SAFE Finance Blog
10 Jun 2022

Spillover-Effekte von Finanzierungsengpässen

Andreas Barth: Sehen sich Banken mit Engpässen auf einem Finanzierungsmarkt konfrontiert, weichen sie auf andere Finanzierungsquellen aus, was den Wettbewerb verschärft: Banken, die nicht direkt vom eigentlichen Finanzierungsengpass betroffen sind, können ebenso davon erfasst werden, was sich stark auf die Realwirtschaft auswirkt

Trocknen Finanzierungsmärkte aus, führt das häufig zu Finanzkrisen mit negativen makroökonomischen Folgen. Daher ist es wichtig, die Dynamik der Finanzierungsmärkte zu verstehen. Es ist jedoch eine Herausforderung für die empirische Forschung, die Auswirkungen einer Austrocknung von Finanzierungsmärkten von den allgemeineren Auswirkungen einer Krise zu trennen, da beides in der Regel Hand in Hand geht.

In unserer Publikation „Spillovers of Funding Dry-ups“ untersuchen wir die Dynamik von Finanzierungsengpässen und weisen auf einen neuen Weg hin, über den Finanzierungsengpässe von einem Finanzierungsmarkt auf andere übergreifen: Wenn Banken auf einem Markt mit einer Finanzierungsknappheit konfrontiert sind, weichen sie auf andere Finanzierungsquellen aus, was den Wettbewerb auf diesen Märkten verschärft. Dies kann dazu führen, dass Banken, die nicht direkt von der ursprünglichen Finanzierungsknappheit betroffen sind, dennoch mit einem Finanzierungsengpass konfrontiert werden, da sie bei der Suche nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten von den direkt betroffenen Banken verdrängt werden.

Identifizierungsstrategie

In unserer Arbeit kombinieren wir drei kleinteilige Datensätze mit detaillierten Informationen über (I) die Höhe der Geldmarktfondsfinanzierung für Banken, (II) Informationen über die Gebote der Banken bei Auktionen für Unternehmenseinlagen in verschiedenen Währungen und (III) detaillierte Daten über die Konsortialkredite der Banken. Zur Identifizierung nutzen wir die Reform der US-Geldmarktfonds im Jahr 2016, durch die institutionelle Prime-Fonds und kommunale Fonds zu einer variablen Nettoanlagebewertung wechseln mussten und Rücknahmebeschränkungen und Gebühren nach Ermessen des Fonds eingeführt wurden. Infolgedessen führte die Reform zur Umwandlung vieler Prime Fonds in Staatsfonds, was für viele Nicht-US-Banken zu einem Verlust an Dollar-Finanzierung führte.

Die Geldmarktfondsreform ist ein nahezu ideales Umfeld für die Untersuchung von Spillover-Effekten bei Finanzierungsengpässen. Die Reform fand nicht nur in einer ansonsten ruhigen Zeit für die Finanzmärkte statt, sondern betraf auch direkt nur Banken, die aktiv Kredite bei Geldmarktfonds aufnehmen (die wir als MMF-Banken bezeichnen). Dies ermöglicht eine klare Unterscheidung zwischen Geldmarktfonds-Banken und Banken, die nicht direkt bei Geldmarktfonds engagiert sind (die wir als Nicht-MMF-Banken bezeichnen). Da sich die Reform nur auf die Dollar-Finanzierung von Banken auswirkt, sollte sie sich auch nur auf die Dollar-Märkte und nicht auf andere Währungen auswirken. Ein wesentlicher Bestandteil unserer Identifizierungsstrategie ist der Vergleich von MMF- und Nicht-MMF-Banken vor und nach der Reform in verschiedenen Währungen.

Abb. 1: Einlagenspanne im US-Geldmarktfonds von 2013 bis 2017

Wir zeigen, dass der negative Finanzierungsschock infolge der Geldmarktfondsreform auch auf andere Märkte übergreift, und zwar auf Banken, die nicht an Geldmarktfonds beteiligt sind (siehe Abbildung 1). Nach der Reform zahlen Nicht-MMF-Banken höhere Einlagenzinsen als MMF-Banken, um die Finanzierung ihrer Unternehmenseinlagen zu erhalten. Darüber hinaus belegen wir einen Kompositionseffekt und erklären die höhere Einlagenspanne, die Nicht-MMF-Banken nach der Reform zahlen. Nachdem die MMF-Banken ihre Geldmarktfonds-Finanzierung verloren und den Wettbewerb um Unternehmenseinlagen verschärft hatten, verdrängten sie die Nicht-MMF-Banken, indem sie sich die Finanzierung von Unternehmen sicherten, die den Geldmarktfonds am ähnlichsten sind, also von stabilen und großen Unternehmen. Nicht-MMF-Banken waren gezwungen, neue Beziehungen zu weniger stabilen Finanzierungsanbietern aufzubauen, indem sie höhere Preise boten. Wichtig ist, dass diese Auswirkungen nur auf Dollar-Einlagen zutreffen – auf Pfund-Einlagen gab es zum Zeitpunkt der Geldmarktfondsreform keine Auswirkungen. Dies deutet darauf hin, dass der Effekt auf Spillover-Effekte aufgrund der Reform und nicht auf unbeobachtete Heterogenität zwischen den beiden Bankengruppen zurückzuführen ist.

Bankkredite: Preise und Volumen

Eine naheliegende Frage, die sich aus unseren Ergebnissen ergibt, ist, ob und wie die Kreditvergabe der Banken beeinflusst wird. Unter der Annahme, dass die Ergebnisse der Plattform für Unternehmenseinlagen repräsentativ für die steigenden Kosten der Nicht-MMF-Banken sind, stellen wir die folgenden Fragen: Geben die Banken die steigenden Kosten an die Kreditnehmer weiter? Erhöhen die Banken die Risikobereitschaft, um ihre Gewinnspannen zu halten? Reduzieren die Banken ihre Kreditvergabe in Dollar im Vergleich zu anderen Währungen, da die Beschaffung von Dollar teurer wird? Oder haben sie ihre Wettbewerbsfähigkeit auf den Kreditmärkten durch eine geringere Nachfrage nach ihren Krediten verloren, weil sie ihre Wettbewerbsfähigkeit auf den Finanzierungsmärkten verloren haben?

Wir zeigen, dass Nicht-MMF-Banken ihre Kreditzinsen im Vergleich zu MMF-Banken gesenkt haben, insbesondere bei Dollarkrediten, und gleichzeitig den relativen Anteil von Dollarkrediten in ihrem Portfolio verringert haben. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass der verschärfte Wettbewerb auf den Refinanzierungsmärkten zu einem Rückgang der Rentabilität führte, da er sich auf die Zinsmargen auswirkte.

Auswirkungen auf die Finanzstabilität

Unsere Ergebnisse haben drei wichtige Implikationen mit Blick auf Finanzstabilität und Finanzpolitik. Erstens zeigen sie, dass verschiedene Arten von Verbindlichkeiten wie Geldmarktfonds und Unternehmenseinlagen bis zu einem gewissen Grad ersetzbar sind. Es ist daher wichtig, die Art dieser Substituierbarkeit zu verstehen, um die Reaktion der Banken im Falle eines Austrocknens der Finanzierung in einem Markt abschätzen zu können. Zweitens können in einem integrierten, aber segmentierten Finanzsystem Schocks auf einem Markt auf andere Märkte übergreifen und andere Finanzinstitute beeinträchtigen. Infolgedessen könnten sich diese Spillover-Effekte ausbreiten und die Auswirkungen der ursprünglichen Schocks verstärken, auch grenzüberschreitend. Daher ist es für politische Entscheidungsträger:innen wichtig, die Verbindungen zwischen den verschiedenen Märkten und den Teilnehmenden an den einzelnen Märkten zu verstehen. Schließlich zeigen diese Spillover-Effekte, dass politische Reformen über ihren beabsichtigten Wirkungsbereich hinausgehen können. Daher sollten die politischen Entscheidungsträger:innen die Möglichkeit von Spillover-Effekten berücksichtigen, wenn sie die potenziellen unbeabsichtigten Folgen ihrer Politik bewerten.


Jun.-Prof. Dr. Andreas Barth hält eine Juniorprofessur für BWL, insbesondere Digitale Transformation in Unternehmensrechnung und Finanzdienstleistungen an der Universität des Saarlandes und ist assoziierter Wissenschaftler am House of Finance der Goethe-Universität Frankfurt.

Blogbeiträge repräsentieren die persönlichen Ansichten der Autor:innen und nicht notwendigerweise die von SAFE oder seiner Mitarbeiter:innen.