gefährlicher Präzedenzfall. Gemäß Titel XV wären die Securities and Exchange Commission (SEC) und die Commodity Futures Trading Commission (CFTC) in der Lage, Vorschriften zu erlassen, um von Unternehmen zu verlangen, regelmäßig eigene Analysen ihrer Finanzlage unter ungünstigen wirtschaftlichen Bedingungen zu erstellen. SEC und CFTC wären jedoch nicht berechtigt, diese Informationen von den Unternehmen zu verlangen. Darüber hinaus würde die Fed jegliches Recht verlieren, konsultiert zu werden oder Informationen über solche Bewertungen zu erhalten. Die Fed wäre "vom Prozess völlig ausgeschlossen", wie der SRC kritisiert.
In dem Schreiben weist der SRC darauf hin, dass die vorgeschlagenen Änderungen des Aufsichtssystems die Widerstandsfähigkeit des US-Finanzsystems schwächen würden. Die Entscheidung offen zu lassen, Stresstests von Unternehmen zu verlangen oder nicht und die verwendete Methodik hätten einen zu großen Spielraum zur Folge. Dies "spiegelt nicht die Lehren aus diesem gescheiterten Aufsichtsregime wider", bemängelt der SRC.
Vor allem vor dem Hintergrund manchmal schneller Veränderungen auf den Finanzmärkten und in der Wirtschaft unterstützt der SRC die Bemühungen nicht, die Vorschriften für Stresstests abzuschwächen. Zumindest sollten SEC und CFTC in die Lage versetzt werden, Stresstests bei Unternehmen durchzuführen oder darauf Einfluss zu nehmen, sofern solche Tests durch wirtschaftliche oder Marktbedingungen gerechtfertigt sind. Der SRC betont auch, dass die Fed in den Prozess einbezogen werden sollte. Er stellt fest, dass die Vergangenheit nachdrücklich darauf hindeute, dass die erforderliche Zusammenarbeit zwischen den Behörden nicht ohne Rechtsvorschriften erfolgen werde.
Kein Grund für eine Lockerung der Bankenregulierung
Darüber hinaus warnt der SRC, dass die negativen Auswirkungen der nächsten Rezession auf die Kreditnehmer und das Finanzsystem wahrscheinlich noch schwerwiegender sein könnten als die der vorherigen, da das geldpolitische Arsenal aufgebraucht sei und im Krisenfall wahrscheinlich nur wenig Zeit für fiskalische Impulse bleibe. Wenn er diese beiden Gesetzestitel nicht überarbeite, würde der Kongress Absicherungsmaßnahmen gegen systemische Risiken, die derzeit bestehen, schwächen oder ganz entfernen.
Mit Blick auf die europäischen Banken können wir ebenso festhalten, dass es keinen Grund gibt, die seit 2010 eingeführte strengere Regulierung zu lockern. Im Gegenteil, wir würden von politischen Entscheidungsträgern und Aufsichtsbehörden große Anstrengungen erwarten, die zu einer Harmonisierung und Vollendung der Umsetzung wichtiger regulatorischer Vorschriften beitragen. Diese würden die Bail-in-Fähigkeit des MREL/TLAC-Fremdkapitals und die Abwicklungsfähigkeit aller großen und kleinen Finanzinstitute sichern.
Darüber hinaus ist das Instrument der vorsorglichen Rekapitalisierungen, das in das bankaufsichtliche Regelwerk aufgenommen wurde, um die Verletzung der Bail-in Regeln im Krisenfall zu begrenzen, möglicherweise ein Tor für Bankenrettungen durch den Staat; sie müssen dringend formal auf ausgewachsene systemische Krisen beschränkt werden, ohne dass ein nationaler Ermessensspielraum besteht. Eine solche Entscheidung wird wahrscheinlich einen ex ante Konsens erfordern in einer europäischen Institution wie dem Einheitlichen Bankenabwicklungsmechanismus (Single Resolution Board, SRB) oder dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (European Stability Mechanism, ESM).
Jan Pieter Krahnen ist Professor für Finance an der Goethe-Universität Frankfurt und Direktor des LOEWE-Zentrums SAFE.