SAFE Finance Blog
08 Jun 2018

Lebensversicherung: Steigende Zinsen können zu Herausforderungen führen

Helmut Gründl: Kurzfristig kann ein starker und schneller Anstieg des Zinsniveaus problematisch sein für Versicherungen

Die andauernde Periode niedriger Zinseinkünfte und die großen Bestände an Altverträgen mit einer Garantieverzinsung von bis zu 4 Prozent stellen die europäischen Lebensversicherer vor große Herausforderungen. Viele dieser Unternehmen sehnen deshalb ein höheres Zinsniveau herbei. Und in der Tat sind die Zinsen in den vergangenen zwei Jahren schon leicht gestiegen. Auf den ersten Blick scheint es, als würden sich höhere Zinsen stets stabilisierend auf die Bilanzen der Lebensversicherer auswirken. Alles in Ordnung also?

Nicht ganz: Denn interessant sind die unterschiedlichen Wirkungen auf die Handelsbilanz und die Solvenzbilanz gemäß Solvency II, wenn Zinsen steigen. Gemäß des Niederstwertprinzips müssten Versicherungen Anleihen in der Handelsbilanz bei einem Zinsanstieg zügig abschreiben, während sich der Wert der Verpflichtungen auf der Passivseite aufgrund der Regelungen zur Zinszusatzreserve kurzfristig sogar noch erhöht und erst anschließend fällt. Dies würde kurzfristig zu handelsbilanziellen Verlusten des Unternehmens führen. Im Sinne eines „true and fair view“ wäre es deshalb ratsam, im Falle steigender Zinsen die Regelungen zur Zinszusatzreserve so zu verändern, dass Versicherungen diese entsprechend zügig abbauen können.

In der Solvenzbilanz hingegen haben steigende Zinsen für Lebensversicherungsunternehmen aufgrund der sachgerechten marktkonsistenten Bewertung einen eindeutig positiven Effekt. Die Solvabilität, also die Ausstattung der Versicherung mit Eigenmitteln, verbessert sich.

Jedoch kann insbesondere ein plötzlicher, starker Zinsanstieg Risiken für die Versicherungswirtschaft und damit auch für die Kunden mit sich bringen, wenn Versicherte aufgrund steigender Zinsen ihre Verträge stornieren und in neue Investments mit höheren Renditen gehen. Stornierungen führen aufgrund der Storno-Abschläge in der Regel zwar zu handelsbilanziellen Gewinnen, sie können aber in der Solvenzbilanz zu sinkenden Eigenmitteln beitragen. In dieser Situation führt jede Vertragsstornierung zu einem Verlust und damit zu einer sich verschlechternden Solvabilität.

Als Fazit lässt sich festhalten: Ein moderater, langsamer Zinsanstieg hätte eindeutig positive Effekte für Lebensversicherungsunternehmen. Ein sehr starker und schneller Zinsanstieg könnte hingegen zu Problemen führen.

Helmut Gründl ist Research Professor des SAFE Policy Centers und Geschäftsführender Direktor des International Center for Insurance Regulation im House of Finance

Mehr zu diesem Thema: Elia Berdin, Helmut Gründl, Christian Kubitza: Rising interest rates, lapse risk, and the stability of life insurers, ICIR Working Paper No. 29.