SAFE Finance Blog
03 Apr 2017

Ignorante Investoren, unkreative Regulierung

Andreas Hackethal über die häufigsten Anlagefehler und die Vorteile eines umfassenden und transparenten Depot-Reportings

Warum lernen viele Kleinanleger nicht aus den Anlagefehlern der Vergangenheit? Weil sie das Chance-Risiko-Profil ihres Gesamtdepots und damit auch die Kosten ihrer Anlagefehler nicht kennen. Ein Grund für diesen Blindflug liegt im nach wie vor wenig zweckgerechten Reporting der Banken und Broker. Diese zeigen die Gewinne und Verluste pro Wertpapier seit Anschaffung, aber nur in wenigen Ausnahmefällen eine Übersicht über die in der letzten Periode erzielte Rendite und das dafür in Kauf genommene Risiko für das Gesamtdepot. Die Folge: Benchmark-Vergleiche und langfristige Risiko-Rendite-Betrachtungen sind nicht möglich, sodass Kleinanleger trotz schlechter Performance ihre Investmentstrategie langfristig beibehalten.

Das Magazin „Finanztest“, herausgegeben von der Stiftung Warentest, veröffentlichte am 26. März 2017 einen Artikel zum Thema „Anlagefehler“, der auf einer Untersuchung von fast 40.000 Wertpapierdepots basiert, die Steffen Meyer und ich zwischen 2005 und 2015 unter Direktbankkunden durchgeführt haben. Die wichtigste Erkenntnis der Finanztest-Autoren: Wären die Anleger in diesem Zeitraum einer „low-cost Buy-and-Hold-Strategie“ gefolgt, hätten sie sich im Durchschnitt jährlich über eine um fünf Prozent höhere Rendite freuen können. Anstatt breit zu diversifizieren und in passiv verwaltete Indexfonds wie ETFs zu investieren, setzte der wesentliche Anteil der Hobbybörsianer auf Stock-Picking und aktive Aktien- und Investmentfonds. Eine zu geringe Diversifizierung und hohe Transaktionskosten verschlangen zusätzlich Rendite. Statt vergeblich Jagd auf Überrenditen zu machen, sollten Anleger besser mit ruhiger Hand in ETFs für globale Aktien und Anleihen investieren, empfehlen die Autoren von Finanztest und reihen sich damit ein in den Chor derer, die in den vergangen Jahren die Optimierung der Anlegerportfolios durch passive Investments gefordert haben.

Es ist auffallend und überraschend zugleich, dass trotz der intensiven Medienberichterstattung die Mehrheit der Privatanleger an ihren wenig erfolgreichen Handelsstrategien festhält. Die Gründe für diese Beharrlichkeit liegen sowohl im Angebot (Interessenkonflikte) als auch in der Nachfrage (eintrainierte Verhaltensmuster und eben Blindflug). Ein beliebtes Instrument der Politik in Situationen, in denen Marktmechanismen versagen, ist Transparenz und Aufklärung. Die Einführung von standardisierten Produktprospekten und Beratungsprotokollen sind konkrete Beispiele solcher Bemühungen. Allerdings sind sie allesamt auf den Input der Beratungsleistung und auf Einzelprodukte ausgerichtet. Dem mittelfristigen Output der Beratung auf Depotebene, bzw. dem Ergebnis von eigenständigen Kundenentscheidungen wird keine Beachtung geschenkt.

Ein neuer Ansatz wäre daher ein standardisiertes Reporting für Anlegerportfolios in Deutschland und Europa, damit Privatanleger die Folgen von Finanzberatung sowie ihrer eigenen Entscheidungen besser und leichter überprüfen und somit aus ihren Fehlern lernen können. Diesen Vorschlag haben Roman Inderst und ich bereits 2011 im Rahmen eines Berichts für das Verbraucherschutzministerium unterbreitet. Ein solches Reporting sollte auf Gesamtdepotebene erfolgen und neben der über die letzte Periode erzielten Nettorendite, also dem Ergebnis unter Berücksichtigung aller Kosten, auch das in Kauf genommene Gesamtrisiko leicht verständlich ausweisen. Privatanleger würden damit über die Zeit weit besser in die Lage versetzt, die Kosten ihrer eigenen Anlagefehler sowie schlechte oder auch überteuerte Beratung zu erkennen. Dies würde den Wettbewerb zwischen den Dienstleistern beleben und den Fokus auf den tatsächlich erbrachten Kundennutzen schärfen.