In der Politik gibt es Stimmen, die nationale Champions in der Bankenbranche fordern. Ist das eine sinnvolle Idee?
National orientierte Banken sind im Kommen. Der Ansatz, dass ein Land starke nationale Banken braucht, ist nicht neu, sondern kommt historisch gesehen immer wieder. Im Grunde geht es der Politik dabei darum, sich von einem level playing field zu verabschieden, also einem Wettbewerb mit gleichen Bedingungen für alle Teilnehmer. Die Hoffnung dahinter besteht darin, dass national orientierte, starke Banken die heimische Wirtschaft besonders unterstützen. Die Politik verspricht sich davon also Vorteile im internationalen Wettbewerb. Der steigende Wettbewerbsdruck sorgt dafür, dass die Politik glaubt, die nationalen Banken besonders schützen zu müssen. All das widerspricht aber den Prämissen des europäischen Binnenmarkts.
Was würde eine solche Entwicklung für die Bankenunion bedeuten?
Zunächst wäre eine stärkere Identifikation von Ländern mit „ihren“ Banken die Folge. Das würde bedeuten, dass solche Kreditinstitute auf keinen Fall untergehen dürfen. Der Markt würde dies sehr wahrscheinlich so interpretieren, dass eine solche Bank in kritischen Situationen staatliche Rückendeckung bekommen würde. Dies spricht gegen eine ordnungspolitische Orientierung, die auf Wettbewerb gerichtet ist. Dazu gehört eben auch, dass Banken untergehen können müssen. Es würde auch bedeuten, dass Banken unterschiedliche Wettbewerbschancen hätten, weil eben auch die staatliche Rückendeckung unterschiedlich ausfallen würde. Letztlich würde dies eine protektionistische Politik bedeuten, die Banken der Marktdisziplin entzieht – aber gerade dies ist die DNA der Bankenunion. Dies hätte auch Implikationen für die Finanzstabilität.
Inwiefern?
Nicht jede Bank hätte gleichermaßen staatliche Rückendeckung, weil auch nicht alle Staaten völlig stabil sind. Wir würden außerdem die Solvenz von Banken mit jener von Staaten verknüpfen. Eine Lehre aus der Finanz- und Staatsschuldenkrise ist aber gerade, dass wir eine solche Verbindung überwinden wollen. Nationale Champions in der Bankenbranche würden aber genau diesen Nexus stärken.
Was wäre aus Ihrer Sicht die Alternative zu nationalen Champions?
Besser wären Banken, die tatsächlich europaweit aktiv sind, damit sie dem gemeinsamen Ordnungsrahmen der Bankenunion unterworfen sind und auch aus dem Markt ausscheiden können. Eine enge Anbindung an einzelne Staaten gäbe es nicht und damit auch keine Abhängigkeit von Staatsfinanzen. Bisher gibt es das aber noch kaum. Hier ist die Politik gefordert, denn im Euroraum bestehen noch unterschiedliche Rechtsrahmen, etwa beim Insolvenzrecht. Letztlich schützen die unterschiedlichen Gesetzeslagen die nationalen Player in der Bankenbranche. Auch die nationalen Aufsichtsbehörden sind ein Faktor, der die nationalen Banken stärkt. In der Krise gab es beispielsweise die Auflage der nationalen Aufseher, Liquidität im Heimatmarkt zu konzentrieren. Tatsächlich europäisch aktive Banken würde auch für eine Diversifikation sorgen: Die Risikokonzentration würde reduziert. Außerdem würden sich die Investitionsbedingungen grenzüberschreitend in Europa verbessern, was die weitere Integration der Wirtschaft begünstigen würde.
Der Vorsitzende der Deutschen Bank hat von einer zunehmend nationalen Ausrichtung der deutschen Wirtschaftspolitik gesprochen. Wie bewerten Sie das?
Im Bankenbereich ist das sicherlich der Fall. Insgesamt würde ich aber nicht von einer zunehmenden Nationalisierung der Wirtschaftspolitik sprechen. Für Deutschland halte ich dies auch für eher unwahrscheinlich, weil die Wirtschaft stark exportorientiert ist. In anderen Ländern könnte diese Position aber an Stärke gewinnen und so versuchen, Wettbewerbsnachteile wettzumachen. Starke, nationale Banken sind ein Bestandteil dieser Strategie. Das ist keine gute Entwicklung.
Jan Pieter Krahnen ist Professor für Finance an der Goethe-Universität Frankfurt und Direktor des LOEWE-Zentrums SAFE.