SAFE Finance Blog
05 Jan 2018

Ganzheitlicher Ansatz für EZB-Geldpolitik und Bankenaufsicht

Matthias Goldmann: Die gegenwärtigen EMU-Vorschriften schreiben nicht zwingend die Trennung von Geldpolitik und Finanzaufsicht vor

Die Übergabe der Verantwortung für die Finanzaufsicht in die Hände der Europäischen Zentralbank (EZB) folgte dem politischen Verständnis, dass diese eine Politik der akribischen Trennung zwischen Geldpolitik und Finanzaufsicht verfolgen sollte. Die Finanzkrise zeigte jedoch, dass Geldpolitik und prudentielle Überwachung mitunter einander stark beeinflussen, und dass eine übertrieben strenge Trennung zu systemischen Risiken führen kann. In der Folge ist der Wert einer funktionalen Trennung von Geldpolitik und Finanzaufsicht hinterfragt worden; manche Stimmen fordern einen ganzheitlichen Ansatz ein.

Die wechselseitige Berücksichtigung geldpolitischer Aspekte im Rahmen der Finanzaufsicht und prudentieller Aspekte im Rahmen der Geldpolitik würde dem gegenwärtigen rechtlichen Rahmen der Europäischen Währungsunion (EMU) nicht widersprechen. Zwar nährte die politische Debatte im Zuge der Verabschiedung der EU-Verordnung über den Einheitlichen Aufsichtsmechanismus den Eindruck, dass eine „Chinesische Mauer“ zwischen Geldpolitik und Finanzaufsicht errichtet würde; bei näherer Betrachtung der rechtlichen Gestalt dieser Mauer erweist sie sich aber als recht durchlässig.

Die Umsetzung eines ganzheitlichen Ansatzes würde allerdings die – bereits jetzt vorhandenen – Zweifel an der demokratischen Legitimation der EZB unter dem Europäischen System der Zentralbanken (ESZB) weiter verstärken, da die Kompetenzen der EZB weiter ausgeweitet würden. Die Unabhängigkeit der EZB sollte jedoch nicht angetastet werden. Neue Lösungen für das Problem der zeitlichen Inkonsistenz, die der Zentralbank ihre Unabhängigkeit streitig machen könnten, sind nicht in Sicht. Daher sollte die EZB  angesichts der großen Bedeutung der Autonomie der europäischen Institutionen für die europäische Integration ihre Unabhängigkeit nicht aufgeben. Stattdessen sollte die demokratische Kontrolle über die EZB gestärkt werden.

Mehr zu diesem Thema: Matthias Goldmann: "Monetary Policy and Prudential Supervision – From Functional Separation to a Holistic Approach", SAFE Policy Letter No. 63.

Matthias Goldmann ist Juniorprofessor für Internationales Öffentliches Recht und Finanzrecht an der Goethe-Universität Frankfurt.